Gesichter der jungen Wirtschaft: Jeannine Budelmann
- 29.08.2019
- AUTOR:IN: Kristina Kastner
Nur gemeinsam
Jeannine Budelmann kann Spaghetticode von strukturiertem Code unterscheiden, hat schon als Schülerin ausgezeichnete Verhaltensforschung betrieben und findet sich auch in Peking bestens zurecht. Und dann sieht auch noch alles sehr leicht aus bei ihr. Stecken da vielleicht übermenschliche Kräfte dahinter? Ein Ortsbesuch.

Wer die Elbphilharmonie besucht, kommt mit Budelmann Elektronik in Berührung. Man könnte sogar sagen, ohne das Unternehmen aus dem westfälischen Münster kommt kein Musikfan hinein in das Opernhaus an der Elbe. Der Grund ist einfach: In der Einlasskontrolle zur Plaza der Elbphilharmonie befindet sich ein Industrie-PC aus dem Hause Budelmann. Manche Menschen verdanken auch ihren Kaffee im Büro oder die frische Bauernhof-Milch von der Milchtankstelle einer Elektronik-Einheit dieses jungen Unternehmens.
„Unser Name steht eben nirgendwo drauf“, erklärt Jeannine Budelmann die geringe Bekanntheit. Viele Kunden von Budelmann Elektronik haben ihre Kompetenzen im Kunststoff- oder Metallbereich und kaufen das „Innenleben“ ihrer Produkte – man könnte auch sagen: das Herz – bei Budelmann ein. Dort wird Elektronik wie auch Software kundenspezifisch für den B2B-Bereich entwickelt. Herausforderungen, bei denen man mit Standardelektronik nicht weiterkommt, können damit bewältigt werden. Dazu gehört etwa auch der gesamte Industrie-4.0-Komplex.
Vom Marketing…
Dass sie einmal Geschäftsführerin eines Mikroelektronik-Unternehmens werden würde, war nicht der ursprüngliche Plan von Jeannine Budelmann. Die 1986 geborene Tochter eines Mediziner-Ehepaars hat BWL mit Interkultureller Qualifikation Chinesisch studiert, zog zum Studium nach Mannheim, später nach Heidelberg, ging einige Zeit nach Peking und Frankreich. Zu Beginn des Studiums, erzählt sie, wollte sie eigentlich „das, was alle wollen, die in Mannheim BWL studieren: Irgendwann in einem richtig großen, wahrscheinlich sogar Automobilkonzern, ganz weit nach vorne kommen.“ Nach dem Studium arbeitet sie zunächst in einigen marketingbezogenen Forschungsprojekten: „Mich interessiert diese Schnittstelle zwischen Mensch und Medizin und die Wissenschaften, die sich damit beschäftigen: Psychologie, Organisationslehre und eben Marketing.“
Bereits als Schülerin beschäftigt sich Jeannine mit Themen aus dem Spektrum der Sozialpsychologie. Im letzten Schuljahr nimmt sie an „Jugend forscht“ teil, tritt im Fachbereich Biologie im Bundeswettbewerb an. Ihr Thema: Das sogenannte Ultimatumspiel, anhand dessen sie erforscht, wie gerecht oder ungerecht Kinder im Grundschulalter teilen. Noch heute spricht sie mit einer Begeisterung von diesem Projekt und ihren Erkenntnissen, die erahnen lässt, wie sehr Jeannine dieses Thema am Herzen liegt. Warum hat sie diesen Weg dann nicht beruflich weiter verfolgt? Auch das mit Jugend forscht zu tun: Hier lernt sie nämlich Christoph kennen, ihren Mann.
Wie Jeannine nimmt Christoph am Jugend-forscht-Bundeswettbewerb teil, im Fachbereich Elektrotechnik, und belegt den ersten Platz. Jeannine wird in ihrem Bereich Zweite. Er kommt aus dem Norden Deutschlands, aus Niedersachsen, und sie lebt zu dem Zeitpunkt mit ihren Eltern im Saarland. „Ohne Jugend forscht hätten wir uns also gar nicht kennengelernt.“ Nach dem Bundeswettbewerb stehen jede Menge Folgetermine an: Einladungen zur Studienstiftung des deutschen Volkes, ins Kanzleramt, sehr viele Veranstaltungen. „So haben wir uns immer wieder getroffen und dann hat es irgendwann gefunkt.“
Wir haben das Unternehmen zuerst von unserer Wohnung aus geführt und die Arbeitszimmer dafür genutzt, die wir uns ohnehin eingerichtet hatten. Nach und nach sind in den Wohnungen unter und über die anderen Mietparteien ausgezogen und zwar immer genau zum richtigen Zeitpunkt.
…zur Mikroelektronik
Christoph studiert nach dem Abitur Elektrotechnik und Informationstechnik und entwickelt nebenbei Elektronik und Software für Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Im Jahr 2010 gründet er eine UG, um diese Tätigkeiten auf eine solide rechtliche Grundlage zu stellen. „Das war total unspektakulär, er kam nach Hause und wir haben zu Abend gegessen und er sagte: ‚Ich war heute beim Notar und habe das Unternehmen eintragen lassen‘. Das war schon das ganze Gespräch.“ Während Christophs Plan eigentlich vorsieht, hauptberuflich zu promovieren, wächst das Unternehmen stetig. Mit der Zahl der Kunden und Aufträge steigt auch die Zahl der betriebswirtschaftlichen Fragestellungen. Und da kommt Jeannine ins Spiel.
Alles fügt sich bei den Budelmanns, als wäre es genau so von langer Hand geplant worden. „Wir haben das Unternehmen zuerst von unserer Wohnung aus geführt und die Arbeitszimmer dafür genutzt, die wir uns ohnehin eingerichtet hatten. Nach und nach sind in den Wohnungen unter und über uns die anderen Mietparteien ausgezogen und zwar immer genau zum richtigen Zeitpunkt. Dann haben wir die diese Wohnungen angemietet und wir hatten wieder Platz für neue Mitarbeiter. Irgendwann war das Haus voll.“ Christoph führt zwar seine Promotion zu Ende, doch bald ist beiden klar: Wir sind jetzt Unternehmer. Durch eine Rubrik im IHK-Magazin werden sie auf die Wirtschaftsjunioren aufmerksam – und werden Mitglieder.
Vorbildfunktion und Vereinbarkeit
Heute sitzt Budelmann Elektronik in einem Gewerbegebiet am Standrand von Münster, in einem Neubau, der von außen modern, aber recht unscheinbar wirkt. Innen jedoch wird er nicht nur den Anforderungen des wachsenden Unternehmens gerecht, die Einrichtung beweist auch viel Liebe zum Detail. Anfang dieses Jahres ist das Unternehmen dort eingezogen, Jeannine, Christoph und ihre Tochter wohnen gleich in der Nähe. Jeannine ist dieses Jahr WJ-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen und wird sich als stellvertretende Bundesvorsitzende 2020 bewerben. Familie Budelmann verbringt dementsprechend viel Zeit auf WJ-Veranstaltungen am Wochenende – gemeinsam. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein zentrales Thema der Wirtschaftsjunioren, seit Jahren“, sagt Jeannine. Also, findet Jeannine, sollte Vereinbarkeit auch im Verband lebbar und sichtbar sein. „Ich würde es toll finden, wenn uns das gelingt.“
Doch Vereinbarkeit ist kein Kinderspiel. Jeannine tanzt jeden Tag auf drei Hochzeiten: Unternehmen, Ehrenamt und Familie. Dass das nicht selbstverständlich ist und sie eine Vorbildfunktion einnimmt, wird ihr oftmals erst im Nachhinein bewusst: „Als ich zur stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt wurde, war meine Tochter erst zwei, drei Monate alt. Wir sind da ganz offen mit umgegangen, es wusste jeder, dass ich ein kleines Baby habe. Ich brauchte ja auch Stillpausen zwischendurch. Aber nach der Wahl sind einige Frauen aus unterschiedlichen Kreisen auf mich zugekommen und haben mich um Rat gefragt. Zum Beispiel, weil sie gefragt worden sind, ob sie das Amt der stellvertretenden Kreissprecherin übernehmen möchten und gezögert haben, weil sie schwanger sind, aber das noch keiner weiß. Da ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass das tatsächlich ein Thema ist, das viele Frauen hemmt. Wenn wir wollen, dass Frauen Führungspositionen in unserer Gesellschaft übernehmen, dann brauchen wir reale Vorbilder, die Vereinbarkeit leben.“
Wenn wir wollen, dass Frauen Führungspositionen in unserer Gesellschaft übernehmen, dann brauchen wir reale Vorbilder, die Vereinbarkeit leben.
Struktur gewinnt
Wenn man Jeannine zuhört, hat man das Gefühl, ihr fiele alles leicht. Wird ihr nicht auch manchmal alles zu viel? „Natürlich! Mir wird häufig alles zu viel!“ Und dann? „Durchatmen und einmal die Aufgaben neu strukturieren. Wenn es mir zu viel wird, brauche ich Struktur und dann muss ich mit jemandem sprechen – in der Regel mit meinem Mann – was gerade zu viel ist und wie wir uns gegenseitig unterstützen können.“
Vielleicht ist das ihr Geheimnis: Dass sie nicht versucht, alles alleine zu machen, sondern gemeinsam. So hat sie sich auch als Landesvorsitzende vorgenommen, mit anderen Akteuren in der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit starken Partnern möchte sie das Bild des Unternehmers und des Unternehmertums in der Öffentlichkeit verbessern. „Deswegen habe ich mir da einen ganz bunten Blumenstrauß rausgepickt an Gruppierungen, die wir so in NRW haben und mit denen Gespräche geführt oder geplant. Dazu zählen zum Beispiel der NABU, der Verband der Fachhochschullehrer in NRW, auch die IHK NRW. Aus all diesen Gesprächen ist immer wieder etwas entstanden, was uns Wirtschaftsjunioren weiter vorangebracht hat.“
Jeannine schafft auch deshalb so viel, weil es ihr Freude macht: das Unternehmen, das Ehrenamt, die Elternrolle. Auch wenn es manchmal schwierig ist, die Balance zu halten, so sagt sie, wäre unzufrieden, wenn sie auf eins verzichten müsste. Man darf also gespannt sein, was Jeannine Budelmann in den nächsten Jahren noch so alles auf die Beine stellen wird.
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