Die Magie der Kundenbindung

Philipp Westermeyer hat drei Unternehmen gegründet. Zwei hat er verkauft und das dritte zu einem Riesenerfolg gemacht: Mit Ramp 106 veranstaltet er das OMR-Festival in Hamburg, die größte deutsche Fachmesse und -konferenz zum Thema digitale Wirtschaft und Online-Marketing. Um das Festival herum ist eine Informationsplattform mit zahlreichen Serviceangeboten entstanden: Podcasts, Academy, Jobportal, Software-Reviews. In diesem Jahr werden 60.000 Menschen Mitte Mai zum Festival erwartet, 700 Speaker, 500 Aussteller, 10 Bühnen. Der erste Interviewtermin muss kurzfristig abgesagt werden, weil Philipp wegen eines OMR-Partner-Termins noch im Helikopter sitzt. Das Gespräch findet dann eine Woche vor dem Festival statt: Kurze Ruhe vor dem Sturm.

Lieber Philipp, wir sprechen uns jetzt eine Woche vor dem ersten OMR-Festival nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause. Worauf freust Du Dich am meisten?

Am allermeisten freue ich mich auf den Abend des 18. Mai, wenn alles vorbei und hoffentlich gut gelaufen ist und alle glücklich sind! Wenn man weiß, dass sich die ganze Arbeit – vor allem auch die meiner Kolleginnen und Kollegen und des Teams – gelohnt hat und man beruflich wieder in die Spur kommen kann. Die zwei Tage selber, die sind wie ein Rausch für mich. Da habe ich so viel im Blick zu behalten, so viele Termine, die gehen ganz schnell vorbei.

Das OMR-Festival hat sich ja enorm weiterentwickelt seit 2011. Damals hattet Ihr 200 Besucherinnen und Besucher, diesmal erwartet Ihr 60.000 Menschen. Es gibt das Festival, eine Fachmesse, Masterclasses, ein Rahmenprogramm. Wie definiert Ihr Euch selbst? Wer ist Euer Zielpublikum?

Unser Zielpublikum ist mittlerweile die digitale Wirtschaft in der Breite. Wir kommen aus der Marketing-Ecke. Das ist insofern interessant, weil ja auch die Marketing-Firmen wie Google, Facebook, Amazon mittlerweile die größten und wichtigsten Digital-Firmen sind. Diese Firmen sind wir halt gefolgt und bilden heute die ganze Branche ab, mit dezidierten Angeboten für den Mittelstand und für alle, die digital interessiert sind. Wir sind sicherlich immer noch ein bisschen Marketing- und auch Entertainment-lastig. Das kommt gerade beim jüngeren Publikum gut an. Wir wollen so eine Art Festival in die Stadt ausdehnen und alle mit und mitnehmen. Wir wollen sehr niedrigschwellig sein.

OMR steht für Online Marketing Rockstars und im Marketing geht es ja ganz viel um das „Du“. Das Du ist die Person, die angesprochen werden soll, die kaufen soll. Wie spricht man Kundinnen und Kunden im Jahr 2022 online denn idealerweise an?

Das kommt auf die Zielgruppe, das Produkt und die eigene Botschaft an. Das ist ja eh klar. Aber das Spannendste ist gar nicht, Kunden neu anzusprechen, sondern die Kunden, die man einmal gewonnen hat, zu behalten. Ich glaube, das macht erfolgreiche Firmen heutzutage aus. Im Customer Relationship Management liegt fast mehr Magie als in der Neukunden-Akquise. Da ist ja klar, wie man das macht aktuell: Das Prinzip ist Influencer Marketing und Paid Social Media Ads. In letzter Zeit ist da noch TikTok dazugekommen, Podcasts auch. Aber das sind jetzt keine neuen Möglichkeiten, auch wenn das für viele Unternehmen noch ein bisschen neuer ist. Ich glaube wirklich, die Magie liegt im CRM. Das gut zu machen, da die richtigen Tools zu haben, die richtigen Kommunikations-Ideen zu haben, die richtigen Daten zu haben. Und das ist meiner Meinung nach die große Kunst heutzutage.

Hat sich das denn verändert seit der ersten OMR? Das ist ja jetzt auch schon elf Jahre her.

Sicherlich. Damals war ja noch Suchmaschinenoptimierung das ganz große Thema. Da konnte man sich noch dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn man einfach gute Suchmaschinenoptimierung gemacht hat. Einfach weil das damals neu war und noch nicht von vielen so verstanden oder umgesetzt wurde. Danach kam vielleicht die Social-Media-Welle, als man sich mit Social-Media-Marketing differenzieren konnte. Das ist aber mittlerweile alles so verbreitet. Alle machen das. Jetzt geht es darum, die Kunden zu halten.

Ist es denn so, dass das Marketing dank dieser Technologie, die Du ja gerade angesprochen hast, die Kundinnen und Kunden besser denn je kennt? Also nicht mehr ins Blaue hinein kommuniziert, sondern relativ genau weiß, mit wem man da gerade spricht?

Das ist schon viel, viel besser geworden. Aber es hat in letzter Zeit wieder ein bisschen abgenommen. Teilweise, weil zum Beispiel Cookie Daten nicht mehr in dem gewohnten Maße verfügbar sind oder weil generell Daten von den von den Browsern nicht mehr so freigiebig weitergegeben werden an die Plattform und an die Werbetreibenden.

Die Kunst besteht ja darin, vernünftig mit den Daten umzugehen und Mehrwerte daraus zu schaffen. Erstmal zu verstehen, was man mit Daten machen kann. Die zu haben ist das eine, aber das zweite ist ja die Daten auch wirklich zu nutzen. Echtes, liebevolles, leidenschaftliches, wertschätzendes CRM zu betreiben, das ist noch mal eine ganz andere Frage. Das gelingt erstaunlich wenig und scheitert oft an der Kommunikationsebene. Bei vielen Unternehmen kommt das so plastik-mäßig rüber, automatisiert, ohne Herz. Das ist nicht die Kunst.

Also rückt das Menschliche wieder in den Vordergrund?

Ja, du willst ja eine Beziehung aufbauen! Und nicht so keimfreies Plastik verschicken. Dazu ist doch die Welt mittlerweile auch zu sehr marketingkundig.

Was braucht es denn, um eine gute Kundenbeziehung zu pflegen?

Es braucht eine große Nähe einer redaktionellen Person zur Zielgruppe, um die es geht. Wenn Du zum Beispiel hippe Klamotten verkaufen willst und die kommunizierende Person ist selber gar nicht mehr Teil der Zielgruppe für die Klamotten, hat für die Mode gar kein Verständnis und drückt einfach irgendwelche Absendeknöpfe von irgendwelchen Mails – das funktioniert nicht. Das lässt sich auf alle Bereiche übertragen. CRM hat aus meiner Sicht auch was mit redaktioneller Leistung zu tun. Und die fällt natürlich Leuten leichter, die sich einfühlen können in die Zielgruppe, die auch die Wortspiele verstehen und so weiter.

Man muss die gleiche Sprache sprechen.

Genau. Am Ende führt das zu der ganz großen These, dass erfolgreiche Firmen auch Communitys um sich herum gebaut haben. Und das ist in der heutigen Zeit mit Social Media einfacher und besser möglich denn je. Und darum geht es.

Der Name „Online Marketing Rockstars” hat Menschen in den Rang eines Rockstars erhoben, die vorher eher als Nerds, Marketingfuzzis oder windige E-Commerce-Heinis abgetan wurden. Euch wird daher auch zugeschrieben, zur Imageverbesserung der gesamten Branche beigetragen zu haben. Du bist ja selbst auch Unternehmer. Glaubst Du, das Unternehmertum in Deutschland braucht auch eine Imageverbesserung?

Immer. Also das Image des Unternehmertums kann nie gut genug sein, glaube ich, weil es einfach das ist, was unser Land nach vorne treibt. Unternehmertum ist essenziell. Klar mag es immer mal wieder kritische Stimmen zu geben und natürlich gibt es auch Unternehmen oder einzelne Personen, die halt Scheiße bauen. Die enttäuschende Produkte abliefern oder Kunden enttäuschen. Aber wie eine Volkswirtschaft funktioniert oder wie eine Gesellschaft funktioniert, das ist ja unstrittig.

Zum Schluss die Frage nach Deinen Plänen. Du hast mit OMR eine große Medien- und Eventmarke aufgebaut, zuletzt sogar den Hamburger Fernsehturm gepachtet. Du hast einen Podcast, ein Buch, ein Magazin – was dürfen wir als nächstes von Dir erwarten?

Das kommt jetzt vielleicht überraschend, aber ich möchte eigentlich versuchen, wieder ein bisschen in den Hintergrund zu treten in den nächsten Monaten oder Jahren. Wir versuchen, das ganze Unternehmen auf mehrere Gesichter, mehrere Köpfe, mehrere Personen zu verteilen. Ich werde vielleicht auch nicht mehr so präsent beim Festival sein in den kommenden Jahren. In diesem Jahr bin ich stark nach außen gegangen, weil uns das auch geholfen hat, in dieser Zeit während der Pandemie. Aber jetzt möchte ich ruhiger werden und die Marke und andere Personen werden lauter. Ich möchte vor allen Dingen auch einfach normal arbeiten. Nicht mehr so stark in der Rolle des Creators, sondern eher in der des Unternehmers im Hintergrund.

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