Träge Strukturen bremsen dynamische Solarbranche aus

Seit 2022 trägt Wirtschaftsjuniorin Luca Schleicher Prokura und Verantwortung für das Familienunternehmen KSE Energietechnik GmbH in zweiter Generation. Im Interview gewährt sie mit ihrem Vater Einblicke, wie zeitraubende Bürokratie und fehlende Planungssicherheit die Solarbranche und somit auch die Energiewende ausbremsen. Dabei könnte es so viel einfacher laufen.

Das Unternehmen KSE Energietechnik ist führender Spezialist für Photovoltaik, Speichersysteme und Elektromobilität in Osthessen mit Sitz in Eichenzell. Der Geschäftsführer Klaus Schleicher gründete das Unternehmen im Jahr 2004, weil er an der Umsetzung der Energiewende konkret mitwirken wollte. Seine Tochter Luca soll das Geschäft einmal fortführen, wenn er in den Ruhestand geht. Damit die Unternehmensnachfolge geordnet abläuft, haben sie gemeinsam einen 10-Jahres-Plan für die Unternehmensnachfolge erarbeitet. Jetzt, im sechsten Jahr, sitzen sie für das Interview nebeneinander. Schnell zeigt sich, dass sich dieses Vater-Tochter-Duo gegenseitig Raum lässt, um von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erzählen. Neben der Begeisterung für die eigene Branche verbindet sie der Wunsch nach pragmatischen Regelungen und weniger Abhängigkeiten von politischen Entscheidungen.

Ein permanentes Auf und Ab der Solarbranche
Wendepunkte gab es aufgrund externer Rahmenbedingungen in der 21-jährigen Firmengeschichte viele: In die Zeit der Gründung fiel die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das Photovoltaik in den Fokus rückte. KSE konnte die steigende Nachfrage bedienen und verzeichnete in den Anfangsjahren ein lineares Wachstum. Mit dem Reaktorunfall in Fukushima 2010, so erzählt es der Geschäftsführer, explodierte die Nachfrage. Doch der Boom hielt nur anderthalb Jahre an. „Die neue konservative, liberale Bundesregierung hat die Photovoltaik als nicht zukunftsfähig angesehen und sie praktisch komplett gestrichen.“ Der weltweite Exportschlager war nicht mehr attraktiv, das Geschäft von KSE erlebte auch hierzulande einen Totaleinbruch, Mitarbeitende wurden entlassen. Die Talsohle konnte KSE mit viel Durchhaltevermögen durchwandern. Als Russland 2020 die Ukraine angriff, boomte die Nachfrage nach erneuerbaren Energien erneut. Und heute? „Die Ampel wurde von der Opposition kaputtgeredet, Stichwort Heizungsgesetz. Aber für unsere Branche kann ich sagen, dass sie in den drei Jahren die Prozesse so beschleunigt und vorangebracht hat, wie keine Regierung zuvor“, so Schleichers Fazit. Kritisch fügt er hinzu, dass die neue schwarz-rote Regierung viele Vorhaben der Ampel unter neuem Wording fortführt. Gesetzesänderungen im Halbjahrestakt erschweren zudem langfristige Planungen der Kund:innen. „Wir betreuen Projekte mit einer Laufzeit über einem Jahr. Bei immer wieder neuen Gesetzen kann man sich vorstellen, wie schwierig es für sie ist, Investitionsentscheidungen zu treffen“, berichtet Luca.

800 Netzbetreiber – 800 Einzelregelungen
Beim Thema Prozesse hört man einen tiefen Seufzer bei Wirtschaftsjuniorin Luca, bevor sie erklärt: „Die Solarbranche ist eine der dynamischsten. Leider wird sie im Alltag oft durch träge Strukturen, Regeln, Zuständigkeiten und Formulare ausgebremst.“ Luca schildert, wie das Unternehmen in der Praxis gegen Reibungsverluste ankämpft. In Deutschland gibt es nahezu 800 Netzbetreiber und ebenso viele Varianten technischer Anschlussbedingungen. Was einheitlich sein könnte, wird immer wieder lokal neu interpretiert: unterschiedliche Portale, unterschiedliche Formulare, bis vor Kurzem teils noch Papierwege. „Ein konkretes Beispiel: Obwohl Einheitenzerti fikate zentral abrufbar sind, müssen wir sie jeder Anmeldung erneut beilegen. Das ist Leerlaufzeit für uns“, sagt sie. Für eine kleine Anlage veranschlagt sie rund eine halbe Stunde Anmeldung – trivial klingend, aber im Tagesgeschäft ein Kostenfaktor, der sich summiert. Ihr Vater bestätigt die Stoßrichtung: „Rund 20 Prozent des gesamten bürokratischen Aufwands sind locker überflüssig.“ Eine Einschätzung aus Erfahrung. Im Unternehmen erleben sie täglich, wie solche Details Projekte strecken. Bei mittelspannungsnahen Anlagen wird zusätzlich ein Anlagenzertifikat fällig; die Prüfung liegt bei Luca, die als verantwortliche Elektrofachkraft eingetragen ist. In der Dreiländerregion Hessen–Thüringen–Bayern arbeitet ihr Team regelmäßig mit acht verschiedenen Netzbetreibern und jeder tickt anders. Nicht das Bundesland sei entscheidend, sagt man im Betrieb, sondern Größe und Struktur des jeweiligen Netzbetreibers: vom schwer erreichbaren Großkonzern bis zum überforderten kleinen Stadtwerk ohne die notwendige Expertise. Aber es gibt sie auch, die guten Beispiele. Luca ist Fan von ihrem Netzbetreiber vor Ort und wünscht sich, dass andere sich dort etwas abschauen. Im weiteren Gespräch bringt Nachfolgerin Luca weitere Beispiele ein, die die Hürden ihrer Branche aufzeigen. So ist ein Carport mit Photovoltaik auf großen Parkplätzen in Hessen längst vorgeschrieben, doch zwischen Bauordnung, Denkmalschutz und Naturschutz verharren gute Ideen im Genehmigungs- Nirwana. Bis eine Entscheidung gefallen ist, vergeht deutlich zu viel Zeit, was unter Wirtschafts- und Nachhaltigkeitsaspekten ärgerlich ist.

Wir brauchen Fachkräfte für die Energiewende
KSE hat sich diesen Herausforderungen über die Jahre immer wieder gestellt, Prozesse standardisiert und Qualifikationen gezielt aufgebaut. Heute beschäftigt das osthessische Unternehmen konstant rund 60 Mitarbeitende. Gute Fachkräfte auch in Zukunft zu bekommen und zu halten, ist für Luca ein zentrales Anliegen. „Es geht kein Modul mit einer Drohne aufs Dach. Und die Anträge füllen sich auch noch nicht von allein aus“, sagt Luca trocken. Die Branche bringt grundsätzlich eine gewisse Attraktivität für die junge Generation mit, weil es um Zukunft geht. Das ist ein Pluspunkt. „Leider sind unsere Aufgaben für den Ausbildungsberuf Elektriker:in nicht breitgefächert genug, weshalb wir immer weniger Auszubildende im Unternehmen haben. Andererseits finden dual Studierende mit dem Spezialgebiet erneuerbare Energien beste Voraussetzungen bei uns, weil wir wiederum das gesamte Spektrum abbilden.“ Luca und ihr Vater hoffen, dass die Politik die Bedeutung der erneuerbaren Energien erkennt und ein Umdenken einsetzt. Sie sehen beide ansonsten eine Gefahr darin, dass mit weniger Nachfrage die Kompetenzen zurückgehen. „Die Energiewende wird definitiv kommen. Die Produktion ist bereits zu 100 Prozent nach Asien abgewandert. Wir brauchen auch gut ausgebildete Fachkräfte in Deutschland“, so der KSE-Gründer.

Schlankere Prozesse, mehr Einheitlichkeit
„Was kostet Zukunft?“ zeigt sich in der Solarbranche nicht nur in Euro. Träge Prozesse und sich ständig ändernde Vorgaben kosten auch Tempo, Planungssicherheit und Wirkung. Auf den Dächern, wo Lucas‘ Team unterwegs ist, ließe sich viel schneller Wirkung entfalten, wenn Prozesse schlanker und Vorgaben bundesweit einheitlicher wären. Trotzdem denkt Luca nach vorn. Sie hält an der Attraktivität ihrer Branche fest, bildet aus, setzt auf optimierte interne Prozesse und klare Zuständigkeiten. Und sie formuliert einen einfachen Wunsch: weniger Doppelarbeit, ein Portal statt vieler, Regeln, die überall gleich gelesen werden. „Ich hoffe, dass die Photovoltaik für die junge Generation attraktiv bleibt – sie ist die Zukunft.“

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