Tradition und Nachhaltigkeit im Einklang

Josephine Dransfeld führt in vierter Generation das Familienunternehmen Heunec Plüschspielwarenfabrik GmbH & Co. KG. Die Wirtschaftsjuniorin setzt seit Jahren auf Nachhaltigkeit und faire Produktion von Kuscheltieren – aktuell ein Wettbewerbsvorteil in Krisenzeiten.

© Gunnar Menzel

Es gibt kaum ein Spielzeug, das so emotional aufgeladen ist, wie das Lieblingskuscheltier. Zunächst ein flauschiger Kuschelfreund im Kinderbett, dann ein treuer Begleiter und Tröster in Kita- und Schulzeit, später ein wertvolles Erinnerungsstück an die eigene Kindheit. Josephine Dransfeld hat klare Visionen für nachhaltiges Wirtschaften bei deren Produktion.

„Wer nicht mit der Zeit geht, ist irgendwann nicht mehr relevant.“

Junge Wirtschaft: Liebe Josephine, Euer Unternehmen ist etwa 70 Jahre familiengeführt. Wie groß war der Druck, die Nachfolge anzutreten?
Josephine: Meine Mutter hat mich nie unter Druck gesetzt, Gott sei Dank. Natürlich war es immer ihr großer Wunsch, dass ich unser Familienunternehmen fortführe. Aber es wäre verkraftbar gewesen, wenn ich gesagt hätte, dass es nichts für mich ist und ich etwas anderes machen möchte.

Wie sah Dein Weg nach der Schule ins Unternehmen aus?
Der Plan war von Anfang an, erst einmal die Heimat zu verlassen, zu studieren und Erfahrungen in anderen Unternehmen zu sammeln. Nach dem Abitur folgte das BWL-Studium in München, dann erste praktische Erfahrungen. Es folgte mein Master in BWL und Arbeiten in Neuseeland. Mit 26 Jahren kehrte ich wieder nach Deutschland zurück. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon viel besser, was ich mir beruflich vorstellen kann: Ich wollte ins Familienunternehmen. Es war meine eigene Entscheidung und der Zeitpunkt schien gut.

Wie sah Dein Einstieg konkret aus?
Schlussendlich hat man trotz Studium wenig Ahnung vom Arbeitsalltag im eigenen Familienbetrieb. Ich begann als Assistentin der Geschäftsführung, um alle Bereiche des Unternehmens kennenzulernen. Nur weil ich hier aufgewachsen bin, heißt das nicht, dass ich weiß, wie alles funktioniert. Durch meine Englischkenntnisse konnte ich schnell in das Importgeschäft einsteigen. Dann kamen immer mehr Bereiche hinzu. Jetzt suche ich nach Trends, besuche Messen, arbeite in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit, aber auch im klassischen Projektmanagement. Die zentrale Strategiefrage dabei ist immer, wie wir uns gut für die Zukunft aufstellen.

Wie geht es der Spielzeugbranche aktuell?
In der Pandemie zählten Spielwarenhersteller zu den Gewinnern. Jetzt ist überall große Ernüchterung eingetreten, weil man naiverweise gehofft hatte, dass sich die Umsätze auf einem höheren Niveau einpendeln. Das Gegenteil ist eingetreten. Die sonst antizyklische Spielwarenbranche muss sich erstmalig damit auseinandersetzen, dass Eltern und Familien in Zeiten von Energiekrise und Inflation weniger für Spielsachen ausgeben. Selbst die Großen wie Playmobil bauen Personal ab. Auch Mattel und Hasbro in den USA haben zu kämpfen.

Wie kommt Ihr durch diese schwierige Zeit?
Es ist mein siebtes Jahr im Unternehmen. Ich hoffe, es wird nicht das berühmt berüchtigte verflixte siebente Jahr (lacht). Unser klassisches Kundenumfeld wird immer kleiner und wir suchen nach neuen Absatzwegen. Während der Energiekrise waren wir nicht von den großen Preisschwankungen betroffen, weil unsere Stadtwerke nur Ökostrom liefern. Meine Eltern waren immer sehr weitsichtig und setzten ebenfalls auf Nachhaltigkeit, als es noch kein großes Thema war. Wir waren beispielsweise weltweit das erste Unternehmen, das ein Kuscheltier nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip herstellte. Wir konnten damit erste Erfahrungen sammeln und kontinuierlich über die letzten Jahre unser Know-how ausbauen. Das sichert uns jetzt Aufträge selbst in schwierigen Zeiten.

Die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Kuscheltieren ist groß?
Leider nicht bei den klassischen Käuferinnen und Käufern. Dort zählt vielmehr das Aussehen eines Kuscheltieres als die Produktionsbedingungen. Außerdem sind hochwertige, nachhaltige Alternativen immer noch teuer. Was uns zugutekommt, ist, dass wir im Bereich Lieferketten und Dokumentationspflicht sehr gut aufgestellt sind. Wir haben entschieden, möglichst frühzeitig unsere Lieferketten zu prüfen und gut zu dokumentieren. Während jetzt alle unter dem Lieferkettengesetz ächzen, können wir uns zurücklehnen.

Wie wichtig waren die Investitionen in finanziellen Hochzeiten?
Ich glaube, wenn wir das nicht gemacht hätten, wären wir jetzt gar nicht mehr da. Kooperationspartner suchen gezielt nach unseren nachhaltig produzierten Kuscheltieren „Made in Germany“. Beides können wir bedienen, denn wir haben einen Teil der Produktion trotz Globalisierung in Neustadt bei Coburg behalten.

Tradition und Nachhaltigkeit – die Verbindung für langfristigen Erfolg?
Es eröffnet uns tatsächlich neue Segmente und neue Kunden. Wir sind mittlerweile für Fairtrade-Kommunen und -Städte interessant. Von ihnen bekommen wir vermehrt Anfragen selbst jetzt in Krisenzeiten. Besonders stolz sind wir auf die Kooperation mit dem DFB. Das Maskottchen Paule kommt aus unserer Produktion. Unsere Mitarbeiterzahlen sind dank neuer Partnerschaften konstant gewachsen.

„Wenn Produkte umweltfreundlich sind, dann haben alle was davon.“

© Simone Rechel

Auf Eurer Firmenseite schreibt Ihr, Nachhaltigkeit gehöre zu Eurer DNA. Warum?
Unser Engagement für Nachhaltigkeit ist kein PR-Gag, sondern ein uns sehr wichtiges Anliegen. Wir produzieren mit Ökostrom, haben nur E-Autos in der Flotte, wir recyceln Styropor anderer Gewerbetreibenden und stellen nach dem Upcycling-Prinzip aus Stoffresten und alten Messeplanen Taschen her. Wenn wir Menschen weiter verschwenderisch mit den natürlichen Ressourcen umgehen, dann haben wir alle irgendwann keine Unternehmensgrundlage mehr. Die Produktion wird ohne ein Umdenken irgendwann so schwierig oder so teuer sein, dass es nicht mehr funktioniert.

Wie kann ein Umdenken bei anderen Unternehmen angestoßen werden?
Mit den richtigen Anreizen. Ein gutes Beispiel ist das Gütesiegel, das von der neu gegründeten Fair Toys Organisation ausgegeben wird. Es ist aus einer Initiative unseres Spielwarenverbands heraus entstanden.

Was macht das Siegel Fair Toys aus?
Die Fair Toys Organisation ist eine Multi-Stakeholder-Initiative, die zur Hälfte aus Industrieunternehmen und zur Hälfte aus NGOs besteht und beide Perspektiven zusammenbringt. Die Prüfungskriterien werden wissenschaftlich von einer Universität begleitet. Es ist also nicht die Industrie, die sich wieder irgendeinen Standard selbst setzt.

Ihr habt als erstes Unternehmen die Prüfkriterien erfüllt und das Siegel erhalten. Wie lief der Prozess ab?
Wir mussten einen Fair-Performance- Check durchlaufen und dabei einen umfassenden Fragebogen ausfüllen. Am Ende erhält man eine bestimmte Punktzahl. Ab einem bestimmten Schwellenwert darf man das Siegel tragen. Teilnehmende Unternehmen erhalten durch den Fragebogen Hinweise zur Verbesserung.

In welchen Bereichen zum Beispiel?
Es geht um Mindestlohn, Offenlegen von Lieferanten und Fabriken, Etablieren von Beschwerdemechanismen und so weiter. Alles, was vor allem in den asiatischen Ländern nicht üblich ist. Uns ist Wunschtraum. Und dass man ein bisschen was von der Lieferkette, die halt abgewandert ist, wieder vermehrt in Deutschland stattfindet.

Welche Ziele hast Du für Dein Unternehmen, wenn Du in die Zukunft blickst? Dass unsere Produkte „Made in Germany“ ein Viertel von unserem gesamten Umsatz ausmachen, das wäre so ein Wunschtraum. Und dass man ein bisschen was von der Lieferkette, die halt abgewandert ist, wieder vermehrt in Deutschland stattfindet.

Was für politische Voraussetzungen würdest Du Dir dafür wünschen?
Allen voran eine Debatte um einen flexiblen Mindestlohn, der an bestimmte regionale Faktoren gekoppelt ist. Das Leben in einer Großstadt ist deutlich teurer als in einer ländlichen Gegend. Ein weiterer Wunsch wäre, dass Ausbildung grundsätzlich wieder mehr geschätzt wird im Vergleich zum Studium.

Heunec ist bundesweit eines von zwei Unternehmen, die noch Spielzeughersteller ausbilden. Warum ist Dir das so wichtig?
Das traditionelle Handwerk des Spielzeugherstellers ist vom Aussterben bedroht. Wir wollen verhindern, dass dieses Know-how komplett verschwindet. Wir brauchen dieses Wissen für unsere Produktentwicklung hier in Deutschland.

Letzte Frage: Welches Wort beschreibt Dich als Unternehmerin am treffendsten?
Vorangehend. Man darf nicht darauf warten, dass einem Ansagen gemacht werden. Weder von der Politik noch von anderen. Man muss selbst aktiv werden, Ideen entwickeln und umsetzen. Nur so kann man sein Unternehmen zukunftsfähig gestalten und gleichzeitig etwas Positives bewirken.

Vielen Dank für das Gespräch.

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