Gesichter der jungen Wirtschaft: Jonathan Eller

Anfangs war die Rinderzucht nur ein Hobby seines Vaters. Doch seit Jonathan Eller 2015 als Vertriebsleiter ins Geschäft einstieg, sticht „Auenland Beef“ aus der Masse der Direktvermarkter hervor.

Rindfleisch und sonst nichts

Die Rinder, um die sich bei Auenland Beef alles dreht, stehen in einem offenen Laufstall und auf der Wiese daneben. Ihr auffälligstes Merkmal ist das helle, „blonde“ Fell, das typisch ist für die französische Rasse Blonde d’Aquitaine. Morgens und abends rieselt von der Decke Stroh auf die Rinder. Sie fänden die Strohdusche angenehm, erklärt Jonathan Eller. Der 33-Jährige ist Vertriebsleiter bei Auenland Beef, einem Direktvermarkter von hochwertigem Rindfleisch im unterfränkischen Landkreis Haßberge. Standort der Rinderzucht ist die idyllisch gelegene Aurachsmühle, Jonathans Elternhaus. Die Mühle ist seit mindestens 200 Jahren in Familienbesitz, Jonathans Vater Georg Eller war der Erste, der kein Müller mehr war, sondern Tiermedizin studierte. Überlebensgroße Skulpturen von Hund, Katze und Kuh mit Kalb werben am Straßenrand für sein Tiergesundheitszentrum. Der 58-Jährige Georg ist Fachtierarzt für Rinder und Geschäftsführer von Auenland Beef.

© WJD/Alexander Roßbach

Jonathan lernte zunächst Industriekaufmann bei einem Automobilzulieferer, danach studierte er BWL in Bamberg. „Ich wollte selbst gestalten und Entscheidungen treffen“, sagt Jonathan. Diese Möglichkeit bot ihm die Rinderzucht seines Vaters. Die Arbeitsteilung ist ganz klar: Der Vater ist derjenige, der alle 350 Rinder mit Namen kennt und sich um Zucht und Futter kümmert. Jonathan dagegen ist seit 2015 verantwortlich für Verkauf, Marketing und die zehn Mitarbeiter. Bei den Wirtschaftsjunioren ist er schon seit 2015 dabei und in diesem Jahr auch Kreissprecher der WJ Haßberge. Er schätzt den Austausch mit Selbständigen aus komplett anderen Branchen und Regionen. Jonathan ist auch politisch aktiv, er sitzt für die Junge Liste im Kreistag. Jonathan machte aus dem „Fleisch vom Eller“ eine Marke mit Logo und Merchandising-Artikeln. Die trägt er auch selbst: ein Käppi mit einem roten, in Segmente untergliedertem Rind und eine Steppweste, auf deren Rückseite „Beef is Art“ steht. Am 9. Oktober 2015 ließ Jonathan „Auenland“ als Marke eintragen. Er wählte den Namen, „weil wir hier inmitten von grünen Auen leben“ und weil er Fan von „Herr der Ringe“ ist. Die Hobbits, die im Auenland leben, lieben gutes Essen und pflegen die Genusskultur. Jonathan bezeichnet sich selbst als Genussmenschen: Er ist Mitglied im Brauverein Hofheimer Land und spielt Trompete im Posaunenchor. Aber er ist auch jemand, der hart arbeitet und klare Akzente setzt. Jeden Morgen sitzt er um 6:30 Uhr am Schreibtisch, „da habe ich meine Ruhe“, sagt er. Der Umsatz des Unternehmens basiert auf mehreren Säulen: Hofladen und Online-Shop, Kooperation mit etwa 40 Supermärkten und zwei Metzgereien, Catering und Beef-Tasting-Abende. Dabei drehen sich alle Geschäftsbereiche ums Rindfleisch und das stammt ausschließlich von der Rasse Blonde d‘Aquitaine. Das Besondere sei die feine intramuskuläre Marmorierung, erklärt Jonathan. Das heißt, dass sich das Fett zwischen den Muskeln ansetzt und nicht obendrauf ablagert. Das Fleisch habe weniger Cholesterin und schmecke intensiver.

Im Verkaufsautomaten gibt es rund um die Uhr Snacks

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„Ich bin ein Freund der Fokussierung und Spezialisierung“, sagt Jonathan. Dass er dieses Prinzip verinnerlicht hat, merkt man auch seinem Hofladen an. Ein kleines Rind aus Roststahl neben der puristischen Eingangstür ist die einzige Deko. Der Verkaufsraum ist rein funktional gestaltet. „Hier gibt’s Rindfleisch. Keine Nudeln und keinen Honig“, sagt Jonathan bestimmt. Und auch keine Milch, die ist für die Kälber. Freitags und samstags ist geöffnet und Jonathan verkauft selbst an der Frischetheke. In einem Regal stehen die „Auenland Smart Snacks“: etwa 20 verschiedene hochwertige Fertigprodukte in Gläsern, zum Beispiel Bolognese-Soße. Ein anderes Schmankerl sind die Bratwürste, die je nach Jahreszeit anders verfeinert werden, gerade gibt es sie mit Kürbis. Neben dem Hofladen steht ein Verkaufsautomat, der immer offen hat. Etwa 20 Produkte sind drin, darunter Steaks, Salami und Pulled Beef. Mit Letzterem ist Auenland Beef seit Frühjahr auf der „Landkarte der Originale“ vertreten. Diese wirbt für ausgewählte Spezialitäten aus der Metropolregion Nürnberg. Produkte von Auenland Beef haben inzwischen etwa 30 Rewe-Märkte und zehn Edeka-Märkte im Umkreis von 100 Kilometern um die Aurachsmühle im Sortiment. Und Jonathan ist ständig unterwegs, um weitere Kooperationspartner zu gewinnen.

Verschickt wird ins ganze Land

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Wer weiter weg wohnt, kann im Onlineshop von Auenland Beef bestellen. Die Verkaufszahlen steigen, nicht nur wegen Corona, sagt Jonathan. Als er den Shop vor mehr als vier Jahren startete, waren die Leute noch skeptisch. „Jetzt ist der Zeitgeist ganz anders“, sagt er. Die Kunden sind bereit, zehn Euro Versandkosten zu zahlen – selbst wenn sie sich nur ein Paar Knacker schicken lassen. Das sei immer noch umweltfreundlicher als extra mit dem Auto zum Hof zu fahren, sagt Jonathan. 40 bis 50 Kartons packen seine Mitarbeiter die Woche. Die Bestellungen gehen überwiegend aus Süddeutschland ein, doch es fuhr auch schon ein Paket auf die Insel Borkum. Das Fleisch wird in Kartons mit einer Isolierung aus gereinigtem Stroh und Kühlakkus ins gesamte Bundesgebiet verschickt. Zum Vergleich: Supermarktfleisch aus Argentinien und Brasilien reist ungleich weiter. „Die Wertschätzung des Tiers steht für uns an erster Stelle“, betont Jonathan. Eine artgerechte Haltung sei oberste Prämisse – auch ohne Bio-Siegel. „Es hat noch nie ein Kunde danach gefragt“, sagt Jonathan, deswegen spare er sich die Kosten für eine Bio-Zertifizierung lieber. Wichtiger ist ihm uneingeschränkte Transparenz über alle Unternehmensbereiche hinweg. Die Kälber werden die ersten acht Lebensmonate von ihrer Mutter gesäugt, danach fressen sie selbsterzeugtes Futter von den eigenen Feldern. Für das Lebensende seiner Rinder hat Jonathan klare Worte: „Wenn ich Fleisch essen will, muss ein Tier sterben.“ Geschlachtet wird bei einem Familienbetrieb in der Region, Jonathans Vater begleitet seine Rinder auf ihrem letzten Weg.

Wertschätzung für das ganze Tier

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Die toten Tiere werden nach dem „nose to tail“-Prinzip verarbeitet, also möglichst vollständig. Für Jonathan ist das eine Frage der Wertschätzung: „Ich finde es nicht akzeptabel, nur Edelteile zu entnehmen und der Rest ist Abfall.“ Wer Fleischstücke, die gemeinhin als minderwertig gelten, als Delikatesse vermarktet, handelt nicht nur nachhaltiger, sondern auch wirtschaftlicher. So servierten Jonathans Köche zum Beispiel jüngst bei einem Catering rosa gebratene Skirt Steaks. Früher galt das Zwerchfell als minderwertiges Kochfleisch. Jonathan hat es sich zur Aufgabe gemacht, Konsumenten aufzuklären und an einen verantwortungsvollen Fleischkonsum heranzuführen. Auf Facebook und Instagram stellt er das „Fleisch des Monats“ vor und gibt Tipps zur Zubereitung. Anfang 2021 will er mit einem Biersommelier ein Buch veröffentlichen. Es ist eine Zusammenschau verschiedener Rindfleisch-Gerichte mit Bieren aus der Region. Die Vielfalt von Rindfleisch bringt Jonathan den Menschen auch durch Beef-Tasting-Abende näher. Einmal im Monat serviert sein Team ein Abendmenü mit sechs Gängen. Darunter sind zwei fleischlose Gänge, bei allen Zutaten wird auf Regionalität und Saisonalität geachtet. „Wir bieten das jetzt das dritte Jahr an und es läuft“, sagt Jonathan. Gruppen junger Leute kämen genauso wie ältere Paare. Doch ein Organ der Rinder gibt es, das nach dem Schlachten im Müll landet: die Haut. „Das ist ein Frevel, aber ich kann nicht auch noch eine Gerberei betreiben“, sagt Jonathan. Um noch ganzheitlicher zu wirtschaften, träumt er von einer Kooperation mit einem Rindsleder verarbeitenden Betrieb. „Das wär‘ geil“, sagt er, „wenn jemand Interesse hat, kann er sich gern bei mir melden.“ Und man sieht es Jonathan in diesem Moment an, wie vor seinem geistigen Auge Schlüsselanhänger und Geldbörsen mit dem roten Auenland-Logo auftauchen. Eine neue Idee, um seine Produkte noch besser zu vermarkten.

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