Gewusst wie: Compliance in Verband und Unternehmen

Die Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie erfordert die Einrichtung sicherer Meldekanäle. Wie haben die wichtigsten Punkte dazu für Euch aufgedröselt.

Die Bundesregierung zündet die nächste Stufe im Bereich der rechtlichen Compliance. Nachdem die Themen Datenschutz, Geldwäsche und Co. in den letzten Jahren auch im Mittelstand umgesetzt worden sind, werden nun interne Verhaltenskodices und die Einrichtung sicherer Meldekanäle für Whistleblower für Unternehmerinnen und Unternehmer verbindlich. Die Wirtschaftsjunioren Deutschland machen vor, wie es geht.

Interner Verhaltenskodex als Instrument für Compliance und Haftungsvermeidung

Interne Verhaltensrichtlinien (Code of Conduct) liegen im Trend, und das aus guten Gründen: Zum einen sind sie ein wirksames Instrument der Compliance, die Rechte und Pflichten innerhalb des eines Unternehmens klar definieren und Missverständnissen über die Grenzen des Zulässigen oder die Verteilung von Kompetenzen zu vermeiden helfen. Regelmäßige Inhalte betreffen Fragen der Anti-Diskriminierung, der Zulässigkeit von Geschenken und des Umgangs mit anvertrauten Mitteln. Im grenzüberschreitenden Kontext werden vielfach die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette sowie die Nachhaltigkeit von Produktionsprozessen mit aufgenommen. Zum anderen sind sie aber auch ein wichtiger Baustein bei der Haftungsvermeidung von Geschäftsleitung und Mitarbeitenden: Im Zuge der aktuellen Diskussionen zu einer Novellierung des Unternehmensstrafrechts wird zum Beispiel die Auffassung vertreten, dass die Festlegung solcher Verhaltensrichtlinien für die Beurteilung, ob ein schuldhafter Gesetzesverstoß vorliegt, von entscheidender Bedeutung ist. Dies ist für die Frage eines sogenannten Organisationsverschuldens bei der Haftung von Vorständen und Geschäftsführern gesellschaftsrechtlich schon lange anerkannt.

Ein authentischer Verhaltenskodex stärkt das Bild der ehrbaren Kauffrau/des ehrbaren Kaufmanns und ist Ausdruck einer offenen und transparenten Unternehmenskultur.

Natürlich ist eine solche Zusammenstellung kein Selbstzweck und auch kein Dokument nur für die Schublade. Denn nicht zuletzt dient ein authentischer Kodex der Stärkung des Leitbilds der ehrbaren Kauffrau/des ehrbaren Kaufmanns, ist Ausdruck einer offenen und transparenten Unternehmenskultur und gehört damit zu den wichtigsten Bausteinen einer funktionierenden Unternehmenskommunikation.

Und auch im Verbandsleben dienen Verhaltenskodices einer aktiven Missbrauchsvermeidung und schaffen nachhaltige Regelungen über das „One year to lead“-Prinzip hinweg. Rechtlich betrachtet kann die Festlegung eines „ WJ-Kodex“ den Vorwurf eines Organisationsverschuldens ausräumen und damit eine Haftung der verantwortlichen Vorstände verhindern: Die Wirtschaftsjunioren Deutschland werden im Laufe des Herbstes zahlreiche Hilfestellungen geben, damit WJ- Kreise und Landesverbände einen eigenen „WJ-Kodex“ aufsetzen können. Hierbei werden wir vor allem relevante Themenbereiche vorstellen, entsprechende Textbausteine vorschlagen und praktische Tipps zur nachhaltigen Umsetzung geben.

Sichere Meldekanäle für Whistleblower werden verpflichtend

Seit einigen Monaten erlebt der Begriff des „Whistleblowers“ den man vor allem mit Edward Snowden (NSA-Affäre, 2013) oder Frances Haugen (Facebook-Enthüllungen, 2021) in Verbindung brachte, ein Comeback. Vor einigen Wochen, am 29. Juli dieses Jahres, stellte die Ampelkoalition den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Whistleblowing- Richtlinie vor, durch das auch in kleinen und mittleren Unternehmen hinweisgebende Personen wirkungsvoll geschützt werden sollen. Unternehmen ab 50 Mitarbeitern, Kommunen und bestimmte öffentliche Einrichtungen werden nach der Richtlinie und dem Gesetzesentwurf unter anderem verpflichtet, für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Geschäftspartner und Geschäftspartnerinnen einen Meldekanal für Hinweise zu Gesetzesverstößen und unethischem Verhalten einzurichten. Solche Meldekanäle können entweder bei einer unabhängigen Person im Unternehmen selbst oder bei einer zuverlässigen externen Ombudsperson eingerichtet werden. Eingehende Hinweise müssen innerhalb kurzer Frist bearbeitet werden und es muss spätestens nach drei Monaten eine Rückmeldung über die eingeleiteten Schritte erfolgt sein. Die neuen Pflichten werden vielfach wegen der zusätzlichen Bürokratie kritisiert. Ein wirksamer Hinweisgeberschutzes kann jedoch als unkompliziertes „Frühwarnsystem“ gerade mittelständische Unternehmen vor wirtschaftlichem Schaden bewahren, wenn beispielsweise Mittel des Unternehmens veruntreut werden und Mitarbeitende sich scheuen, dies auf eine nicht-anonyme Weise zu offenbaren. Außerdem sprechen auch ein funktionierendes Compliance-Management-System sowie ein wirkungsvoller Umgang mit Fehlern für eine offene und moderne Unternehmenskultur. Vor allem in mittelständischen Unternehmen werden jedoch die Anforderungen der Richtlinie durch eigenes Personal inhaltlich wohl kaum zu erfüllen sein. „Im Bereich der KMU ist vor allem das Kriterium der Unabhängigkeit der Empfangsstelle kritisch zu sehen: Die Geschäftsleitung selbst oder eine Kraft aus der Verwaltungsebene wird man nur schwer als unabhängig ansehen können“, sagt WJD General Legal Counsel Tarek Bary. Zusätzliche Formalitäten wie beispielsweise eine Bearbeitung von Hinweisen innerhalb dezidierter Fristen sowie das Erfordernis des Einsatzes hinreichend geschulten Personals stellen die Unternehmen vor weitere Herausforderungen. Dies sei misslich, denn rechtliche Compliance sollte auch für den Mittelstand umsetz- und handhabbar bleiben. Tarek ist neben seiner Tätigkeit als General Legal Counsel im WJ-Bundesvorstand Partner einer mittelständischen Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzlei, die ihre Mandanten zur Umsetzung der Whistleblowing-Vorschriften berät. „In der Regel können die Vorgaben der Richtlinie am besten durch ein zusätzliches digitales Hinweisgebersystem umgesetzt werden, das für alle Mitarbeiter und Geschäftspartner einfach erreichbar ist sowie richtlinien- und datenschutzkonform die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers gewährleistet“, berichtet der Rechtsanwalt und Steuerberater aus der Praxis. Vertrauensanwälte wie er und seine Kolleginnen und Kollegen übernehmen häufig für geringe Kosten die Betreuung des Hinweisgebersystems und bearbeiten eingehende Hinweise eigenständig. „In diesem Fall unterliegen die eingehenden Informationen auch einen Beschlagnahmeschutz gegenüber der Staatsanwaltschaft, was bei einer rein internen Lösung nicht der Fall wäre“, ergänzt Tarek im Hinblick auf kompromittierende Extremfälle mit strafrechtlicher Relevanz.

 „Rechtliche Compliance sollte auch für den Mittelstand umsetz- und handhabbar bleiben.“

Dr. Tarek Bary, WJD General Legal Counsel

Ein solches Hinweisgebersystem steht ab sofort auch den Mitgliedern, Mitarbeitern und Partnern der Wirtschaftsjunioren Deutschland zur Verfügung, um Hinweise über Rechtsverstöße und unethisches Verhalten sicher und anonym melden zu können, aber auch den Rat einer Vertrauensperson zu ermöglichen. Zudem erhalten die Mitglieder ein praktikables Beispiel für die Umsetzung der Whistleblowing- Vorschriften als Anschauungsmaterial für ihre eigenen Unternehmen. Hier findet Ihr das WJD-Hinweisgebersystem: wjd.de/compliance/hinweis-geben

Interne Verhaltenskodices und ein individuelles Hinweisgebersystem sollten idealerweise eng aufeinander abgestimmt sein, beispielsweise durch die Anpassung der Auswahlmöglichkeiten für hinweisgebende Personen an den internen Code of Conduct. Tarek: „Dann wird aus bürokratischen Insellösungen ein funktionierendes Compliance-Management-System.“

Die Bundesgeschäftsstelle und der General Legal Counsel stehen für Rückfragen zum Projekt „WJD-Compliance“ jederzeit zur Verfügung: wjd@wjd.de | glc@wjd.de