Energiewende Made in Germany

Die Klimakrise ist eine existenzielle Gefahr für unseren Planeten. Als Experte für nachhaltige Energieversorgung wirbt Volker Quaschning in der Öffentlichkeit für entschlossenes Handeln. Wir haben mit dem Professor der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin darüber gesprochen, wie die Transformation in Deutschland gelingen kann.

Interview von Jan Schafft

Herr Quaschning, Sie sind Mitbegründer der Scientists for Future-Bewegung. Wie kam es dazu?

Die Wissenschaft warnt bekannterweise seit Jahrzehnten vor der Klimakrise, aber getan hat sich wenig. Als dann vor einigen Jahren die Fridays for Future-Bewegung begann, auf die Straße zu gehen, haben Teile der Politik und der Springerpresse versucht, die jungen Menschen zu diskreditieren: „Ihr schwänzt doch nur die Schule, das ist alles nicht so schlimm.“ In der Wissenschaft hat das für großen Unmut gesorgt. Daher haben sich viele von uns zusammengetan und der jungen Generation den Rücken gestärkt. Beim Thema Klimawandel sehen wir viel Desinformation und Falschnachrichten im Internet, selbst bei professionellen Medien. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, dem durch Fakten entgegenzustehen und das zu widerlegen.

Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Wir werden in Deutschland den Klimaschutz nur hinbekommen, wenn wir parteiübergreifend einen Konsens erreichen. Wir brauchen derart disruptive Veränderungen, dass sie nicht eine einzelne Partei durchsetzen kann. Aber wenn ich mir die Klimapolitik anschaue, dann kommt mir leider das Gruseln. Ich denke es wäre wichtig, dass die Wirtschaft von der Politik klare Rahmenbedingungen für die Klimaneutralität einfordert. Der Einfluss von Unternehmen auf die Politik ist nicht zu unterschätzen. Die Politik darf nicht mehr damit durchkommen, keine Antworten zu haben.

Sie selbst sind Professor für regenerative Energiesysteme. Wo steht denn der Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich?

Deutschland war einmal Weltmarktführer bei der Solarenergie. Dann hat die letzte Bundesregierung die Lust an der Energiewende verloren und wir haben die Technologie an China abgegeben. Über 90 Prozent der Solartechnik kommt inzwischen aus Asien, wir haben den Anschluss verloren. Das Gleiche hat sich bei der Windenergie wiederholt. Aber das Know-how ist immer noch da: Deutschland hat international gut aufgestellte Unternehmen und die größte Erfahrung beim Ausbau der Solar- und Windenergie. Wenn wir jetzt durchstarten mit der Energiewende, gibt es vielleicht bald wieder mehr Made in Germany.

Die Energiewende kann also auch Vorteile mit sich bringen?

© Jakob Schäuffelen

Ja, auf jeden Fall. Ich sehe den schnellen Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland sehr positiv, weil wir damit Vorreiter werden. Wir können heute innovative Lösungen entwickeln, die morgen die ganze Welt braucht. Nur ein Beispiel: Man wird in Zukunft einerseits enorme Überschüsse an Solarstrom haben und andererseits große Lücken. Alle warnen immer vor der Dunkelflaute (Anm. d. Red.: das gleichzeitige Auftreten von Dunkelheit und Windflaute). Ich sage dazu: Super, die Dunkelflaute! Da können wir endlich mal mit deutschem Ingenieurwissen Lösungen entwickeln, die sich später überall in der Welt verkaufen lassen. Das muss man doch als Chance sehen und nicht als Bedrohung.

Welches Potenzial steckt für deutsche Unternehmen dabei im internationalen Markt?

Wir wissen, dass die Solartechnik die preiswerteste Art der Energieversorgung ist. Wir wissen auch, dass wir momentan weltweit bei etwa 4 Prozent Solarstrom sind. Mit unseren Prognosen gehen wir davon aus, dass wir in 30 Jahren eher bei 70 Prozent sind. Das sind gigantische Wachstumsraten. China hat das verstanden und sich als Weltmarktführer bei der Solartechnik positioniert. Aber das Wachstum in der Solarbranche und anderen Bereichen der Energiewende ist so groß, dass es noch viel Raum für andere Player gibt. Wir haben in Deutschland früh angefangen mit den erneuerbaren Energien, was erstmal ein Wettbewerbsvorteil ist. Aber den muss man jetzt ausspielen, denn andere ziehen schnell nach. In zehn Jahren braucht man damit nicht mehr anzufangen.

Als junge Generation stehen unsere Mitglieder noch für viele Jahrzehnte an der Spitze ihrer Unternehmen. Was raten Sie ihnen?

Wenn im Fuhrpark nur Benziner und Dieselautos stehen, dann ist das sicher nicht zukunftsfähig. Aber es gilt auch, die Energieversorgung umzubauen. Dafür braucht es Investitionen. Wir haben mit unserer Hochschule Konzepte für Unternehmen zu erneuerbaren Energien entwickelt, bei denen am Ende der Controller kam und sagte: „Acht Jahre Amortisationszeit? Nö, das ist uns zu lange.“ In der Energiekrise gab es dafür die Quittung.Ich glaube, wir müssen die Bewertungskriterien für Energiesysteme verändern. Ja, die Amortisationszeit der Erneuerbaren ist vielleicht ein bisschen länger. Aber es ist ja nicht so, dass man mit ihnen Verluste macht. Sie rechnen sich und geben Preisstabilität.

Auch das Potenzial neuer Speichertechnologien ist riesig. Wenn ich zum Beispiel einen Fuhrpark habe, dann sind da massig an Autobatterien verbaut. Mit dem richtigen System kann man überschüssige Kapazitäten aus dem Fuhrpark als Batterie verwenden. Oder nehmen wir thermische Anwendungen: Da gibt es oft Prozesse, die nicht rund um die Uhr laufen müssen. Da kann ich durch smartes Energiemanagement den Verbrauch reduzieren und die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Natürlich lassen sich auch noch weitere Batteriespeicher anbauen. Meinen eigenen Solarstrom kann ich dann zwischenspeichern und verkaufen, wenn die Preise relativ hoch sind. Es ergeben sich ganz neue Geschäftsmöglichkeiten.

Gibt es bestimmte Unternehmen, deren Lösungsideen Sie besonders beeindruckt haben?

Da gab es zum Beispiel eine Bäckerei, die auf Solarenergie umgestellt hat. In der Branche herrschen eigentlich nicht die besten Voraussetzungen dafür: Man backt normalerweise, wenn die Sonne noch nicht scheint. Diese Bäckerei hat dann aber kurzerhand ihre Produktionsprozesse an den Solarenergie-Zyklus angepasst und in den Tag verschoben. Das hat sogar dazu geführt, dass sie nebenbei ein zweites Problem gelöst haben: den Fachkräftemangel. Denn für das Personal ist es wesentlich attraktiver um sieben Uhr aufzustehen als nachts um drei.

Blickt die junge Generation in der Wirtschaft anders auf diese Transformationsprozesse?

Ich glaube, junge Menschen haben tendenziell einfach mehr Offenheit gegenüber Veränderung. Die ältere Generation ist mit dem bestehenden System aufgewachsen. Sich eine neue Welt auszumalen, fällt ihr oft schwerer. Deshalb baue ich darauf, dass auch in der Wirtschaft Impulse von der jungen Generation kommen.

Vielen Dank, Herr Quaschning!