Stresstest für „Made in Germany“

Das Label „Made in Germany“ wandelte sich nach seiner Einführung vom Warnhinweis zum weltweiten Gütesiegel. Droht nun die Rolle rückwärts, weil der Wirtschaftsstandort Deutschland zunehmend für hohe Energiekosten, zu viel Bürokratie und schwindende Wettbewerbsfähigkeit steht? Wie nehmen Verbraucher:innen das Siegel heute wahr? Antworten liefert eine neue Studie, die das Image von „Made in Germany“ in internationalen B2C-Konsummärkten untersuchte – und sie gibt Unternehmen konkrete Impulse, um es zukunftsfähig zu machen.

© Serviceplan

Minderwertige Produkte aus dem Ausland überschwemmen den Markt. Eine Regierung, die mit einem neuen Herkunfts-Siegel die eigene Bevölkerung vor billigen und schlechten Plagiaten aus dem Ausland schützen möchte. Was wie eine aktuelle Strategie gegen die Warenflut chinesischer Onlinehändler klingt, ist in Wirklichkeit die Geburtsstunde von „Made in Germany“. Am 23. August 1887 beschloss das britische Parlament den „Merchandise Marks Act“, der für alle Importe aus Deutschland die Kennzeichnung „Made in Germany“ vorschrieb – als eine Art Warnhinweis. Die Exportnation Großbritannien entschied sich bewusst gegen Strafzölle, um weiterhin von den wenigen Zollbeschränkungen zu profitieren und für Importe offen zu bleiben.

Doch der Plan scheiterte. Deutsche Unternehmen erkannten in der neuen Verordnung eine Chance und verbesserten ihre Produkte und die Qualität stetig. Schon wenige Jahrzehnte später wandelte sich „Made in Germany“ vom abschreckenden Stempel zum Symbol für Ingenieurskunst, Qualität und Verlässlichkeit. Bis heute ist beispielsweise Maschinenbau und Elektrotechnik aus Deutschland weltweit gefragt.

Das Image wackelt – oder nicht?
Deutsche Unternehmen beklagen zunehmend hohe Energiekosten, die vielen Regulierungen und den massiven Fachkräftemangel im eigenen Land. Immer mehr Produktionsstätten werden ins Ausland verlagert, und erste Unternehmen distanzieren sich aktiv vom Label „Made in Germany“, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden. Bereits im Oktober 2023 berichtete das Manager Magazin: „Hersteller und Foren werben seit einiger Zeit damit, dass ihre Produkte ´German free` sind, also keinerlei Bauteile aus Deutschland enthalten. Das gilt insbesondere für die Sicherheits- und Verteidigungstechnologie“. Die Sorge lautete damals, dass sich dieser Trend auch auf andere Branchen und den Mittelstand ausweiten könnte. Wie blicken die Verbraucher:innen heute auf Produkte aus Deutschland? Eine aktuelle Studie von STURMundDRANG, Serviceplan und dem MEISTERKREIS liefert überraschende Erkenntnisse: International hat sich das gefühlte Image von „Made in Germany“ in den letzten Jahren sogar verbessert, es gilt nach wie vor als der stärkste Kauftreiber unter allen aktuell ausgelobten und abgefragten deutschen Claims. Nur in Deutschland sind eine Imageverschlechterung und ein Unbehagen mit der eigenen ökonomischen Identität festzustellen. Jedoch wird „Made in Germany“ international als wenig progressiv oder digital fortschrittlich wahrgenommen und hat hier klare Defizite. Daher bestehe Handlungsbedarf, um sich gegenüber der starken lokalen Konkurrenz in den zentralen internationalen Märkten auch künftig behaupten zu können.

Vom Technik- zum Fortschrittssiegel
Eine weitere Herausforderung für deutsche Unternehmen ist die veränderte Erwartungshaltung der Konsument:innen. Sie blicken ganz anders als vorherige Generationen auf Marken und ihre Herkunft. Technische Perfektion allein reicht nicht mehr aus, sie erwarten ganzheitliche Lösungen, die Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Innovationskraft vereinen. Wer heute auf dem Weltmarkt bestehen will, muss mehr bieten als nur das beste Produkt, so die Studienverantwortlichen. Sie empfehlen deutschen Marken, die eigenen Kernkompetenzen zu erweitern und sich erneuerbarer, wissenschaftlicher, kultureller und kollaborativer aufzustellen.

Fazit
Das Label „Made in Germany“ steht an einem Wendepunkt. Entweder bleibt es ein reines Herkunftssiegel und verliert an Bedeutung, oder es entwickelt sich zu einem Symbol für zukunftsweisenden Fortschritt – indem deutsche Marken technologischen Fortschritt auch zu einem menschlichen machen.

Über die Studie „Die Zukunft von Made in Germany“

Die Ergebnisse basieren auf einem methodischen Ansatz der kulturellen Zukunftsforschung in einem dreiphasigen Qual- Quant-Studiendesign: qualitative Kommunikationsanalyse deutscher Markenkampagnen mit semiotischen Expert: innen, internationaler Think Tank mit 15 kulturell-ökonomischen Expert: innen aus drei Wirtschaftsräumen (EU, China, USA) sowie quantitative Befragung mit über 3.000 Konsument: innen aus den gleichen Regionen.

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