Ein Stück vom Kuchen
Wer bekommt was ab, wer darf bei was mitmachen, wer kommt wo rein, wer wird wie berücksichtigt – und wer nicht? Alles eine Frage der Teilhabe.
von Kristina Kastner
Darf’s ein Stück Kuchen sein? Diesen Kuchen gibt es aber nur für diejenigen, die alt genug sind. Sagen wir mal, mindestens 18. Kinder sind hier nicht erlaubt. Kuchen gibt es auch nur für die, die genug Geld haben. Denn so ein Stück Kuchen kostet in diesem Café 4,50 Euro. Und leider kommen nur die hier rein, die nicht körperlich eingeschränkt sind. Denn man muss eine schmale Treppe hochgehen. Passt das für Dich oder findest Du das unfair?
Teilhabe ist für die Mehrheit selbstverständlich und daher kein Thema – Thema ist Teilhabe immer dann, wenn sie nicht gegeben ist. Und zwar für die, die für ihre Teilhabe streiten oder sogar kämpfen müssen.
Politische Teilhabe: Unter 18 schwierig
Teilhabe ist an Bedingungen geknüpft. Nehmen wir die politische Teilhabe. Wer in Deutschland wählen will, muss 18 Jahre alt sein – mancherorts ist auch eine Teilnahme ab 16 bei Landtags- oder Kommunalwahlen möglich. Damit sind Kinder und Jugendliche von einem wesentlichen Element politischer Teilhabe ausgeschlossen, obwohl die Entscheidungen, die in den Parlamenten getroffen werden, sie direkt betreffen. Ist das ein Problem? „Durchaus“, sagt Dr. Björn Milbradt, Leiter der Fachgruppe Politische Sozialisation und Demokratieförderung beim Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI). „Eingeschränkte Teilhabe kann deutliche Konsequenzen haben. Ein aktuelles Beispiel ist etwa die Corona-Pandemie, von der wir mittlerweile wissen, dass in weiten Teilen die Perspektiven und Probleme von Jugendlichen zu wenig Berücksichtigung in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen fanden. Ein weiteres Beispiel ist die strukturell bedingte Unterrepräsentation von Positionen oder Problemen, die eine hohe Jugendspezifik haben. Dies betrifft etwa Fragen wie den Klimawandel – Jugendliche werden die Hauptleidtragenden sein – oder die Generationengerechtigkeit, die Nutzung des öffentlichen Raumes und viele mehr.“
Was also tun? Jugendlichen ein Mitbestimmungsrecht geben und das Wahlalter senken? „Eine Verschiebung der Altersgrenzen für das Wahlrecht auf 16 Jahre würde zumindest zu einer gewissen Relativierung dieses repräsentationsbezogenen Ungleichgewichts führen. Gleichzeitig ist es meiner Ansicht nach kein ‚Allheilmittel‘. In vielen gesellschaftlichen Bereichen müssten mehr Teilhabemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche geschaffen werden“, so Björn Milbradt. Wir können diese Teilhabemöglichkeiten geschaffen werden? „Etwa durch Jugendbeiräte, oder durch Jugendparlamente und Jugendstrategien, die über Einzelmaßnahmen hinausgehen. Teilhabe muss außerdem immer mit Möglichkeiten der tatsächlichen Einflussnahme einhergehen, sie darf nicht nur ‚zum Schein‘ beziehungsweise für das Image oder als ‚Dekoration‘ erfolgen, dann handelt es sich um Pseudo-Teilhabe.“
Perspektivwechsel empfohlen
Hinzu kommt, dass politische Prozesse „voraussetzungsreich“ sind, wie Björn Milbradt sagt. Politische Vorgänge und Entscheidungen zu verstehen ist oft auch für Erwachsene schwer. Kinder und Jugendliche müssen „ein Verständnis für solche Zusammenhänge und abstrakte Sachverhalte erst nach und nach entwickeln“ und sind daher auf eine altersgerechte Vermittlung angewiesen. „Eine Herausforderung ist sicherlich das Erreichen von Augenhöhe. Erwachsene sollten nicht auf den politischen Willen von Kindern und Jugendlichen von oben herabblicken und denken, dass sie bereits qua Alter alles besser wissen, verstehen und handeln können. Die Perspektive von Kindern und Jugendlichen hat ihre eigene Berechtigung, und sollte auch als solche erstgenommen werden. Dafür braucht es mehr als nur Willensbekundungen, sondern etablierte Prozesse, Institutionen, Einflussmöglichkeiten, sowie den Willen und die Fähigkeit von Erwachsenen der Perspektivübernahme.“
Politische Teilhabe für Kinder und Jugendliche ist also möglich – ist aber mit Anstrengungen und einem Einlassen der erwachsenen Mehrheit auf die Bedürfnisse jüngerer Menschen verbunden. Auch in anderen Bereichen wird Teilhabe für alle durch die Bereitschaft der Mehrheit ermöglicht, Teilhabe zuzulassen und dafür auch etwas zu tun.
Wie geht barrierefrei und inklusiv?
Etwa die gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen: Hier heißt das Zauberwort „Barrierefreiheit“. Was genau Barrierefreiheit bedeutet und welche Vorteile Barrierefreiheit für alle Menschen hat, darüber hat WJD-Bundesgeschäftsführerin Laura Jorde mit der Bundestagsabgeordneten und Sozialpolitikerin Stephanie Aeffner gesprochen. Und die Gründerin, Autorin und Tech Evangelist Mina Saidze erklärt im Interview, dass es schon heute möglich ist, Technologie inklusiv zu entwickeln – wichtig sei aber, dass dies zum Standard werde.
Auf dem Weg zu Teilhabe als Standard sind diejenigen, die für Teilhabe kämpfen, auf Verbündete angewiesen. Wie man dazu wird, hat Stuart Bruce Cameron, CEO der Uhlala Group, für uns aufgeschrieben. Das Portrait der Modeunternehmen Meriem Lebdiri zeigt: Teilhabe kann auch bedeuten, die gewohnte Normalität um eine Facette zu ergänzen.
Ein ganz anderes Verständnis des Begriffs Teilhabe, das für uns Wirtschaftsjunioren aber ebenso relevant ist, ist die Unternehmensteilhabe. Unser Bundesvorsitzender Tobias hat sich in seiner Reihe „Tobi trifft“ dazu mit Génica Schäfgen von Ecosia über Verantwortungseigentum unterhalten, außerdem führt uns Madeleine Heuts, die mit ihrem Unternehmen Raketenstart Start-ups in Rechtsthemen berät, in die Materie rund um Unternehmensbeteiligungen ein. Warum ESOP ein Schub für Start-ups sein kann, erklärt Christian Miele vom Deutschen Startup-Verband.
Auch im Verband ist Teilhabe ein Thema, das zeigen nicht zuletzt die Beiträge zum Projekt „Working Parents“ und aus dem Ressort Training sowie die Rubrik „Inside JCI“. Ganz klar: Wir Wirtschaftsjunioren sind dran, an diesem Thema. Die meisten von uns sind in der angenehmen Situation, nicht für Teilhabe kämpfen zu müssen – umso wichtiger ist, Teilhabe für andere zu ermöglichen. Teilhabe bedeutet Einbezogensein in eine Lebenssituation. Unser Ziel muss eine Welt sein, in der alle die Möglichkeit haben, einbezogen zu sein – wenn sie es denn wollen.
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