Scheitern als Chance: Wie Rückschläge persönliches Wachstum fördern
Katja Großmann baute ein eigenes, prämiertes Start-up auf. Doch die Vision, die Marke weiter aufzubauen, ging nicht auf. Wie viele Gründer:innen vor ihr, musste sie sich von ihrem Traum verabschieden. Ein reflektierter Umgang mit dem Scheitern war für sie der Startschuss für einen zweiten Anlauf. Heute gibt sie ihre Erfahrungen als Coach an andere Gründer:innen weiter. Ein neues Start-up steht schon in den Startlöchern.
Mein Wunsch, ein eigenes Unternehmen zu gründen, entstand aus meiner Leidenschaft, Produkte mit echtem Mehrwert und Begeisterungsfaktor zu kreieren. Mit kernique verfolgten wir die Vision, bewusste Ernährung und Nachhaltigkeit durch innovative Snackprodukte zu verbinden.
Der Crowdfunding-Start
Die Gründungszeit war eine Mischung aus Aufregung, Freude und unzähligen Herausforderungen. Gemeinsam mit meinem Partner und Co-Founder Marcel Fortwingel bauten wir unser Herzensprojekt kernique über vier Jahre hinweg auf. Wir entwickelten die Rezepturen selbst, verfeinerten sie mit unserer Community und brachten die Produkte mithilfe von Crowdfunding zur Marktreife. Mit über 24.000 Euro Funding und mehr als 500 Vorbestellungen legten wir einen erfolgreichen Start hin.
Schwierige Rahmenbedingungen und massive Hürden
Tolles Feedback und mehrere Auszeichnungen zeigten uns, dass wir den Nerv der Zeit getroffen hatten, was uns weiter motivierte. Natürlich blieben auch Herausforderungen nicht aus. Der Traum der großindustriellen Produktion stellte sich als weitaus komplexer heraus als erwartet. Zudem gab es 2022 viele politische und wirtschaftliche Unruhen, die zu Produktions- und Lieferengpässen, Preisschwankungen und veränderten Konsumgewohnheiten führten.
Über viele Monate hatten wir mit massiven Rückschlägen und Hürden bei der Produktherstellung zu kämpfen. Diese führten uns vor Augen, dass unser Fundament noch nicht so stabil war, wie wir gehofft hatten. Besonders die Unvorhersehbarkeit externer Faktoren brachte uns immer wieder ins Straucheln und zwang uns, über viele Monate unser Konzept kontinuierlich anzupassen.
Keine Zukunft am Markt
Nach monatelangen Überarbeitungen und mehr als zwei Jahren intensiver Produktentwicklung hatten wir die traurige Gewissheit, dass unser Produkt nicht in großen Mengen produzierbar war und wir die Märkte nicht wie geplant beliefern konnten. An diesem Punkt wurde uns klar, dass kernique so keine Zukunft mehr haben kann. Um weitermachen zu können, hätten wir uns komplett neu aufstellen und mit anderen Produkten wieder von vorne beginnen müssen. Es war eine bittere, schleichende Einsicht, die durch viele Gespräche und intensive Reflexion reifte. Eine Einsicht, die man bis zum Ende immer wieder verdrängen wollte.
Traurigkeit und Erleichterung
Ich erinnere mich gut an die Tage, an denen wir die Restbestände abverkauften und den Online-Shop schlossen. Es war ein bittersüßer Moment, geprägt von Traurigkeit und Erleichterung zugleich. Traurigkeit, weil wir so viel Herzblut in dieses Projekt gesteckt hatten und Erleichterung, weil wir uns endlich von der Last der ständigen Kämpfe befreien konnten. Dennoch hat es genau diesen Schritt gebraucht, um loszulassen und Raum für Neues zu schaffen. Das Loslassen selbst war für mich ein unwahrscheinlich kraftvoller Moment, der eine tiefgreifende Transformation mit sich brachte und Marcel und mich noch mehr zusammengeschweißt hat.
Wertvoller Zuspruch
Die Reaktionen aus unserem Umfeld waren zudem sehr positiv und unterstützend. Unser Umfeld stand fest an unserer Seite und auch der Austausch mit anderen Unternehmer:innen und Mentor:innen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, war sehr wertvoll. Ein Schlüsselelement war zudem die eigene Akzeptanz. Statt in Selbstmitleid zu versinken, konnten wir das Ganze schnell in einem größeren Kontext sehen: Scheitern ist ein Teil des Prozesses, nicht das Ende des Weges.
Neue Perspektiven und Wünsche
Für mich fühlte sich meine Reise mit kernique nie wie persönliches Versagen an, sondern wie ein großer Meilenstein in meiner persönlichen Entwicklung als Unternehmerin. Nach dem Ende von kernique habe ich mich oft gefragt, ob ich erneut den anstrengenden Weg des Gründens gehen möchte. Heute, einige Monate später, bin ich erneut Gründerin – mit einer erweiterten Perspektive und vielen wertvollen Erfahrungen im Gepäck, die nicht nur mein unternehmerisches Denken geprägt, sondern auch meinen Wunsch verstärkt haben, anderen Menschen auf ihrem Weg weiterzuhelfen. Als leidenschaftliche Coachin und Mentorin kann ich nun die Erkenntnisse weitergeben, die ich durch die unzähligen Höhen und Tiefen meiner eigenen Gründungsreise gewonnen habe. Ich liebe es Menschen dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden – mit Klarheit, Authentizität und der richtigen Balance zwischen Herzblut und Pragmatismus.
Mit mehr Achtsamkeit ins neue Start-up-Abenteuer
Doch damit nicht genug: Marcel und ich stehen als Gründerpaar bereits in den Startlöchern für ein neues Kapitel. Mit unserem neuen Food Startup – einer Mindful-Snacking Brand –, werden wir 2025 Menschen dazu einladen, sich mit Achtsamkeit und Genuss selbst wiederzuentdecken. Ein neues Abenteuer, das all unsere praktischen Erfahrungen und persönlichen Werte vereint. Besonders prägend war für mich die tiefe Erkenntnis, dass Intuition und Achtsamkeit gerade im Unternehmenskontext unverzichtbare Werkzeuge sind. Meine innere Vision und Intuition helfen mir jeden Tag, neue Wege zu finden, selbst wenn es schwer und ausweglos erscheint. Indem ich dem Fluss des Lebens und meiner inneren Weisheit vertraue, kann ich Entscheidungen achtsam aus einem tiefen Gefühl der Verbundenheit und Gewissheit treffen. Diese Fähigkeiten werden auch für zukünftige Unternehmen und unsere gesellschaftliche Zukunft unverzichtbar werden. Heute weiß ich: Erfolg entsteht nicht durch ständiges äußeres Wachstum, sondern durch Leben und Arbeiten im Einklang mit den eigenen Werten und der inneren Weisheit.
Mein persönlicher Rat
Wenn Du gerade durch eine schwierige Zeit gehst oder Angst vor dem Scheitern hast, dann möchte ich Dir versichern: Du bist nicht allein. Scheitern ist keine Niederlage, sondern ein Teil Deines Wachstumsprozesses. Scheitern bedeutet auch nicht, dass Du versagt hast – es bedeutet, dass Du mutig genug warst, Dich auf den Weg zu machen. Wahrer Erfolg liegt nicht darin, niemals zu scheitern, sondern in der Fähigkeit, immer wieder aufzustehen und aus genau diesen Erfahrungen zu lernen. Also: Traue Dich, Deine Innere Vision zu fühlen, zu leben und ihr bedingungslos zu folgen, auch wenn der Weg noch so steinig sein mag. Denk vom Ziel aus und Du wirst immer wieder neue Wege finden und Herausforderungen mit Ruhe und Zuversicht meistern.
Katja Großmann ist Gründerin, Coachin und Mentorin mit dem Fokus auf achtsames Unternehmertum. Sie unterstützt visionäre Persönlichkeiten dabei, Klarheit, Intuition und Authentizität in ihren Projekten zu verankern.
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