Der Nische entwachsen

Sie stand auf der Forbes 30-unter-30-Liste und hat ein kleines Imperium auf Nachhaltigkeit und Achtsamkeit aufgebaut: Milena Glimbovski vereint erfolgreiches Unternehmertum und Zero-Waste-Bewegung, Achtsamkeit und Umtriebigkeit kaum eine andere. Wir haben sie gefragt, wie sie ihre Unternehmen aufgebaut hat.

© privat

Am Anfang war der Wunsch nach weniger Müll – so beginnt die Gründungslegende des ersten Original-Unverpackt-Ladens. Der hat 2014 in Berlin-Kreuzberg eröffnet. Wie bist Du auf die Idee des Ladens gekommen und wie hat Deine Geschichte als Gründerin angefangen?

Die Geschichte hat angefangen, als ich in der Uni war und im ersten Semester das erste Mal Zeit hatte. Ich habe vorher eine Ausbildung zur Mediengestalterin gemacht, in Vollzeit gearbeitet und nie Zeit für meine Ideen gehabt. Mir geisterte damals aber schon länger diese Idee im Hinterkopf rum, weil ich immer gedacht habe: Es kann doch nicht sein, dass ich alleine lebe und so endlos viel Müll produziere. Und dann hatte ich also Zeit, habe mir den Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg rausgesucht und mich mit zwei Freundinnen einfach mal hingesetzt und einen Business Plan geschrieben. Einfach zum Spaß, als kleines Projekt neben der Uni. Und dann haben wir gewonnen! Wir waren total überrascht und ein bisschen überfordert. Wir hatten eigentlich gar keine Ahnung von Wirtschaft und Business – aber alle haben plötzlich erwartet, dass wir unsere Idee jetzt auch umsetzen.

Und dann hast Du Dich gleich zurechtgefunden und bist durchgestartet?

Tatsächlich wurden wir durch diesen Wettbewerb ja an die Hand genommen. Wir konnten Workshops besuchen und uns viel Wissen anlernen. Schließlich wurden wir dann noch in den Accelerator des Social Impact Lab aufgenommen. Dort haben wir mit der Hilfe von Mentorinnen und Mentoren gelernt, das theoretische Wissen in die Praxis zu überführen.

Von der Idee bis zur Eröffnung hat es fast zwei Jahre gedauert. Es hat schon ein bisschen Zeit gekostet, da hinzukommen. Um das nötige Budget zusammenzubekommen haben wir ein Crowdfunding gemacht – das finanziell erfolgreich war und uns viel Öffentlichkeit beschert hat – und einen Kredit aufgenommen. Mit persönlicher Haftung.
 

Du warst 2017 dann auch bei der „Höhle der Löwen“. Wie kam es dazu? Wurdest Du eingeladen oder hast Du Dich selbst beworben?

Das war total spontan! Ein Kumpel von mir, der Gründer von „Happy Po“, meinte zu mir: ‚Ich geh gleich zu einem Casting, komm doch mit!‘  Ich bin da also ohne Vorbereitung hingegangen und hatte eigentlich nur einen Beutel mit ein paar plastikfreien Dingen dabei. Aber das hat sie irgendwie überzeugt und ich wurde – wiederum sehr spontan – zum Dreh eingeladen, für den ich meinen Urlaub abgebrochen habe. Ich war damals das erste Mal in den USA und bin also völlig überhastet nach Köln geflogen und habe komplett übernächtigt meinen Pitch vor den Löwen gemacht.
 

Aber ein Investment hast Du nicht bekommen.

Genau. Das war ziemlich ätzend, weil die Löwen zu mir meinten, gespendet hätten sie wohl, ‚das ist so süß und nett, was du da machst!‘. Die Produkte fanden sie nicht gut. Sie haben dann noch gesagt, wenn ich ein Franchise verkauft hätte, wär das was anderes gewesen. Aber das war nicht das, was ich zu dem Zeitpunkt machen wollte. So sind wir eben nicht zusammengekommen.

© Junala

Hast du das Gefühl, dass Du mittlerweile ernster genommen wirst, weil das ganze Unverpackt-Prinzip und das Thema Nachhaltigkeit viel mehr angekommen ist in der Gesellschaft?

Definitiv. Als wir Einjähriges gefeiert haben mit dem Laden hat mir einer unserer Lieferanten erzählt, dass bei ihm im Unternehmen viele unseren Laden und die Idee toll fanden, aber eigentlich keiner gedacht hat, dass wir das erste Jahr überleben. Als wir angefangen haben, vor sieben, acht Jahren, war das Unverpackt-Konzept und Plastikfreiheit noch kein Mainstream-Thema – weil das Bewusstsein dafür, wie schädlich Plastik ist, noch nicht da war. Da haben wir in den letzten Jahren auch viel Aufklärungsarbeit geleistet. Ich wurde am Anfang ja nicht nur belächelt, weil ich eine kleine, junge Frau war, sondern vor allem wegen der Idee.
 

Mittlerweile habt Ihr um die 200 weitere Unverpackt-Läden in Deutschland inspiriert, Du gibst Online-Seminare, Ihr habt einen Lieferservice, Eigenprodukte, B2B-Produkte und denkt über weitere Läden unter Eurem Marken-Dach nach. Außerdem hast Du ein weiteres Unternehmen gegründet, „Der gute Verlag“. Euer Kalender „Ein guter Plan“, ist regelmäßig ausverkauft – und das auf dem hart umkämpften Kalender-Markt. Zusätzlich sind zahlreiche weitere Produkte hinzugekommen.

Ja, manchmal erzähle ich, wir verdienen Geld mit Büchern. Und dann staunen alle (lacht). Wir beschäftigen uns mit einem Thema, dass sehr viele Menschen sehr lange vernachlässigt haben: Mentale Gesundheit. Den Verlag habe ich zusammen mit meinem Kumpel Jan Lenarz parallel zu Original Unverpackt aufgebaut und bin mittlerweile nur noch beratend dort tätig. Aber ich bin selbst verwundert, wie wir uns mit dem Verlag von der kleinen Taschenkalender-Auflage zu Deutschlands Achtsamkeits-Experten entwickelt haben.
 

Auch hier wart Ihr, so scheint es, Eurer Zeit voraus. Wie kam es zu der Idee für einen Achtsamkeits-Kalender?

Wieder aus einem eigenen Bedürfnis heraus. Jan und ich hatten ungefähr zur gleichen Zeit einen Burnout. Ich hatte Panikattacken, war im Krankenhaus. Und wir waren nicht die einzigen in unserem Gründer/innen-Freundeskreis. Da gab und gibt es viele, die sich ausbeuten, ständig Grenzen überschreiten und die sich eben wenig bis gar nicht um ihre mentale Gesundheit kümmern.
 

Ist es nicht eigentlich so, dass sich Nachhaltigkeit und Achtsamkeit auf der einen und gewinnorientiertes Unternehmertum auf der anderen Seite ausschließen?

Nein, gar nicht. Es dauert dann vielleicht ein bisschen länger. Wenn einem die Mehrheit des Unternehmens gehört, kann man die Geschwindigkeit der Entwicklung und des Wachstums achtsam im eigenen Tempo bestimmen. Man muss sich von den Erwartungen anderer lösen können. Das war und ist für mich auch ein Lernprozess – bis heute.
 

Vielen Dank für das Gespräch!