Nachfolge: „Ein Prozess, der oft mehr Herz als Excel erfordert“
Unternehmensnachfolge ist kein Termin, sondern ein Prozess, bei dem es auf Herz, Haltung und Strategie ankommt. Janna Harbaum, Prokuristin der inpraxi-Gruppe und Kreissprecherin der Wirtschaftsjunioren Osnabrück, verrät, warum Nachfolge gestaltbar ist, welche Fragen im Übergabeprozess wirklich zählen und wie ehrlicher Austausch zum Erfolgsfaktor wird.
Die inpraxi Unternehmensberatung GmbH & Co. KG begleitet inhabergeführte Mittelstandsunternehmen in der gesamten DACH-Region ganzheitlich entlang der Wertschöpfungskette. Das interdisziplinäre Team aus 85 Mitarbeitenden stellt Unternehmen zukunftsfähig auf, indem es bei Fragen zu Strategie, HR, Organisationsentwicklung, Prozessoptimierung und Führung berät. Ein zentraler Bereich ist die Unternehmensnachfolge.
Junge Wirtschaft: „Liebe Janna, was genau machst Du bei inpraxi?“
Janna Harbaum: „Ich begleite Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte bei Fragen rund um Unternehmensentwicklung, Nachfolge, Organisation, Recruiting und HR. Ich berate dabei nicht vom Schreibtisch aus, sondern direkt vor Ort. Nah an den Menschen, Strukturen und Entscheidungen. Mir ist wichtig, dass Lösungen praxisnah und erlebbar sind.“
Was begeistert Dich vor allem an Unternehmensnachfolgen?
„Es geht in erster Linie um Menschen und Verantwortung. Das ist in der Regel ein Prozess, der oft mehr Herz als Excel erfordert, denn hinter jedem Übergang stehen Lebenswerke, Familiengeschichten und Teams. Mich begeistert besonders, wie sehr Vertrauen, Klarheit und Wertschätzung darüber entscheiden, ob Nachfolge Energie freisetzt oder blockiert. Deswegen habe ich auch bereits in meiner Abschlussarbeit untersucht, was erfolgreiche Nachfolgen ausmacht. Die stärksten Hebel – aber auch die größten Umsetzungsdefizite – liegen in Kommunikation, Rollenklärung sowie Vorbereitung und Begleitung. Ganz ehrlich: Wenn zwei Generationen vom Gegeneinander ins Miteinander finden und ein Unternehmen dadurch stabiler und innovativer wird, dann passiert Unternehmensentwicklung und Zukunftsgestaltung. Das gefällt mir.“
Wo fängt gute Nachfolge an?
„Mit den richtigen Fragen zur richtigen Zeit und mit dem Mut, sie offen auf den Tisch zu legen. Was wollen wir erhalten, was verändern? Wer übernimmt welche Verantwortung und ab wann? Wie sichern wir Freiheit und Halt zugleich? Wenn diese Fragen beantwortet sind, wird Nachfolge gestaltbar. Wir entwickeln dann gemeinsam in den nächsten Schritten eine Roadmap, Entscheidungsrechte, Meilensteine und Reflexionspunkte. Mein Job ist es, den Nachfolgeprozess mit unserem Team so zu steuern, dass Mensch und Unternehmen Schritt halten können.“
Gibt es ein Beispiel, das zeigt, wie Ihr Nachfolgeprozesse begleitet?
„Eine Nachfolgerin sollte das Familienunternehmen übernehmen, doch ihr Vater konnte nicht loslassen. Wir entwickelten eine Übergangsarchitektur mit klaren Rollen, Co-Führungsmodell und Fahrplan für Beteiligung und Verantwortung. Nach einem Jahr war die Nachfolge nicht nur formell, sondern auch emotional vollzogen. In einem anderen Unternehmen war unklar, ob die Nachfolge in der Familie bleibt. Wir strukturierten den Prozess, machten Erwartungen transparent und banden das Team früh ein. Am Ende entstand eine gemeinsame Lösung. Das zeigt deutlich, dass es bei Nachfolge nicht um Entweder-oder geht, vielmehr ist es ein kreativer Gestaltungsprozess, der Klarheit, Struktur und Begleitung braucht. Die bieten wir inhaltlich, menschlich und vor allem auch zielführend.“
Du bist auch Kreissprecherin der Wirtschaftsjunioren Osnabrück. Welche Impulse nimmst Du von dort in Deine Arbeit mit?
„Sehr viele. Bei den Wirtschaftsjunioren geht es darum, Menschen zu verbinden, die gestalten wollen. Wir organisieren Formate wie den Nachfolgestammtisch, bei dem Nachfolgerinnen und Nachfolger offen über ihre Erfahrungen sprechen können. In diesem Rahmen tun sie das oft ehrlicher, als es in offiziellen Runden möglich ist. Solche Begegnungen zeigen mir immer wieder, dass offener Austausch der Schlüssel ist. Und genau das übertragen wir bei inpraxi auch in unsere Workshops, Beratungen oder Entwicklungsprogramme. Mitglied der Wirtschaftsjunioren zu sein, bringt mir immer wieder wertvolle Impulse von außen, wodurch mir ein echter Perspektivwechsel gelingt, der mich auch als Beraterin inspiriert und für jede Führungskraft wertvoll ist.“
Wo liegen aus Deiner Sicht die häufigsten Stolperfallen?
„Eine der größten ist fehlendes Erwartungsmanagement. Viele denken, sie hätten alles besprochen, dabei haben sie über völlig unterschiedliche Dinge gesprochen. Wenn Erwartungen unausgesprochen bleiben, entstehen Missverständnisse. Zweitens: Rollenunklarheit. Wer macht was? Wer darf entscheiden? Wenn das nicht geklärt ist, blockiert der Prozess. Ich helfe dann, diese Rollen sichtbar zu machen und zu definieren. Drittens: mangelnde Kommunikation. Schweigen schafft Unsicherheit. Offenheit schafft Vertrauen. Mein Team und ich empfehlen immer feste Kommunikationsrhythmen, klare Entscheidungswege und Transparenz im gesamten Führungsteam. Und eine weitere große Stolperfalle: fehlende Vorbereitung. Nachfolge ist kein Schalter, der umgelegt wird. Sie braucht Zeit und auch fachliche wie emotionale Einarbeitung und Begleitung.“
Was empfiehlst Du Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich mit dem Thema beschäftigen?
„Sich frühzeitig Begleitung zu holen. Externe Sparringspartner helfen, Struktur, Klarheit und Vertrauen zu schaffen. Mit den richtigen Impulsen, ehrlichem Austausch und guter Moderation wird Nachfolge zu einem gemeinsamen Gestaltungsprozess, in dem Zukunft entsteht.“
Gibt es eine Erfolgsformel für gute Nachfolge?
„Jedes Unternehmen, jede Nachfolge ist sehr individuell. Aber ich beobachte, dass Erfolg immer dort entsteht, wo menschliche Dynamiken ernst genommen werden, wo sich Menschen auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Das gilt für Führung insgesamt.“
Janna Harbaum begleitet bei inpraxi Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungsteams bei Unternehmensentwicklung sowie Nachfolge-, Recruiting- und HR-Prozessen. Bei den Wirtschaftsjunioren Osnabrück engagiert sie sich ehrenamtlich als Kreissprecherin, um junge Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte zu vernetzen und um aufzuzeigen, dass Nachfolge nicht nur Verantwortung, sondern auch Zukunftsgestaltung bedeutet.
Janna hat die Ergebnisse ihrer MBA-Arbeit zum Thema Unternehmensnachfolge für interessierte Wirtschaftsjunior:innen aufbereitet: Zur Studie.
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