Lasst uns mutig sein!
Mut zu haben bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen. Zu sagen, woran man glaubt, und zwar laut. Den Menschen, die es hören müssen. Auch wenn man selbst zu diesen Menschen gehört.
Manche von euch kennen vielleicht das Interview, in dem Amazon-Gründer Jeff Bezos lacht, als ihm die Frage gestellt wird, ob er nicht Angst habe, alles, was er in so kurzer Zeit aufgebaut hat, in genauso kurzer Zeit verlieren zu können. Der reichste Mann der Welt sagt: „Das ist keine ‚Angst‘. Es ist eine Tatsache, dass wir alles wieder verlieren können.“
Es macht Jeff Bezos also keine Angst, dass er jederzeit alles verlieren könnte, wie soll ich das verstehen? Heißt das etwa, wenn ich die Möglichkeit des Scheiterns als Tatsache akzeptiere, verschwindet damit dieses diffuse Gespenst der Angst?
Uns Unternehmer treibt vermutlich alle irgendeine Angst um: Die Angst vor dem Scheitern und alles zu verlieren. Aber verpassen wir so nicht vielleicht viele Gelegenheiten, aus Angst davor, etwas zu wagen? „Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern es ist die Entscheidung, dass etwas anderes wichtiger ist als die eigene Angst“, heißt es in einem Zitat, das Ambrose Hollingworth Redmoon zugerechnet wird. Aber was ist denn wichtiger als die eigene Angst? Erfolg? Verantwortung?
Angst verhindert Innovation
In unserer Gesellschaft war lange die eigene Leistungsbereitschaft der vielleicht wichtigste Maßstab für Erfolg. Wer fleißig und kompetent war, der „schaffte es“. Die Zeiten, vielleicht auch die Bedingungen, haben sich inzwischen geändert. Mit der Digitalisierung haben wir heute ganz andere Voraussetzungen, völlig neue Möglichkeiten, erfolgreich zu sein. Heute verspricht der Mut zu neuem Erfolg, es zählen Innovationen und Risikobereitschaft. Unsere Angst vor dem Scheitern steht dem entgegen: Tun wir nicht alles, um es zu vermeiden?
Wer scheitert, hat versagt – gilt als Loser. Interessanterweise gilt in anderen Ländern eine ganz andere Fehlerkultur: Im Silicon Valley beispielsweise gehört es fast zum guten Ton, ein-, zweimal zu scheitern, bevor ein Unternehmen wirklich erfolgreich wird. Zum Silicon Valley gehört der Mut, völlig Neues zu wagen – der Mut, komplett zu scheitern, gehört auch dazu. Sieht man es nicht als Folge von Inkompetenz, sondern als Startpunkt für neue Chancen, als Erfahrung, von der alle profitieren, fällt es viel leichter, mutig zu sein. Denn Mut bedeutet auch, sich auf das Scheitern einzulassen, um etwas Großartiges zu erreichen und zu gewinnen oder einen neuen Weg zu gehen, wenn man weiß, dass man auf dem falschen ist, auch wenn alle in die andere Richtung gehen.
Manchmal ist Mut eben nicht laut und übermütig, sondern leise und nachdenklich.
Mut hat viele Facetten
Mutige Menschen stellen sich gegen Dinge, die etwas, das ihnen wichtig ist, bedrohen. Hier liegt leider das Manko von vielen mutigen Menschen: Sie denken so sehr daran, souveräne, richtige Entscheidungen zu treffen, dass sie übersehen, dass wahrer Mut auch in der Selbstwahrnehmung liegt. Mutig zu sein bedeutet nämlich auch, zuzuhören. Sich selbst ernst zu nehmen ist keine Schwäche, trotzdem braucht es Mut, auch an die eigenen Bedürfnisse zu denken. Manchmal ist Mut eben nicht laut und übermütig, sondern leise und nachdenklich. Manchmal bedeutet Mut, zu reflektieren, abzuwägen, Entscheidungen zu treffen, die außerhalb der eigenen Komfortzone liegen. Manchmal bedeutet Mut einfach, nein zu sagen, wenn man weiß, dass man etwas tun muss. Es bedeutet, „nein“ zu den falschen Dingen zu sagen – und damit „ja“ zu den richtigen. Denn mutige Menschen handeln in einer Weise, die mit ihren Werten übereinstimmt.
Trauen wir uns also, liebe Junioren, mutig zu sein! Manchmal sind es kleine Schritte, die zu Größerem führen. Aber eines brauchen wir immer: Die Erkenntnis, unsere Komfortzone zu verlassen, Risiken einzugehen und sich selbst und anderen gegenüber ehrlich zu sein. Sich einzusetzen, nein zu sagen, anzuecken. Mutig zu sein.
Sven Franzen hat im Alter von 16 Jahren sein erstes Unternehmen gegründet und war seinerzeit Deutschlands jüngster Unternehmer. Inzwischen führt er die Tiger Marketing Group GmbH als Gesellschafter- Geschäftsführer und berät als Marketingstratege Mittelstands- und Familienunternehmen ebenso wie Großkonzerne. Sven ist seit 12 Jahren Wirtschaftsjunior und lebt in Offenbach.