Jetzt mal konkret!
In der Reihe „Jetzt mal konkret!“ geben die Kreisgeschäftsführer:innen aus den IHKs praktische Einblicke zu aktuellen Themen. Diesmal beantwortet Saskia Brandt von der IHK Flensburg die Frage: Wie unterstützt die IHK ihre Mitgliedsunternehmen beim Bürokratieabbau?
Bürokratie steht regelmäßig an der Spitze der Unternehmenssorgen. In allen Unternehmensbefragungen belegt das Thema seit Jahren vordere Plätze – und das aus gutem Grund: Unternehmerinnen und Unternehmer kämpfen mit einem enormen Erfüllungsaufwand, der sich vor allem aus umfangreichen Berichtspflichten ergibt. Hinzu kommen eine schleppende Verwaltungsdigitalisierung und langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das hemmt Innovation, kostet Zeit und Ressourcen – und wird zum echten Wettbewerbsnachteil.
Bürokratieabbau: Ein komplexes Dauerprojekt und dennoch unverzichtbar
Bürokratieabbau ist kein neues Anliegen. Seit Jahrzehnten wird er gefordert, doch sein Umfang und die Tiefe der Strukturen machen ihn zur Mammutaufgabe. Viele Regelungen sind über Jahre gewachsen – oft mit gutem Grund, denn sie sollen Fairness sichern, Risiken mindern und Prozesse steuern. Aber genau darin liegt das Dilemma: Der Erfolg von Politik wird häufig daran gemessen, welche neuen Gesetzesinitiativen oder Verordnungen auf den Weg gebracht wurden. Entlastung durch Weglassen? Das lässt sich politisch selten ins Rampenlicht rücken. Regelungen sind das wichtigste Steuerungsinstrument eines Staates. Wenn etwas schiefl äuft – sei es eine Finanzkrise, ein Verbraucherskandal oder Umweltproblem – lautet die öff entliche und mediale Frage oft: „Warum hat der Staat das nicht verhindert?“ Die refl exartige Antwort ist dann häufig: „Es braucht neue Regeln.“ Das wiederum führt zu einem Regulierungsrefl ex, bei dem entstehende Probleme mit weiteren Vorschriften beantwortet werden, selbst wenn bestehende Lösungen genügt hätten oder bessere Alternativen denkbar wären. Hier braucht es Mut zur Lücke, und vor a llem Vertrauen in die Eigenverantwortung von Unternehmen. Aber es braucht auch gute Vorschläge aus der Praxis, wie Prozesse effizienter und trotzdem sicher gestaltet werden können. Denn wenn wir Zukunft gestalten wollen – ob beim Klimaschutz, der Digitalisierung oder dem Fachkräftemangel – gelingt uns das nur mit einem handlungsfähigen und agilen Staat.
Folgen überbordender Bürokratie spüren Unternehmen tagtäglich
Hoher Erfüllungsaufwand bindet personelle und finanzielle Ressourcen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind oft besonders betroff en und geben an, dass sie teils mehrere Tausend Euro im Jahr für die Bewältigung bürokratischer Pfl ichten aufbringen müssen – ohne direkten Nutzen für ihr Geschäft. Fachkräftemangel verschärft die Lage: In Zeiten, in denen qualifizierte Mitarbeitende händeringend gesucht werden, fehlen schlicht die Kapazitäten, sich neben dem Kerngeschäft auch noch intensiv mit bürokratischen Anforderungen zu befassen. Absicherungsdenken und Regulierungsfl ut hemmen die Risikobereitschaft. Wer Innovationen anstoßen will, muss oft monatelang auf Genehmigungen warten und kann selten „einfach mal loslegen“ oder Neues ausprobieren. Wettbewerbsnachteile entstehen vor allem gegenüber inter national agierenden Unternehmen, deren Standorte unternehmerfreundlichere Rahmenbedingungen bieten. Die Folgen: Verzögerte Investitionen durch langwierige Genehmigungen, Ressourcen bindung durch Berichtspfl ichten, die kaum Mehrwert bieten, Frust über digitale Prozesse, die trotz Online portalen nicht wirklich effizient sind.
Die IHK – Brückenbauer zwischen Praxis und Politik
Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) nehmen hier eine entscheidende Rolle ein. Sie sammeln konkrete Praxisbeispiele, entwickeln daraus umsetzbare Lösungsvorschläge und tragen diese gezielt an die Politik heran. Ziel ist es, nicht nur zu kritisieren, sondern konstruktiv beim Bürokratieabbau mitzuwirken. Besonders wichtig: Diese Impulse aus der Wirtschaft werden von politischen Entscheidungsträgern ausdrücklich eingefordert. Doch die Praxis zeigt: Zwischen dem politischen Willen zur Entlastung und der tatsächlichen Umsetzung klafft häufig eine Lücke. Die Politik signalisiert Gesprächsbereitschaft und den Wunsch nach Verbesserung, oft fehlen aber die konkreten, wirkungsvollen Ansätze. Genau hier ist die Wirtschaft gefragt: Unternehmen müssen ihre Erfahrungen aus dem Alltag einbringen und mit ganz praktischen, durchdachten Vorschlägen die Basis für sinnvollen Bürokratieabbau liefern. Die IHK versteht sich dabei als Übersetzerin zwischen unternehmerischer Praxis und politischen Entscheidungswegen. Eine Aufgabe, die ohne die Mithilfe der Wirtschaft nicht gelingen kann.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Bauantrag im digitalen Zeitalter
Ein familiengeführter metallverarbeitender Betrieb mit rund 25 Mitarbeitenden muss jährlich eine Vielzahl von Umweltkennzahlen melden, etwa zum Energieverbrauch, zur Abfalltrennung und zu Emissionen. Viele dieser Daten werden bereits intern erhoben und verarbeitet, aber die Formate, Fristen und Portale zur Übermittlung unterscheiden sich je nach Behörde. Die Folge: Zwei Mitarbeitende sind mehrere Tage im Jahr ausschließlich damit beschäftigt, dieselben Informationen mehrfach aufzubereiten und hochzuladen – obwohl kein neuer Erkenntnisgewinn daraus entsteht. Lösungsvorschlag aus der Praxis: Die IHK empfiehlt, die Berichtsformate zu vereinheitlichen und eine zentrale Plattform zur digitalen Übermittlung zu schaffen, auf die alle relevanten Behörden zugreifen können. Zusätzlich sollen Schwellenwerte eingeführt werden, unterhalb derer Kleinbetriebe von bestimmten Berichtsauflagen befreit werden – ähnlich wie es in anderen europäischen Ländern bereits Praxis ist.
Engagement, das Früchte trägt – dank DIHK und regionaler IHKs
Einzelne IHKs arbeiten der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) intensiv zu. Die gesammelten Beispiele und Forderungen fließen direkt in bundesweite Kampagnen zum Bürokratieabbau ein – und sorgen dafür, dass Stimmen aus der Praxis auf politischer Ebene Gehör finden. Besonders sichtbar wurde dieses Engagement durch die DIHK- Kampagne „Ich kann so nicht arbeiten“, die eindringlich zeigt, wie bürokratische Hürden den unternehmerischen Alltag lähmen. Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Vorschlagsliste der DIHK zum Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV): Eine Sammlung konkreter Maßnahmen, die unmittelbar zur Entlastung beitragen könnten – von der Verein fachung einzelner Nachweispflichten bis hin zur Streichung unnötiger Melde erfordernisse. Diese Liste speist sich direkt aus den Erfahrungen der Betriebe und zeigt eindrucksvoll, wie praxisnahe Impulse zu konkreten Gesetzesinitiativen führen können. Die IHKs arbeiten nicht nur der DIHK auf Bundesebene zu, sondern sind auch vor Ort direkte Ansprechpartner für Betriebe und Verwaltungsstellen. Beispielsweise erfragen wir vor Ort die Zufriedenheit der Unternehmen mit der lokalen Verwaltung. Wir versuchen durch gezielte Gespräche mit Stadtverwaltungen und Behörden konkrete Verbesserungspotenziale zu identifizieren – und direkt anzugehen. Dieses Vorgehen fördert gegenseitiges Verständnis, baut Hürden ab und zeigt: Bürokratieabbau braucht Nähe und Austausch auf Augenhöhe.
Mitmachen statt meckern
Die IHKs vor Ort rufen dazu auf, sich einzubringen: Teilt als junge Wirtschaft die eigenen Erfahrungen mit übermäßiger Bürokratie, beteiligt Euch an Umfragen und Forderungen – und helft mit, Deutschlands Verwaltung fit für die Zukunft zu machen.
Saskia Brandt
ist Geschäftsführerin der WJ Schleswig, Federführerin Volkswirtschaftslehre der Landesarbeitsgemeinschaft IHK Schleswig-Holstein, Referent in der Standortpolitik der IHK Flensburg mit den Themen: Volkswirtschaft und Konjunktur, Regionalpolitik, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Bürokratieabbau.
Vorheriger Artikel der Ausgabe
Kurzmeldungen
Nächster Artikel der Ausgabe
Investieren dank Schulden: Wie generationengerecht sind die Regierungspläne?
Weiter Beiträge zum Thema
Podcast-Tipps aus unserem Netzwerk
Podcast-Tipps aus unserem Netzwerk ...
Dein Geld und die Welt
Dein Geld und die Welt ...
Geschäftsstelle
Geschäftsstelle Neue ...