„Wir können‘s nur herausfinden, wenn wir‘s probieren“
Rick Baunacke und Nathanael Schedler. Zwei vollkommen unterschiedliche Männer. Der eine spielt professionell American Football, der andere macht Musik. Was sie verbindet: Wie sie beide ihre Leidenschaften mit ihrem Geschäftssinn verbinden. Zwei Gespräche übers Leben, ein Text.
„Naja, man kann ja nicht alles haben“ – wir alle haben diesen Spruch schon einmal gehört. Meistens bezieht er sich auf das, was wir in unserem Leben alles haben möchten – und was da angeblich zeitgleich nicht hereinpasst. Der erfüllende Beruf oder das großartige Hobby, zum Beispiel. Im Allgemeinen, so scheint es, müssen wir auf irgendetwas immer verzichten, müssen uns entscheiden. Für diesen Text habe ich mit zwei Männern gesprochen, die, anstatt den Job ins Zentrum zu stellen – und die Passion hintenan, beides miteinander verbunden haben. „Selbstorganisation“, das ist laut Rick Baunacke der Schlüssel zu seinem Leben, was schier überquillt vor Tätigkeiten. Ursprünglich aus Bremerhaven, spielt Rick Baunacke professionell American Football, aktuell bei Berlin Thunder. Er hat drei deutsche Meistertitel und Einsätze in der deutschen American- Football-Nationalmannschaft. Er hat aber auch einen B.A. in Business Administration und ist Partner Manager bei Stones & Rocks, einem Unternehmen, was mit Natursteinen für Immobilien handelt. Wie der 37-jährige Vater zweier Söhne es schafft, alles unter einen Hut zu bekommen? „Für mich heißt das konkret, dass ich mich Sonntag oder Montag mit meinem Kalender hinsetze und schon die nächste Woche plane, und Puffer einbaue, in denen ich soziale Kontakte pflege, wann ich wo zum Training gehe – sonst klappt das mit der Zeit nicht, die ich habe.“ Nathanael Schedlers dagegen hat gleich all seine Leidenschaften in den beruflichen Alltag integriert. Schedler, der aus Winterthur in der Schweiz kommt und jetzt in Berlin lebt, liebt Musik, Fotografie, Mode – und „die Finanzen“, die er, „einfach gut kann“, wie er lachend sagt. In der Bleibtreustrasse in Berlin Charlottenburg, im Modegeschäft „Maximilian Mogg“ des namensgebenden Maßschneiders und Designers, ist Schedler Head of Finance. „Aber ich bin auch Co-Geschäftsführer“, ergänzt er. „In unserem kleinen Betrieb machen alle alles.“ Was ihm wichtig sei: „dass sich das alles gegenseitig inspiriert.“ Im Laden stehe ein Plattenspieler und es laufe immer Musik, erzählt er. Er selbst habe auch eine Band. Und die Mode, stilvolle Anzüge mit klarem Design, werde gerne von Künstlern getragen. Auf Red-Carpet- Events sieht man Mogg-Anzüge und auf ihrer Website präsentiert Model und Influencerin Marie Nasemann einen Anzug. Beide Biografien zeigen das Schöne, was passiert, wenn in Selbstbeobachtung immer wieder hineingespürt wird, wohin es einen zieht. Was Freude bereitet, was guttut, womit man die Zeit, die kostbare, gerne füllt. Und dann: dranzubleiben. Sich nicht davon irritieren zu lassen, dass das, was man liebt, beispielsweise nicht „reich macht“. Wie bei Rick Baunacke, der mir erzählt, dass er in den langen Jahren, in denen er hauptsächlich Football spielte, in Deutschland noch eine Randsportart, nebenher als Türsteher arbeitete. Um sich zu finanzieren. Oder Nathanael, der in Zürich eigentlich schon den sicheren Job in der Bank hatte und trotzdem, um Musik zu machen, nach New York und Tokio ging für ein Jahr. „Als ich zurückkam, erschien mir die Schweiz noch kleiner, als sie eh schon ist“. Folglich zog er nach Berlin und suchte den Kompromiss: Geld verdienen und trotzdem weiterhin tun, was er liebte.
Früher hätte er in seinem Job aufs Wochenende oder den Urlaub hingearbeitet und sich dann „die verdiente Pause gegönnt vom anstrengenden Arbeitsalltag“, erzählt Nathanael. „Jetzt habe ich keinen Urlaub mehr oder ein Wochenende, aber dafür mache jeden Tag das, was ich gerne mache.“ Unlängst wissen wir alle, dass auch dieses Arbeitsethos zur Burnout- Falle werden kann. Es sei denn, die Aufgaben erfüllen einen so sehr, dass sich die Trennung zwischen Beruf und Freizeit auflöst. Eine Verbindung eingegangen wird, zwischen Schaffen und Sein. Rick, der sich neben Beruf und Sport intensiv in Netzwerken engagiert, viel auch bei den Wirtschaftsjunioren, erzählt davon, wie viel Energie ihm das gebe. „Wenn ich in die Schulen gehe und merke, dass ich da auch für die Kids und Jugendlichen eine Motivationsperson, eine Vorbildperson bin, das fühlt sich schon gut an.“ Sich einzusetzen für den Schulsport, für die Rolle von Sportprogrammen an Universitäten, für „eine Zivilgesellschaft, die Kraft und Power“ hat, das ist es, was Baunacke antreibt. Ihn sogar in den „Lücken“ zwischen Büro und Sportplatz, auf den Fahrten von Berlin nach Dresden, seinem Zweitwohnsitz, telefonieren lässt; „networken“. „Klar kann ich auch eine neutrale Position einnehmen, wie die Schweiz, nach dem Motto, da misch ich mich nicht ein. ODER ich versuche was im System zu ändern, mit den Eigenschaften, die ich mir angeeignet habe in den letzten 30 Jahren.“ Er ist „100-Prozent-Rick“ – wie ihn ein Sportmagazin bezeichnete. Aber auch nur ein Mensch. Denn was, wenn doch mal der straffe Zeitplan durcheinanderkommt? „Dann rufe ich unsere Sportpsychologin an, ohne die würde ich es oft nicht schaffen.“ Die Begeisterung, sich bedingungslos einzusetzen für Visionen – sei es die Kreativität, das Erschaffen von Schönem. Die Musik, Kunst, Mode. Oder den Sport – die gesellschaftliche Relevanz der Gemeinschaft, der Appell für die Gesundheit der jüngeren Generationen. Das ist es, was meine beiden Gesprächspartner antreibt. Dieser Weg bedeutet auch, Rückschläge hinzunehmen, das erzählen mir beide. Aber immer gilt eines. Nathanael Schedler bringt es auf den Punkt: „Ich will mir im Nachhinein nie die Frage stellen, was wäre wenn. Ich mag Tatsachen: Wenn ich auswandere und es wird schrecklich, kann ich immer zurück in die Sicherheit. Aber erst einmal herauszutreten, aus der Komfortzone, für das, was man liebt, darum geht es. Denn wir können‘s nur herausfinden, wenn wir es probieren.“
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