Gesichter der jungen Wirtschaft: Robert Erichsen
Robert Erichsen probiert gern alles aus, was Spaß macht – aber nur in seiner Freizeit. Hauptberuflich führt er das Bremer Familienunternehmen Statex in dritter Generation, und zwar verlässlich und unaufgeregt. Den bringt auch die NASA nicht aus der Ruhe.
Bremen, Gewerbegebiet Kleiner Ort. Wir sind zu Besuch bei der Firma Statex. Die Büros sind funktional eingerichtet, in der Fertigungshalle hört man den Regen auf das Dach prasseln. Im Meetingraum allerdings hängt eine Galerie illustrer Firmenlogos an der Wand, prominente Technologiekonzerne sind dabei, die NASA. „Die Logos bitte nicht abfotografieren“, bittet Robert Erichsen. „Wir dürfen nicht alle Kunden öffentlich nennen. Die Logos hängen hier nur so für uns.“ Geprotzt wird hier nicht. Diskretion, Loyalität, Bodenständigkeit: Das sind die Werte, auf denen bei Statex alles fußt.
Beständig innovativ
Statex ist Weltmarktführer im Bereich versilberter Flächenwaren. Ein Hidden Champion, ein Familienunternehmen, gegründet 1978 von Kurt Bertuleit, Roberts Erichsens Großvater. Begonnen hat die Geschichte des Unternehmens in einer Bremer Garage: Dort tüftelten Kurt Bertuleit und ein befreundeter Chemiker an einem Verfahren, Garn zu versilbern, um damit antistatische Teppiche herzustellen. Diese wurden zum Beispiel in Bürokomplexen verlegt: „Wenn da auf einmal 10 oder 15 Computer in einem Raum standen, hatten die Unternehmen plötzlich das Problem, dass die Mitarbeiter reingekommen sind, die Computer angefasst haben und zack – sind die Computer abgeschmiert. Kurzschluss und kaputt.“ Der andere Haupteinsatzbereich der Teppiche waren Flugzeuge: „Ganz früher mussten die Passagiere sich über eine Art Knopf, den sie vor dem Einstieg angefasst haben, noch einmal erden, bevor sie das Flugzeug betreten durften. Damit sollte verhindert werden, dass die Geräte an Bord beschädigt werden.“ Auch heute sind Statex- Fasern in Luftfahrt-Teppichen namhafter Airlines zu finden, aber das Geschäft macht nur noch ein Prozent des Umsatzes aus. Statex zeichnet sich nicht nur durch Beständigkeit aus, sondern auch durch Innovation.
Viermal ist das Unternehmen seitdem umgezogen, Roberts Mutter Claudia Erichsen übernahm die Geschäfte von ihrem Vater und ist bis heute in der Geschäftsführung aktiv; seit dem 1. Januar führt Robert das Unternehmen. Er ist seit vier Jahren dabei, hat sich Zeit gelassen mit seiner Entscheidung, ob er das Familienunternehmen übernehmen will. Nach einer Ausbildung zum Außenhandelskaufmann bei einem traditionsreichen Bremer Schiffsausrüster hat er ein Start-up für E-Zigaretten gegründet, ist mit seinem besten Freund ein Jahr um die Welt gereist und hat BWL studiert. In der Rückschau sagt er, solange er Statex mit den Augen eines Kindes betrachtete, schien ihm das Unternehmen gar nicht mal so spannend zu sein. Doch er ließ sich schließlich darauf ein, begann, die Komplexität zu verstehen, die Herausforderungen zu sehen – und die Chancen.
Raumfahrtforschung statt Flugzeugteppich
Statt der antistatischen Teppiche werden nun unter der Marke Shieldex Garne und Textilien etwa zur Abschirmung elektromagnetischer Strahlung hergestellt. „Unsere Materialien sind hochabschirmend, das ist vor allem unter Sicherheitsaspekten interessant.“ Das fängt bei Taschen und Hüllen für Mobiltelefone und Laptops an und reicht bis zu Zelten und Planen, mit denen Eingänge und ganze Räume abgehängt werden können. „Diese Textilien werden überall da eingesetzt, wo ein strahlungsfreier Raum geschaffen werden muss, zum Beispiel in der Endabnahme beziehungsweise dem Qualitätscheck von mobilen Endgeräten oder in Forschungsbereichen der Raumfahrt.“
Aber auch Privatpersonen interessieren sich immer stärker für die abschirmenden Textilien – auch zum Anziehen. „Dazu zählen besonders Schwangere, die ihr ungeborenes Kind schützen wollen.“ Mittlerweile beschäftigt Statex sogar eine eigene Schneiderin. „Aber auf kurz oder lang werden wir uns weiter professionalisieren müssen in dem Bereich, da fehlen uns momentan noch die Ressourcen.“ Ein Hit sind jedenfalls die Socken, die durch das verarbeitete Silbergarn vor Schweißgeruch an den Füßen schützen. „Bei den WJ Bremen tragen die mittlerweile alle. Die sagen dazu Weltraumsocken, keine Ahnung wieso“, amüsiert sich Robert.
Silbergarn für Haute Couture, Wundauflagen, Tastaturen
Was in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, ist der Bereich der Smart Textiles. Zum Beispiel für den Bereich Industrie 4.0, aber auch Kunden aus der Haute Couture nutzen die Leitungsfähigkeit der Textilien, etwa um leuchtende Kleider herzustellen. Einige Modeunternehmen entwickeln momentan smarte Funktionen für Alltagskleidung.
Einen weiteren großen Markt für Statex bilden die Medizinprodukte: „Silber unterstützt die Wundheilung, ist antibakteriell und fungizid, lässt also nicht zu das Pilze wachsen. Als Wundauflage ist das unschlagbar.“ Auch bei der Funktionskleidung für Sportler im Leistungs- und Fitnessstudiobereich mischt das Bremer Familienunternehmen mit, nämlich mit waschbaren Elektroden. Die werden in Sportanzügen vernäht und geben während des Trainings kleine Stromschläge in die unteren Muskelgruppen ab. „Wir haben vor ein paar Jahren mal eine Spezialanfertigung für Lewis Hamilton gemacht, das war auch eine spannende Erfahrung“, berichtet Robert. Damals war Hamiltons Vater zu Besuch, hier im Gewerbegebiet Kleiner Ort.
Auch hochrangige Mitarbeiter eines amerikanischen Herstellers von Smartphones, Tablets, Smartwatches und Notebooks waren schon hier – für den Konzern hat Statex die Grundlage für eine flexible Tastatur geliefert. Bahnbrechend war die dafür genutzte neue und einzigartige Technologie, die Trägertextilien nicht vollflächig zu versilbern, sondern die Leiterbahnen partiell auf das Textil aufzubringen. „Somit tragen wir als Unternehmen zu einem nachhaltigeren, bedarfsgerechten Einsatz von Ressourcen und Rohstoffen bei“, erklärt Robert.
Wo die Weser einen großen Bogen macht…
Dafür gab es dann unter anderem den Schüttingpreis für Innovation im Mittelstand der Handelskammer Bremen. Das war 2016. Damals kam es für Robert auch zum ersten Kontakt mit den Wirtschaftsjunioren. Heute leitet er den Arbeitskreis Bremen, der Einrichtungen unterstützt, die sich speziell um benachteiligte Mitmenschen kümmern, und organisiert einmal im Jahr die Oldtimer-Rallye „Tradition meets style“.
Zwischen Unternehmensführung und WJ-Engagement bleibt zwar wenig Zeit, aber immer noch genug, um regelmäßig zu Werder ins Stadion zu gehen – und Trikots zu sammeln. Und zwar solche, die von den Spielern getragen wurden. „Ich hab‘ da so ein kleines verrücktes Museum zu Hause“, erzählt er lachend, „die sind abwechselnd in meinem Schrank oder im Keller.“ Wenn er nicht im Stadion ist, sind die Wochenenden trotzdem ausgefüllt: „Meine Freundin und ich fahren viel weg übers Wochenende, mieten ein Hausboot, haben gerade einen Kaffee-Kurs gemacht, Bierbrauen steht auch bald an. Ich probier’ halt gern alles mal aus.“ Motorrad fährt er auch noch. Robert Erichsen ist einer von diesen Menschen, deren Tage mehr als 24 Stunden zu haben scheinen.
Vorsprung durch Wissen
Bei allem Freizeitvergnügen, Robert ist mit ganzem Herzen Unternehmer. Statex ist in den letzten 40 Jahren kontinuierlich gewachsen, ein Großteil der Mitarbeiter ist schon lange dabei. „Die kenne ich alle seit meiner Geburt“, lacht Robert. „Die haben das Wissen, die haben die Technologien und Techniken entwickelt, die wissen genau, was zu tun ist und wie sie Fehler ausmerzen können.“ Ohne seine Mitarbeiter, sagt Robert, könne er den Laden dichtmachen. Dann blieben nur nutzlose Maschinen.
Gute – und vor allem loyale – Mitarbeiter zu finden ist daher auch kein leichtes Unterfangen. „Mein Opa wollte nie einen hauseigenen Chemiker haben. Er hat das ausgelagert an ein Partnerunternehmen in Ungarn. Mir war das aber wichtig im Haus jemanden zu haben, denn Chemie ist der Kern unserer Arbeit. Zufällig war ein Freund meines damaligen Mitbewohners Chemiker, hat sich in seiner Masterarbeit auch genau mit diesem Themengebiet befasst, und fand das, was wir hier machen, auch super spannend. Ich konnte ihn davon überzeugen, bei uns einzusteigen – für mich ist das optimal, denn ich kenne ihn lange und weiß, ich kann ihm vertrauen und er macht gute Arbeit.“ In den letzten Jahren, sagt Robert, hat er viel Glück gehabt bei der Mitarbeitersuche.
Neben den Mitarbeitern ist für Robert der Rückhalt seiner Familie und seines Netzwerks elementar. „Natürlich bin ich froh, dass ich auch immer noch meine Mutter im Unternehmen um mich habe und im Zweifelsfall auf ihre Expertise zurückgreifen kann. Und dass ich bei den Wirtschaftsjunioren einen Freundeskreis habe, mit denen ich auch mal Probleme besprechen kann in einem diskreten Kreis.“ Bodenständigkeit, Loyalität und Diskretion: So läuft das hier, in Bremen.
Vorheriger Artikel der Ausgabe
Mut und Menschlichkeit
Nächster Artikel der Ausgabe
In der Kribbelzone
Weiter Beiträge zum Thema
Gesichter der jungen Wirtschaft: Marcus Cramer
Gesichter der jungen Wirtschaft: Marcus Cramer Wo die kleinen Schlitten herkommen Hier geht es um Spaß: Das KHW Kunststoff- und Holzverarbeitungswerk GmbH ist einer der größten Hersteller von Kunststoffschlitten und weltweit Marktführer in diesem Segment. Marcus Cramer ist ...
Gesichter der jungen Wirtschaft: Jonathan Eller
Anfangs war die Rinderzucht nur ein Hobby seines Vaters. Doch seit Jonathan Eller 2015 als Vertriebsleiter ins Geschäft einstieg, sticht „Auenland Beef“ aus der Masse der Direktvermarkter hervor. Rindfleisch und sonst nichts Die Rinder, um die sich bei Auenland Beef alles dreht, ...
Expect the unexpected
Expect the unexpected Die Nachfolge musste er unerwartet und unvorbereitet antreten, nun wirbt Franz Bradler für eine bessere Notfallvorsorge in Familienunternehmen. Zu Besuch bei Bindwerk in Dresden. von Beate Erler © WJD/ Chrononauts Photography, Juliana Socher Es riecht nach ...