Junior, Präsident, Berliner
Im Präsidium der IHK Berlin sitzen seit September vier (ehemalige) Wirtschaftsjunioren – darunter auch der Präsident, Daniel Girl. Kristina Kastner hat ihn gemeinsam mit Paul Kündiger getroffen – als IHK-Präsidiumsmitglied und ehemaliger Kreissprecher der WJ Berlin die perfekte Verstärkung.
Kristina: Daniel, Du bist IHK-Präsident, Du bist in der digitalen Wirtschaft unterwegs – warum gibt es keinen Wikipedia-Artikel über Dich?
Weil bisher noch keiner ein geschrieben hat. Offensichtlich habe ich noch nicht genug getan, dass das notwendig wäre, über mich zu schreiben. (lacht) Ganz im Ernst: Das ist nicht mein Motor, warum ich Dinge tue, Dinge bewege. Ich mache das nicht, um prominent zu werden.
Kristina: Mir ist bei meiner Recherche über Dich noch etwas aufgefallen, nämlich dass Du zahlreiche Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen gegründet hast, aber nicht als „Serial Entrepreneur“ auftrittst. Du bist auch nicht im klassischen Start-up-Umfeld unterwegs. Gibt es dafür einen Grund?
Das liegt unter anderem daran, dass ich Berliner bin. Die Start-up-Szene ist ja international ausgerichtet und hat Berlin nicht als Fokus. Zum Glück ist sie hier und zum Glück kommen all diese jungen internationalen Gründerinnen und Gründer hierher! Natürlich bin ich mit denen auch vernetzt. Und dennoch habe ich einen anderen Anspruch an mich selbst und auch an meine Stadt. Ich möchte gerne mit meinem Wirtschaften, mit meinem Tun hier auch was für die Stadt tun. Ich agiere nicht ortsunabhängig. Mein Handeln ist langfristig angelegt. Und deswegen ist es mir auch eine große Ehre, dass ich jetzt tatsächlich Präsident geworden bin, mit der Unterstützung vieler Wirtschaftsjunioren. Wir wollen jetzt gemeinsam in den nächsten Jahren die Stadt nach vorne bringen. Aber die Stadt ist eben auch größer als die Start-up-Szene.
Paul: Man muss ja auch bedenken, vor 20 Jahren waren wir die Start-ups, nur man hat uns nicht so genannt. Damals waren wir…
Daniel und Paul: Junge Gründer! (beide lachen) Daniel: Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum mir die Vollversammlung das Vertrauen ausgesprochen hat: Weil ich mich nicht nur in einer Bubble bewege. Ich tausche mich mit dem Start-up-Verband genauso aus wie mit Mittelständlern aus unterschiedlichsten Branchen. Mit der gesamten Breite der Berliner Unternehmen.
Paul: Das macht ja die Vollversammlung auch aus. Wie lange bist Du da jetzt schon?
17 Jahre. Und es natürlich gleichzeitig auch eins meiner Ziele, die Start-up-Szene mehr in die IHK zu bringen.
Kristina: Ehrenamtliches Engagement macht ja tatsächlich einen großen Teil Deiner Biografie aus. Du bist 2006 WJ-Mitglied geworden, aber schon seit 2004 Mitglied der IHK-Vollversammlung. Wie kam es dazu, dass Du Dich schon so früh in der IHK engagiert hast?
Also ich würde eher fragen, warum ich mich erst so spät engagiert habe. Mit 24. Das ist man ja schon seit sechs Jahren erwachsen! Also warum engagieren sich nicht viel mehr Menschen mit 18, 19 und 20? Ich glaube, das liegt auch daran, dass wir in Deutschland eine Kultur haben, dass man Dinge erstmal zu Ende macht. Stufe für Stufe. Und das hat sich auch lange bewährt. Aber wir stehen vor einer ganz großen Herausforderung: Wir müssen unsere Gesellschaft dahin verändern, dass wir unseren Planeten retten. Das wird uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen und wir müssen jetzt anfangen. Dafür brauchen wir die Leidenschaft, den Mut und das Engagement der Jungen. Denn je älter man wird, das merke ich ja selbst, desto tradierter wird man.
Kristina: Hast Du konkrete Pläne oder eine Vision für Deine Zeit als IHK-Präsident?
Ich möchte innerhalb der IHK erreichen, dass sich mehr Unternehmerinnen bei uns engagieren. Der Anteil der Unternehmerinnen in der Vollversammlung liegt bei einem Viertel – was aber auch den tatsächlichen Anteil der Unternehmerinnen in der Berliner Wirtschaft widerspiegelt. Wir brauchen mehr engagierte Unternehmerinnen als Role Models in der Vollversammlung und in den Ausschüssen – wie auch in der Wirtschaft selbst. Und ich möchte auch, dass die stärker abbildet, wie vielfältig unsere Stadt ist. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund bleiben innerhalb ihrer Community, der türkischen etwa oder der arabischen. Das möchte ich aufbrechen. Das große Thema meiner Amtszeit ist Nachhaltigkeit sein. Wir haben uns die Klimakrise selbst eingebrockt und jetzt brauchen wir politische Rahmenbedingungen, aber eben auch Innovationen, Produkte und Dienstleistungen aus der Wirtschaft, die echte Nachhaltigkeit möglich machen. Nachhaltigkeit geht nur über die Wirtschaft.
Kristina: Zum Abschluss machen wir eine Speedrunde: Drei kurze Fragen, drei kurze Antworten. Erste Frage: Welches ist Dein Lieblingsunternehmen?
Das erste ist natürlich immer das Baby. Das ist partycard. Am stolzesten bin ich auf Dirror, weil es der erste digitale Spiegel der Welt ist und das Ergebnis von fast 20 Jahren ausprobieren, erfinden, tüfteln.
Paul: Was waren die drei entscheidenden Momente deiner Laufbahn bis heute?
Also erstmal meine Geburt, in der richtigen Stadt, zur richtigen Zeit: 1980 in West-Berlin – als Sohn einer tschechischen Mutter. Dann der Moment, als ich festgestellt habe, dass ich jetzt wirklich Unternehmer bin. Und der dritte Moment war, als ich zum ersten Mal ein Unternehmen verkauft habe.
Paul: Und die dritte Frage ist: Welche drei Personen waren oder sind maßgeblich für Deinen Erfolg verantwortlich?
Bisschen polemisch, aber ernstgemeint: Erstmal ich selber (alle lachen), dann meine Mutter und meine Familie und dann meine Freunde. Denn ohne ein Umfeld, das einen trägt, vertraut, auch manchmal ablenkt von der Verantwortung und auch mal einen neuen Weg einschlagen lässt, geht es nicht. Ehrliches Feedback ist das Wichtigste. Und das bekommt man da.