Auch die Kartoffel braucht Innovation

Legen, pflegen, ernten, lagern: Die Grimme Gruppe hat eine 150-jährige Tradition im Landmaschinenbau, betreibt seit 65 Jahren Kartoffeltechnik und hat seit zwei Jahren ein Innovationslabor. Wir haben mit Christoph Grimme über Süßkartoffeln, Agilität und Apps gesprochen.

Christoph, Du bist Head of International Operations bei der Grimme Group. Führ uns doch bitte kurz in die Grimme Welt ein.
CG: Zur Grimme Gruppe zählen neben der Grimme Landmaschinenfabrik der nordamerikanische Kartoffel- und Rübentechnikhersteller Spudnik und der dänische Gemüsetechnikhersteller Asa- Lift sowie das Kunststofftechnik-Unternehmen Internorm und die Firma Ricon aus dem Bereich Sieb- und Fördertechnik. Schwerpunkt der Gruppe ist die Landtechnik im Bereich Kartoffel und Zuckerrübe – die Kartoffeltechnik betreiben wir seit mehr als 65 Jahren, unser Unternehmen ist sogar schon mehr als 150 Jahre alt. Wir liefern in über 120 Länder und beschäftigen mehr als 2.400 Mitarbeiter, von denen mehr als die Hälfte hier in Damme und Rieste im Osnabrücker Land tätig sind. Ich selbst habe bei Claas fünf Jahre arbeiten dürfen, von denen drei auf mein duales Maschinenbaustudium entfielen. An der TU in Hamburg habe ich dann meinen Master in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert. Im Jahr 2016 bin ich schließlich bei Grimme eingestiegen. Mein erstes Projekt im Familienbetrieb galt dem Aufbau eines neuen Produktionswerks in China – dem größten Kartoffelmarkt der Welt.

Gleichzeitig hast Du 2017 die Schmiede.one gegründet. Wie kam es dazu und was genau ist die Schmiede.one?
Zu der Zeit gab es eine große Hype-Phase rund um alles Digitale und viele Unternehmen haben auf einmal Acceleratoren oder Incubatoren gegründet. Und zwar in Berlin. Wir haben uns davon ein wenig mitreißen lassen und sind dann auch nach Berlin gefahren, um mal zu gucken, was da so passiert. Wir wollten wissen: Was treibt die Leute dort an? Was steckt hinter diesen Gründungen, ist das nur Hype? Und: Was bedeuten Veränderungen wie zum Beispiel die Sharing Economy für uns als Grimme Gruppe? Wir haben dann als Resultat ziemlich schnell die Schmiede.one gegründet. Absichtlich nicht in Berlin, sondern in Düsseldorf. Berlin passte für unsere Vorhaben nicht. Und wir haben ihr auch keinen Titel wie Incubator oder Accelerator gegeben, am ehesten ist sie wohl ein Innovationslabor. Zehn Leute aus sieben Nationen und mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen – Biologen, Front-End-Developer, Data Scientists, Maschinenbauingenieure – arbeiten hier zusammen. Die Schmiede.one hat zwei Schwerpunkte: Zum einen ist sie ein Horchposten für die Trendforschung, also zuständig für das Aufspüren disruptiver Ansätze für unser bestehendes Geschäftsmodell. Der andere Schwerpunkt ist die Entwicklung von Software in den Bereichen Sales und Maintenance. Das erste Projekt der Schmiede.one war eine neue intelligente Gebrauchtmaschinenplattform für Grimme.

© GRIMME Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG

Ist Innovation für Euch zwangsläufig digital?
Innovation muss überhaupt nicht digital sein! Momentan entwickeln wir zum Beispiel einen halbautonomen Süßkartoffelroder. Die Süßkartoffel wird immer trendiger in Deutschland, die klimatischen Bedingungen verändern sich zudem zugunsten des Süßkartoffelanbaus – und man kann mit der Süßkartoffel gutes Geld verdienen. Für die Süßkartoffelernte gab es bisher keine maschinellen Lösungen, da die Felder zu klein sind. Also werden Süßkartoffeln per Hand geerntet, quasi „wie früher“. Wir  haben uns das angeschaut und gesagt: Aha, hier ist ein Trend, hier wird eine innovative Lösung benötigt und haben dann einen kleinen Roder entwickelt. Dieser Roder kann autonom fahren dank Kameratechnik, aber auch extern gesteuert werden. Natürlich machen wir uns hier digitale Technologien zunutze, aber die Innovation ist in diesem Fall nicht die Kameratechnik, sondern die Weiterentwicklung der Erntetechnik in einem neuen Umfeld. Drumherum bauen wir ein Geschäftsmodell: Wollen wir den Süßkartoffelroder vermieten, verkaufen, verleihen? Es geht nicht nur darum, eine innovative Maschine zu entwickeln, sondern auch darum, die Idee zu monetarisieren.

Welche Rolle spielt die Schmiede.one innerhalb der Grimme Gruppe und siehst Du die Schmiede.one als gelungenes Beispiel für Innovationsintegration im Mittelstand?
Die Schmiede.one hilft uns, innovative Themen zu pushen. Das kleine Team kann schnell Geschwindigkeit aufnehmen, Dinge ausprobieren, einen Click- Dummy entwickeln. Dadurch hilft sie der gesamten Gruppe, schneller zu werden, die Augen offen zu halten und Dinge eher zu erkennen als der Wettbewerb. Sie ist aber keine Blaupause für andere Mittelständler, denn die Schmiede.one ist aus der Grimme Gruppe heraus gewachsen und somit ein individuelles Produkt unserer eigenen Erfahrungen und Modelle. So etwas kann einem kein Berater auf einer Folie vorgeben. Das Konzept, das hinter der Schmiede.one steht, ist sicherlich etwas, das auch für andere Unternehmen funktionieren kann. Nur den Weg, wie man dahin kommt, muss sich jedes Unternehmen selbst erarbeiten.

Hast Du einen Tipp, wie Innovation in einen mittelständischen Betrieb kommen kann, wenn man kein Innovationslabor eröffnen kann oder möchte?
Stückchenweise vorgehen und große Begriffe herunterbrechen. Unternehmen werden nicht von heute auf morgen agil.  Aber wenn ich überlege: Was heißt denn Agilität für mich konkret, als Unternehmen im Landmaschinenbau, dann kann ich ein Pilotprojekt starten, ein kleines Modul entwickeln und sehe dann: so funktioniert das vielleicht. Ich kann interdisziplinäre Teams bilden und erstmal lernen: Wie positioniere ich die? Wie terminiere ich die? Komme ich damit schneller ans Ziel? Wichtig ist, das Gelernte dann nachzuhalten und dranzubleiben. Die Nachhaltigkeit ist die Kunst.

Welche Innovation hat Dich zuletzt so richtig begeistert? 
Da gibt es einige! Zwei Beispiele: Zum einen haben wir bei Grimme AirSep entwickelt, ein revolutionäres Verfahren zur Separierung von Kartoffeln mit Luft. Das zeigt, dass auch mechanisch noch eine Schippe draufgelegt werden kann! Zum anderen eine Audit-App: Eine App, die wir in der Schmiede.one entwickelt haben, um die Inserate für unsere Gebrauchtmaschinen-Plattform automatisch zu generieren. Wir waren zu faul, Fotos zu machen, hochzuladen und zusätzlich noch den Konfigurationstext aus dem ERP-System zu ziehen. Also haben wir die App gebaut, die anhand der Seriennummer oder eines QR-Codes den Text zieht, gleichzeitig kann man direkt in der App die Fotos machen und fertig. In der Anwendung merkten wir: es geht alles viel schneller! Also haben wir die App professionalisiert und stabilisiert – und dann gemerkt, dass man diese Systematik für mindestens zehn weitere Einsatzbereiche hier in der Gruppe einsetzen kann: Inspektion, Audits, Webshops und so weiter. Sowas finde ich super!