Was Fachkräfte wollen

In unserer Reihe „Jetzt mal konkret!“ geben Expertinnen und Experten aus den IHKs praktische Einblicke zu aktuellen Themen. Diesmal: Wie werde ich als Unternehmen attraktiv für Fachkräfte?

von Marco Woldt

„Wir sind ein Familienunternehmen. Meine Beschäftigten sollen den Kopf frei haben, um ihre Arbeit gut und erfolgreich zu bewältigen. Ich möchte nicht, dass sie morgens angehetzt kommen, weil die Arbeitszeit um Punkt sieben Uhr beginnt – die Kita oder die Tagespflege aber offiziell auch erst um sieben öffnet.“ Knut Wetzig, Inhaber der Textil-Service Mecklenburg und Familienvater, weiß wovon er spricht. Beim Audit zum familienfreundlichen Unternehmen der Wirtschaftsförderung Ludwigslust-Parchim gibt er einen detaillierten Einblick in die Maßnahmen, die er in seinem Unternehmen umsetzt. Mit am Tisch sitzen Mitarbeitende, die ihm beipflichten. Für die IHK zu Schwerin bin ich als Jurymitglied vertreten. Bei diesem mehrstündigen Audit halte ich mich jedoch neutral zurück, denn Knut ist auch ein langjähriges Mitglied unser Schweriner Junioren. Familiengeführte Unternehmen sind meiner Erfahrung nach häufig näher an ihren Mitarbeitenden dran. Sie stehen im persönlichen Austausch und wissen daher um die Bedarfe und Sorgen ihrer Beschäftigten. Sie sind sich bewusst, dass es nicht nur um Kinderbetreuung und „Muttischichten“ geht. Damit haben diese engagierten Unternehmen einen ersten Vorteil, im hart umkämpften Wettbewerb um Arbeitskräfte.

Aufgrund geburtenschwächerer Jahrgänge kommen nicht so viele Arbeitskräfte nach, wie benötigt werden.

Fachkräfte sind knapp – und werden immer knapper

Denn 730.000 Erwerbstätige verlassen in den kommenden zehn Jahren jedes Jahr den deutschen Arbeitsmarkt. Das entspricht der Einwohnerzahl der hessischen Metropole Frankfurt am Main. Aufgrund geburtenschwächerer Jahrgänge kommen nicht so viele Arbeitskräfte nach, wie benötigt werden. Laut Bundesagentur für Arbeit müssten jedes Jahr mindestens 400.000 Personen einwandern. Diesen Wert erreichte Deutschland selbst im Jahr 2019 nicht, als der Saldo etwas über 300.000 lag. Der Druck auf den Kessel nimmt also stetig zu. Eine familienorientierte Unternehmenskultur ist ein langfristig wirkendes Instrument und kann ein schlagkräftiges Argument für die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften sein. Auffällig ist, dass Unternehmen gleicher Branche und Größe zu vollkommen unterschiedlichen Lösungen kommen. Das gilt für Bürotätigkeiten genauso wie für Produktionsbetriebe. So kenne ich ein verarbeitendes Unternehmen, dass in Abstimmung mit der gesamten Belegschaft eine Elternschicht eingeführt hat, die sich an den Öffnungszeiten der lokalen Kita orientiert. Ein weiteres Unternehmen hat dieselbe Herausforderung mit einer App für den Schichtwechsel gelöst. Das zeigt wie vielfältig die individuellen Bedürfnisse sind und dementsprechend die Maßnahmen sein müssen.

Wie geht eine familienorientierte Unternehmenskultur?

Allen Unternehmen mit einer erfolgreichen familienorientierten Unternehmenskultur sind ein paar Aspekte gemein. Sie erkennen an, dass es vielfältige, individuelle Lebensentwürfe und Familientypen gibt. Sie fördern bewusst eine vertrauensvolle Kommunikation und unterscheiden nicht bei den Maßnahmen nach dem Geschlecht. Zudem sind sie bereit, sich stetig weiterzuentwickeln. Um seine eigene familienorientiere Unternehmenskultur voranzubringen oder zu starten, bietet es sich an, drei wesentliche Schritte zu berücksichtigen:

1. Komm mit Deinen Mitarbeitenden in den Austausch. Das sollte sowohl über ein persönliches Gespräch, als auch über eine anonyme Umfrage geschehen. Das schafft Vertrauen.

2. Binde Deine Belegschaft aktiv ein bei der Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen. Das schafft Akzeptanz.

3. Überprüfe zusammen mit Deinen Mitarbeitenden die Maßnahmen regelmäßig auf ihre Effektivität und die Bedarfe hin. Entwickle sie weiter oder stelle sie gegebenenfalls ein. Das schafft Wertschätzung.

Die betriebswirtschaftlichen Vorteile lassen sich sogar messen. So haben Unternehmen mit einer konsequenten familienorientierten Unternehmenskultur nachweislich eine geringere Fluktuation und einen niedrigeren Krankheitsstand. Spürbare Auswirkungen im Arbeitsalltag sind, dass die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigt, sie sich stärker an das Unternehmen gebunden fühlen und ihre positive Einstellung nach außen tragen. Die eigene Arbeitgebermarke wird davon profitieren. Und keine Angst: Die Maßnahmen, die uns im Audit zum Familiensiegel begegnen, sind vielfach einfach umzusetzen. Sie kosten häufig wenig. Einen Überblick bietet das IHK-Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“. Deine regionale IHK berät Dich ebenfalls. Beim Audit stellen wir zum Abschluss gern eine Frage, die sich an Mitarbeitende und Geschäftsführung gleichermaßen richtet: „Stell dir vor, dein bester Freund oder deine beste Freundin fragt dich: Warum sollte ich gerade bei deinem Unternehmen arbeiten?“

Marco Woldt ist Referent Volkswirtschaft bei der IHK zu Schwerin und berät auch zur Vereinbarkeit von Privat- und Erwerbsleben. Außerdem ist der der Geschäftsführer der Schweriner Wirtschaftsjunioren.

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