Die erste Frau im Amt

Zum 70. Geburtstag unterhält sich die Bundesvorsitzende Simone Rechel mit Vorgängerinnen und Vorgängern darüber, was es zu ihrer Zeit bedeutet hat, voranzugehen. Diesmal mit: Angelika Pohlenz.

© WJD

Liebe Angelika, Du warst 1985/1986 WJD Bundesvorsitzende – Du bist also als erste Frau in diesem Amt vorangegangen. Erzähl doch mal, wie Du Bundesvorsitzende wurdest.
Ich war 1984 im Landesvorstand Hessen und sollte Landesvorsitzende werden. Einige Monate vor der Wahl habe ich dem amtierenden Landesvorsitzenden gesagt: „Nur, damit du es nicht von jemand anderem hörst: Ich bin schwanger.“ Kurze Zeit später kam ein Anruf, ob der Landesvorstand sich bei mir zu Hause treffen könnte und ob sie auch ihre Frauen mitbringen können. Kaum waren sie da, fingen die Frauen an, auf mich einzureden: Das ginge nicht, ich könne nicht Landesvorsitzende werden! Ich müsse mich um das Kind kümmern und würde doch auch sicher aufhören, zu arbeiten. Ich habe versucht, dagegen zu argumentieren – doch sie haben mich so bekniet, dass ich nachgegeben habe.

Ungefähr zwei Wochen später fragt mich Karl-Heinz Schumacher, der damalige Bundesvorsitzende, ob ich nicht seine Nachfolge antreten möchte. Da war ich natürlich erstmal irritiert, warum das nun geht und das andere nicht. Er sagte schlicht, das sei ihm egal. Seine Frau hat mir gut zugeredet. Kurze Zeit später bin ich dann mit dem Bundesvorsitzenden zu meinem Arbeitgeber gefahren, das war damals die Deutsche Bank, und wir haben über die Situation gesprochen: Ich würde zwei Jahre viel unterwegs sein. Damals war es üblich, nach dem Jahr im Bundesvorsitz ein Jahr lang die internationalen Konferenzen zu besuchen. Ich wurde für zwei Jahre freigestellt, bei vollem Gehalt. Am Ende sind es dann ja sogar drei Jahre geworden.

Wie lief es dann im Amt?
Als ich gewählt wurde, war das Baby schon da. Das hat immer gut funktioniert, das Kind ist überall hin mitgekommen. Was mich aber gestört hat, war, dass ich als einzige Frau immer viel Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe. In der DIHT-Vollversammlung zum Beispiel oder im Präsidium. Die Sitzungen wurden dann mit „Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Pohlenz, sehr geehrte Herren“ eröffnet – und alle Blicke richteten sich sofort auf mich. In meiner letzten Sitzung habe ich den Präsidenten, Otto Wolf, angesprochen, ich bäte doch die Herren Präsidenten und Hauptgeschäftsführer darum, mal dafür zu sorgen, dass es in ihren Reihen mindestens zwei Frauen gibt. Denn jedes Mal, wenn die Runde angesprochen wurde, wurde ich einzeln hervorgehoben und alle drehten sich zu mir um. Unangenehm! Und: Am Ende kannten alle mich und meinen Namen – aber wie hätte ich denn alle 140 Herren in der Vollversammlung in den zwei Jahren kennenlernen und mir die Namen merken sollen?

Hast Du Dich als Pionierin gefühlt?
Nein. Ich habe immer in der Männerwelt gelebt, und ich habe immer gesagt: Es liegt an mir, mich da durchzusetzen. Ich selbst betrachtete mich in der Regel als Mensch, der gewisse Möglichkeiten hat, die Männer nicht haben. Sprich, ich kann Kinder kriegen und die dann auch noch ernähren. Ist doch super!

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