Mut zur zweiten Runde
Die „4×4 unter 40“-Preisträgerin Gerda Söhngen übernimmt das Familienunternehmen KEIL Befestigungstechnik GmbH, verliert sich auf dem Weg und steigt erschöpft aus. In einem zweiten Anlauf wagt sie doch noch die Nachfolge – mit einer neuen Haltung. Heute führt sie das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft und ermutigt junge Nachfolgerinnen und Nachfolger, eigene Wege zu gehen.
Junge Wirtschaft: Gerda, Du sprichst oft von Mut in der Nachfolge. Wo brauchtest Du auf Deinem Weg besonders viel Mut?
Gerda Söhngen: Als Unternehmerin muss ich immer wieder Entscheidungen treffen, die ich noch nie getroffen habe, ohne zu wissen, ob das jetzt wirklich das Richtige für mich und das Unternehmen ist. Damit sind viele Ängste und Unsicherheiten verbunden. Wenn man es schafft, dann in solchen Momenten dennoch Entscheidungen zu treffen, ist das in meinen Augen Mut.
Dein erster Einstieg ins Unternehmen hat sich für Dich überhaupt nicht richtig angefühlt. Was hat damals nicht gepasst und warum bist Du wieder ausgestiegen?
Ich bin erst in die Nachfolge gegangen und habe dann währenddessen gemerkt, dass das überhaupt nicht zu mir passt. Ich habe mich wahnsinnig verstellt – sei es im Dresscode oder im Verhalten. Deswegen habe ich gekündigt und gesagt, ich gehe wieder raus. Ich wollte mich erst einmal mit mir selbst auseinandersetzen. Der Schritt in die eigene Selbstständigkeit hat mir dabei sehr geholfen.
Wie kam es dann doch zum zweiten Anlauf?
Ich habe nicht daran gedacht, wieder zurückzukommen. Meine Eltern kamen auf mich zu und haben gesagt: Jetzt ist Tabula rasa. Entweder Du machst das oder wir verkaufen den Laden. Ich sagte Ja – mit der Bedingung, dass wir einen kalten Entzug machen. Meine Eltern wirklich raus und ich komplett rein. So konnte ich mit einem fast leeren Blatt Papier starten und überlegen, was zu mir passt und was bleiben darf. Außerdem holte ich mir einen starken Vertriebsexperten an meine Seite, um auszugleichen, was ich nicht mitbringe.
Du gehst mit Deiner Geschichte sehr offen nach außen. Warum machst Du das Thema Nachfolge so groß?
Ich möchte, dass andere mittelständische Unternehmen auch eine Nachfolge finden und nicht schließen müssen. Ich ermutige deshalb potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger immer wieder, dass sie sich trauen sollen, den Weg in die Nachfolge zu gehen und diesen auch komplett neu zu denken – obwohl schon so viel da ist.
Was hast Du bei Euch im Unternehmen verändert?
Wir hatten einen für unsere Branche typischen Markenauftritt mit nüchternen Farben. Jetzt ist unser Marketing schriller und bunter. Unsere Maschinen in der Produktion tragen statt Nummern Karikaturgesichter und Namen. Wir haben intern einen Kulturwandel vollzogen, setzen stärker auf Feedbackkultur sowie eine wohnliche Raumatmosphäre und stechen mit unserem Außenauftritt hervor. Anfangs war die Skepsis von vielen groß, inzwischen ist die Reaktion durchweg positiv.
Was sind Deine persönlichen Ziele für die Zukunft?
Es passiert gerade sehr viel, beispielsweise in der Energie- und Zollpolitik. Die größte Gefahr ist, in Schockstarre zu verfallen. Um Hürden aus dem Weg zu räumen und Themen weiterzudenken, möchte ich mich im Fokus üben, dann aber auch konsequent in die Umsetzung kommen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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