Gesichter der jungen Wirtschaft: Oke Harms
Wachsendes Weltmeister-Business
Tief im Westen, da wo Berlin nicht hip ist, aber mal etwas auf sich hielt, hat Oke Harms seinen Showroom. Warum genau hier, in der Passage Metropole, zwischen Nagelstudio und Blumenladen? „Ich wohne hier um die Ecke. Und die Miete ist sehr günstig. Außerdem ist es super zentral! Ich meine, da vorne ist gleich der Ku’damm!“ Und schon ist das Gespräch bei der Lokalpolitik gelandet, beim Bahnhof Zoo und dessen ICE-Anschluss und wie sich die Gegend entwickelt hat in den letzten Jahren. Müsste man Oke in drei Wörtern beschreiben, wären das vielleicht diese: pragmatisch, politisch, ehrgeizig.
Der Showroom ist gleichzeitig das Büro, in dem zwei Mitarbeiter während des Gesprächs fleißig arbeiten. Vorne stehen die Tischkicker aufgebaut, verschiedene Designs, verschiedene Preisklassen. Auch eine hauseigene Produktlinie gibt es. Das Geschäftskonzept von Kickerkult ist E-Commerce, deswegen ist der Showroom auch kein Laden, sondern eher ein Ort der Beratung, des Gesprächs. „Bevor die Leute mehrere Hundert oder sogar Tausend Euro für einen Kicker ausgeben, möchten sie den Tisch oft gerne sehen oder mal ausprobieren – kann man auch verstehen“, sagt Oke. Gratis dazu bekommen sie ein Beratungsgespräch vom Weltmeister.
Sowieso: Der Showroom ist auch ein Ausstellungsort unzähliger Medaillen und Pokale. Und außen am Schaufenster klebt ein Bild von Oke selbst, überlebensgroß. Ist das nicht komisch, jeden Morgen an so einem Bild von sich selbst vorbeizulaufen? „Total. Ich wollte das auch eigentlich nie. Anfangs war im Online-Shop auch gar nicht die Rede von mir. Im Impressum stand mein Name, aber das war’s auch schon.“ Um das Jahr 2014 herum lernt Oke den Chef einer Firma kennen, die eine Software für Onlineshops baut und verkauft. Oke erzählt ihm von seinem Hintergrund, Deutscher Meister, Weltmeister. Total spannend, sagt der Softwaremensch, aber warum sieht man das deinem Onlineshop nicht an?
Aus dem Hintergrund
„Wir haben ein komplettes Shop-Redesign gemacht, quasi komplett umgekrempelt und sozusagen bei Null angefangen“, erzählt Oke. Von jetzt an ist alles auf ihn zugeschnitten: Kicker kaufen beim Weltmeister. Und tatsächlich kommt das Konzept gut an. Dabei ist die Idee für den Tischkicker-Onlineshop gar nicht von Oke selbst gewesen. Er hat sie von Freunden übernommen. „Das war 2008, als Freunde diese Idee hatten. Die haben dann sogar ein Logo entwickelt, aber eigentlich gar kein Interesse, wirklich diesen Shop umzusetzen. Also haben sie mich gefragt und ich bin eingestiegen.“ Eingestiegen bedeutet in dem Fall: Er führt das Unternehmen allein. Die beiden Ideengeber waren nie operativ tätig.
…ins Rampenlicht
Gelernt hat Oke in einer Bank. Seine Familie kommt aus Friesland, seine Urgroßeltern und Großeltern hatten dort eine Gärtnerei und ein Blumenhaus, seine Mutter einen Blumenladen mit Gärtnerei. Was es bedeutet, selbstständig zu sein, erfährt Oke von klein auf. Besonders attraktiv findet er das als Kind nicht. Also entscheidet er sich nach dem Schulabschluss für die Ausbildung in der Bank. Abends trifft er sich mit Freunden, sie gehen oft kickern in einer Kneipe. Eines Abends treffen sie dort zufällig auf eine Ligamannschaft, die dort trainiert. Einer der Spieler attestiert
Oke einen guten Blick, lädt ihn zum Training ein. Der zögert zunächst, doch dann traut er sich. Ein Glück!
Mit 20 beginnt er zu kickern, mit 21 spielt Oke sein erstes Turnier. Tischfußball ist ein Einzel-, Doppel und Teamsport. Es ist ein von Taktik geprägtes Spiel, das meiste, sagt Oke, geschieht im Kopf. „Ein bisschen wie beim Speed-Schach“. Die Spieler werden besser, je mehr Erfahrung sie haben und je weniger sie sich von Psychospielchen aus dem Tritt bringen lassen. „Manche machen richtig Trash-Talk zwischen den Bällen“, erzählt Oke, „aber während des Spiels ist es immer ruhig. Nichtsdestotrotz steht man sehr nah zusammen und bekommt zum Beispiel die Freude des Gegners über einen Punktgewinn direkt ins Gesicht gebrüllt.“ In der Bundesliga spielt Oke heute bei Hannover 96, einer Mannschaft mit Champions-League-Qualität. Und das, obwohl Oke mit 22 nach Berlin gezogen ist und hier sogar eine Tischfußballmannschaft gegründet hat: die Bears Berlin. Die kamen aber nie übers Mittelfeld hinaus. Dafür lief es für ihn auf internationalem Parkett umso besser. Seine größten Erfolge: 2012 wird er Vizeweltmeister, 2014 Weltmeister und 2016 Europameister mit der
Nationalmannschaft.
Als Star sieht er sich deshalb nicht. Er tut sich schwer mit Selfies, mit Instagram und Influencern. Personenkult ist ihm fremd. Und doch sind seine Erfolge überall im Showroom präsent. Neben der Theke, an der die Beratungsgespräche bei einer kalten Limo geführt werden, liegen zwischen verschiedenen Flyern auch Autogrammkarten von ihm im Hannover 96-Trikot aus. Darüber an der Wand jedoch hängt etwas, das
Oke sehr viel wichtiger ist und auf das er nicht ohne Stolz hinweist: Eine Urkunde, die ihn als „Wachstumschampion 2022“ ausweist. Focus und Statista haben Okes Unternehmen als eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der Kategorie Einzelhandel im Zeitraum 2017 bis 2020 ausgezeichnet. „Die kam tatsächlich gerade erst an“, freut sich Oke.
Erfolgreich Erfahrung teilen
Für ihn und Kickerkult hätte es in der Tat schlechter laufen können in den letzten Jahren. Rund 10.000 Produkte sind derzeit im Shop, davon rund die Hälfte Tischkicker und Zubehör. Die anderen 5.000 Produkte sind ein buntes Potpourri aus dem Freizeitsport- und Vergnügungsbereich: Billard, Tischtennis, Dart, Fußballtore. Sogar die Pandemie und der Lockdown haben sein Geschäft eher beflügelt, denn viele Leute haben in einen Kickertisch investiert, um sich die Zeit zu Hause zu vertreiben. Oder in einen Frame Pool: Die riesigen Plansch- und Schwimmbecken für den heimischen Garten wurden ihm im Sommer geradezu aus den Händen gerissen.
Sein Unternehmen und der Tischfußball füllen Okes Leben zeitlich schon ziemlich gut aus. Mittlerweile fährt er nicht mehr zu jedem Turnier und er spielt nicht mehr in der Berliner Landesliga, sodass er sich eine neue Freizeitbeschäftigung suchen konnte: Als Business Angel investiert Oke nun in aufstrebende junge Unternehmen. Ihn faszinieren gute Ideen, vor allem, wenn sie mit Technologie und künstlicher Intelligenz zu tun haben. „Business Angel zu sein ist etwas, bei dem ich Gründerinnen und Gründern weiterhelfen kann“, erzählt Oke. „Das sind sehr junge Unternehmer, die zwar technisch richtig gut drauf sind, die aber nicht wissen, wie sie das Unternehmen aufbauen sollen. Wie entwickle ich das? Welche Strategie? Worauf muss ich achten im Marketing? Die haben ja die Fehler noch nicht gemacht, die ich alle gemacht und aus denen ich gelernt habe. Diese Erfahrung ist das, was ich dazugeben kann. Dadurch ist man Teil der Entwicklung. Und das macht echt Spaß, auch wenn es Zeit kostet.“
Auch bei den Wirtschaftsjunioren verbringt Oke gerne Zeit. Er mag die Ressortarbeit und interessiert sich politisch. Vor der Bundestagswahl hatten die WJ Berlin einige Spitzenpolitiker eingeladen, unter anderem Sebastian Czaja von der FDP. „Das war wirklich cool. Wir waren 15 Leute und konnten einfach mal direkt ins Gespräch gehen. Und dann fragt der Politiker auch: ‚Ja, was ist denn aktuell das Problem?‘ Und dann sage ich: ‚Da kann ich einige nennen!‘ Das ist eine Sache, die ich wirklich gut finde: Dass wir Wirtschaftsjunioren uns hinstellen und sagen: Hier sind wir, wir sind Unternehmer, wir haben Angestellte und jetzt sagen wir mal, was uns nervt.“
Oke Harms denkt sich gerne in Dinge rein. Und argumentiert dann leidenschaftlich. Unsinnige bürokratische Vorgänge machen ihn wahnsinnig. Und er führt sein Unternehmen Schritt für Schritt zu weiteren Erfolgen. Das ist der Eindruck, der bleibt: Hier, in dieser zentralen und doch irgendwie vergessen wirkenden Ecke West-Berlins, steht jemand in seinem Showroom, von man sicherlich noch hören wird.
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