New Work – Aber wie?

Die Anzahl an Unternehmen, die moderne Führungs- und Beteiligungsstrukturen etablieren, steigt. Sollen Strukturen wie New Work oder agile Arbeit in einem Unternehmen eingeführt werden, sind auch rechtliche Hindernisse zu überwinden.

„New Work“ stellt Unternehmen vor viele neue rechtliche Herausforderungen. So agil das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen auf der einen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der anderen Seite ist, so flexibel müssen Arbeitszeit und Zeiterfassung sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH vom 14.05.2019 – C-55/18) hat die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit effektiv gemessen werden kann. Nun herrscht allgemein große Ungewissheit, was dies für die Unternehmen bedeutet und wie sie dieser Dokumentationspflicht nachkommen sollen.

Dokumentationspflicht gibt es schon

Seit der Einführung des Mindestlohngesetzes zum 01.01.2015 waren bereits große Teile der Wirtschaft verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Unternehmen haben Arbeitszeit genau von Pausen- und Ruhezeit abzugrenzen. Das Urteil des EuGH bedeutet nicht das Ende der flexiblen Arbeitszeiten. Bereits zuvor war die flexible Arbeitszeit nur bedingt mit dem Arbeitszeitgesetz und der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar. Diese können arbeitsvertraglich durch die Einführung von sogenannten Arbeitszeitkonten gestaltet werden.

Flexible Arbeitszeit ist möglich

Viele Unternehmen nutzen Arbeitszeitkonten bereits seit längerem, um schwankenden Bedürfnissen, beispielsweise bei saisonal bedingter höherer Auftragslage, besser begegnen zu können. Zu beachten ist dabei, dass die Führung eines Arbeitszeitkontos bei verstetigtem Arbeitseinkommen, sprich einem Fixum pro Monat, schriftlich fixiert sein muss. Aber auch bei der flexiblen Arbeitszeit müssen die Pausen-, Ruhe- und Höchstarbeitszeiten eingehalten werden. Wenn nun am Abend noch ein Telefonat geführt oder E-Mails gelesen oder versendet werden, kann dies zur Unterschreitung der gesetzlich festgelegten Ruhezeiten von durchgehenden 11 Stunden führen. Im Übrigen ist auch diese Arbeit zu erfassen. 

Vertrauen entbindet nicht von der Aufzeichnungspflicht

Der größte Streitpunkt nach dem EuGH Urteil ist aber die Vertrauensarbeitszeit. Bereits zuvor stand fest, dass die Vertrauensarbeitszeit nicht von der Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit entbindet. Unternehmen konnten die Zeiterfassung bislang den Arbeitnehmern übertragen, blieben aber dafür verantwortlich. Zudem fehlen derzeit auch Zeiterfassungssysteme, die sich nicht umgehen lassen. Der Gesetzgeber muss jetzt handeln und Klarheit für die Unternehmen einen rechtssicheren Zustand beim Arbeitszeitgesetz und der Zeiterfassung schaffen. Hierzu muss er insbesondere ausgestalten, wie eine zuverlässige Zeiterfassung unter Berücksichtigung von Pausen-, Ruhe- und Höchstarbeitszeiten in einer agilen Arbeitswelt aussehen kann.

Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen

Die Vereinbarung der Vertrauensarbeitszeit ist eine Möglichkeit und bedeutet den gegenseitigen Verzicht auf Zeiterfassung. Diese kann durch Rahmenregelungen flankiert sein, wie beispielsweise die Vorgabe von Zeitkorridoren, innerhalb derer zu arbeiten ist. Der Arbeitgeber sollte dann aber die Arbeit im Rahmen seines Direktionsrechts über Zielvorgaben, Zielvereinbarungen oder Projektaufgaben steuern. Die Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit kann bislang händisch in einer Tabelle oder einem Kalender erfolgen oder auch eine Excel-Tabelle verwendet werden. Die Pflicht kann das Unternehmen auch an den Arbeitnehmer übertragen, so dass dieser eigenverantwortlich die Aufzeichnungen führt. Wer eine elektronische Zeiterfassung für die Lohnabrechnung und die Buchhaltung generell nutzen möchte, hat darauf zu achten, dass diese insbesondere den datenschutzrechtlichen Bestimmungen entspricht.

© Stephanie von Becker

Arno Herder führt eine Rechtsanwaltskanzlei für Arbeits-, Wirtschafts- und Insolvenzrecht in Lüneburg und ist General Legal Council im Bundesvorstand 2020.