Energiepolitik 2.0

Wirtschaftswandel als Wettbewerbsvorteil

Der Klimawandel ist eine gewaltige Herausforderung – und dies nicht nur für unsere Umwelt, sondern auch für die gesamte Weltwirtschaft. Es sind die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer, welche die wirtschaftlichen Konsequenzen der globalen Erwärmung zu ihren Lebzeiten unmittelbar spüren werden, auch in Deutschland: Wenn wir nicht handeln, droht der Wirtschaft hierzulande infolge des Klimawandels ein Verlust von rund 730 Milliarden Euro über die nächsten Jahrzehnte.

Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Dringlichkeit einer Transformation der deutschen Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit noch einmal erhöht. Was nun aufgrund von sicherheitspolitischen Erwägungen zwingend wird, war zuvor schon aus klimapolitischer Sicht und langfristig auch aus ökonomischer Sicht unausweichlich.  

Im Wandel der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität stecken zugleich große Chancen: Eine erfolgreiche Transformation kann zu einem echten Standort- und Wettbewerbsvorteil werden. Der jungen Generation kommt bei der Gestaltung des Wandels der deutschen Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle zu. Doch sie ist auf Unterstützung durch den Gesetzgeber angewiesen. Als WJD wünschen wir uns, dass die Stimme der jungen Generation in der Wirtschaft in dieser wichtigen Debatte von der Politik vernommen wird und stehen zum Dialog bereit. 

Die WJD haben drei Punkte ausgemacht, in denen die junge Generation deutscher Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte besonderen Handlungsbedarf sieht. 

Effizienzoptimierung der Infrastruktur

Planungsbeschleunigung, Smart Grids & Repowering

Die Bundesregierung hat bereits Beschleunigungsverfahren für die Energieinfrastruktur angestoßen. Als junge Generation befürworten es die Wirtschaftsjunioren, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nun per Gesetz „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegt, wenngleich diese Information noch nicht in allen Behörden angekommen zu sein scheint. Für Klimaschutzinvestitionen der breiten Wirtschaft sind beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren ebenfalls dringend erforderlich. 

Die angestoßenen Planungsbeschleunigungen sollten als Blaupause dienen. Unternehmen aller Branchen und Größen müssen neue Vorhaben schneller umsetzen können. Gleiches gilt für die Modernisierung bestehender Anlagen.  

Der Erneuerbaren-Ausbau muss außerdem zunehmend mit flexibilisiertem Verteilungsmanagement und mehr Speicher- und Umwandlungstechnologien (Wasserstoff, Power to Gas, Batteriespeichersysteme) einhergehen. Die Pilotprojekte der DENA zum Demand Side Management in Baden-Württemberg und Bayern sollten zeitnah bundesweit ausgerollt werden. Für die weitere Steigerung der Effizienz der Energieinfrastruktur durch den Aufbau sogenannter Smart Grids sollten Möglichkeiten für Public-Private-Partnerships geprüft werden.  

Hürden für selbsterzeugten Strom müssen weiter abgebaut werden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass die 70-Prozent-Regelung bei Photovoltaik-Anlagen zum 1.1.2023 abgeschafft wird. Die Regelung gilt allerdings lediglich für ab 2023 neu installierte Anlagen. Eine künstliche Leistungsbegrenzung der nachhaltigen Versorgung ist in Zeiten akuter Energieknappheit unerklärlich. Indem zukünftig installierte Anlagen bei der Kapazitätsobergrenze ebenso wie bei den Vergütungssätzen bevorzugt werden, wird zudem der falsche Anreiz gesetzt. Geplante Projektvorhaben könnten auf den Jahresstart 2023 verschoben werden, um von der Neuregelung zu profitieren. Wir fordern, dass die 70-Prozent-Regelung auch für Bestandsanlagen abgeschafft wird. 

Allgemein gilt: Alle bürokratischen Hürden, die einem weiteren Ausbau und der Effizienzoptimierung der erneuerbaren Energien im Wege stehen gehören auf den Prüfstand! Das gilt auch für die Mindestabstände von Wind- und PV-Anlagen. Private Anlagen für nachhaltige Energie wie Wind- und Solaranlagen oder Wärmepumpen sollten außerdem eine Anschlussgarantie in maximal vier Wochen erhalten. Dazu ist eine konsequente Digitalisierung der Antragsverfahren erforderlich. 

Zudem müssen Verbesserungen bei der Planung und Genehmigung von Repowering-Vorhaben konsequent umgesetzt werden: Die Modernisierung beziehungsweise der Austausch von Windkraft-Altanlagen ist ein wichtiges Mittel der Effizienzsteigerung unserer Energieinfrastruktur. Eine einzige heute markttypische Windkraftanlage kann die Leistung von bis zu sechs Anlagen des Baujahres 2000 oder älter erbringen. Bundesweit hängen aktuell zahlreiche Repowering-Projekte über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte in Genehmigungsschleifen fest. Viele davon scheitern am Ende.  

Verwaltung & Förderprozesse modernisieren

Angebote digital & unkompliziert ausrichten

Die junge Generation spielt bei der Transformation zu einer klimaverträglichen Wirtschaft eine Schlüsselrolle: Sie gründet Firmen, die unsere Zukunft prägen und richten bei der Nachfolge im Familienunternehmen die Betriebe neu aus. Entsprechend sollten Verwaltungsprozesse auf allen Ebenen der Energiepolitik für diese Zielgruppe optimiert werden. Denn sie wird den deutschen Mittelstand der nächsten Jahrzehnte prägen. 

Jeder Fünfte von uns befragte Wirtschaftsjunior, der keine Fördermittel beantragt, gibt als Grund dafür zu komplizierte Antragsprozesse an. Hier wird Energiesparpotential verschenkt. Grundsätzlich gilt: Fördermittelanträge sollten digital, unkompliziert und binnen 24 Stunden gestellt werden können! 

Viele mittelständische Betriebe und besonders Klein- und Kleinstunternehmen haben nicht die personellen und zeitlichen Ressourcen für komplexe Antragsverfahren. Förderungsmöglichkeiten sollten daher so niederschwellig wie möglich gestaltet und präsentiert werden. In erster Linie gehört dazu ein digitales Angebot mit einem single-point-of-contact, am besten mobil optimiert in einer App. Jeder Schritt im Antragsverfahren sollte vom Start bis zum Ende des Projekts digital erfolgen können. Als Vorbild dient zum Beispiel der Digitalbonus in Bayern: Der gesamte Prozess läuft hier digital. Zeit für einen vollständig digitalen „Klimabonus“! 

Eine Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist für sich selbst genommen bereits nachhaltig: 188 Tonnen schwer wiegt der Papierverbrauch durch analoge Verwaltungsdokumente allein im Rahmen der jährlich über 600.000 Gründungen in Deutschland. Die Agentur Adverb hat diesen Schätzwert im Auftrag der Wirtschaftsjunioren Deutschland errechnet. Gedruckte Unterlagen, die etablierte Unternehmen im Rahmen von Genehmigungsverfahren für den Erneuerbaren-Ausbau einreichen müssen, sind hier noch gar nicht eingerechnet! 

Die Nachfolge in Familienunternehmen bietet eine hervorragende Gelegenheit, um Prozesse für mehr nachhaltiges Wirtschaften anzustoßen und eine Firma klimafreundlich auszurichten. Vielen jungen Menschen ist der „Purpose“ des Unternehmens besonders wichtig. Nachhaltigkeit sollte daher zentraler Baustein in allen Beratungsangeboten von IHKs bis KfW sein und stets mitgedacht werden. Ein „Starter-Paket Nachhaltigkeit“ könnte signifikante Investition in Klimaschutzmaßnahmen für junge Nachfolgerinnen und Nachfolger im Rahmen der Übernahme attraktiver gestalten: Beispielsweise durch Sondermodelle in der Finanzierung, größere Abschreibungsmöglichkeiten und zusätzliche Flexibilität bei der Erbschaftssteuer. Für eine Investition in die Transformation des Betriebes auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell sollte eine Sofortabschreibung der Investitionssumme in Höhe von 40% ermöglicht werden. Neben der Förderung der Energieberatung für Unternehmen sollte außerdem auch die Beratung zur Kreislaufwirtschaft bundesweit gefördert werden (analog zum Bundesland NRW). 

Fachkräfte für Schlüsseltechnologien sichern

Zuwanderung erleichtern & junge Frauen stärken

Vom Infrastrukturausbau, über Gebäudesanierung und Hardware-Produktion bis zur Technologie-Entwicklung: Der Bedarf an Fachkräften für die Energiewende ist riesig, und es fehlt sowohl an Handwerkerinnen und Handwerkern als auch Ingenieurinnen und Ingenieuren. Allein unter den Ingenieurinnen und Ingenieuren gibt es mehr als 150.000 unbesetzte Stellen.  

In MINT-Jobs liegt der Frauenanteil zudem immer noch bei lediglich 15,5 Prozent. Und im Handwerk sieht es kaum besser aus: Nur 17,1 Prozent der erfolgreichen Meisterprüfungen wurden 2019 von einer Frau absolviert. Im deutschen Bildungs- und Ausbildungssystem sollten junge Frauen zukünftig nachhaltig gestärkt werden. In Informationsbroschüren und Schulmaterial sollte verstärktes Augenmerk auf gendergerechte Sprache und diverse Bildauswahl geachtet werden. Positiv auswirken könnten sich zudem vermehrte öffentliche Marketingkampagnen mit der Zielgruppe junge Frauen. 

Den Standort Deutschland gilt es außerdem auch bei internationalen Fachkräften noch beliebter zu machen. Im globalen InterNations Index 2022 liegt Deutschland bei der Zufriedenheit ausländischer Arbeitskräfte mit der digitalen Infrastruktur und der Verfügbarkeit digitaler Verwaltungsdienstleistungen abgeschlagen auf den fünf letzten Plätzen. Selbst beschleunigte Visaverfahren dauern in Deutschland noch immer rund fünf Monate. Dieser Prozess sollte erleichtert und beschleunigt werden. Wir fordern, dass die Bearbeitungszeit dieser Verfahren auf maximal zwei Monate reduziert wird. 

Hochqualifizierte Fachkräfte erwarten, dass man Ihnen Brücken baut, keine Hürden. Wir fordern daher auch im Prozess der Anwerbung und Betreuung ausländischer Fachkräfte eine umfassende und nachhaltige Digitalisierung der deutschen Verwaltung. Bei der Anwerbung von Fachkräften gilt es die die Kontaktpunkte auf Behördenwebsites zu optimieren, etwa durch mehrsprachige KI-Bots. Das gilt auch für die Betreuung nach der Einwanderung.  

Die junge Wirtschaft fordert außerdem, dass aktives Diversity Management in Zukunft eine wichtige Rolle in deutschen Behörden einnimmt. Benötigt wird ein völlig neues Mindset: Viel zu oft sehen sich die deutschen Behörden noch immer in der Rolle der Türsteherin vor dem Nacht-Club, deren wichtigste Aufgabe darin liegt, ungeliebte Gäste fernzuhalten. Um hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und zu binden, sind die Behörden jedoch als Service-Dienstleister gefragt. Weitere Lösungsvorschläge gibt es dazu auch in unserem Fünf-Punkte-Plan gegen den Fachkräftemangel