Vereinbarkeit: Ein Grundrecht. Kein Luxus.

Beruf, Familie und Ehrenamt sind längst keine isolierten Lebensbereiche mehr, wie wir es von unseren Vorgängergenerationen kennen. Sie sind heute – auch durch veränderte Erwerbsbiografien von Frauen – eng miteinander verbunden. Über die Neudefinition der Väterrolle als entscheidender Aspekt der modernen Vereinbarkeit.

Unsere Gesellschaft ist zunehmend von Reizüberflutung und Zeitengpässen geprägt. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt erfordert ein ständiges Abwägen zwischen persönlichen Verpflichtungen und individuellen Bedürfnissen. Obwohl diese enorme Herausforderung ein häufiges Gesprächsthema ist, bleibt ihr tatsächliches Bewältigen noch ein weiter Weg.

Was bedeutet Vereinbarkeit?

© Krisztián Müller

Wie würde man die Frage „Was ist Liebe?“ beantworten? Ähnlich verhält es sich mit der Vereinbarkeit! Für jedes Individuum bedeutet sie etwas anderes und stellt jeden Menschen vor bestimmte Herausforderungen. Vereinbarkeit bietet die Chance, verschiedene Lebensbereiche miteinander in Einklang zu bringen, ohne dass dies zu Lasten anderer geht. Besonders die Kombination von Beruf, Familie und Ehrenamt hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da sich traditionelle Rollenbilder verändert haben. Ein neues Rollenmodell der berufstätigen Frau hat sich etabliert: Frauen sind nicht mehr ausschließlich für die klassische Care-Arbeit zuständig, sondern spielen eine aktive Rolle im Berufsleben und vor allem auch in Vollzeitpositionen und Führungsrollen. Dies ist nicht nur gut und wichtig, sondern bringt auch Vorteile für die Unternehmen. Diese Entwicklung hat zu einem Wandel der Arbeitswelt und einem Umdenken in Bezug auf Familienstrukturen und gesellschaftlichen Erwartungen geführt. Eines ist klar: Vereinbarkeit muss mehr gefördert werden. Von Arbeitgebern, der Gesellschaft und der Politik. Es bedarf eines Gleichgewichts, das ermöglicht, dass verschiedene Aspekte des Lebens miteinander im Einklang sind.

Neudefinition der Väterrolle

Die Neudefinition der Väterrolle ist ein entscheidender Aspekt der modernen Vereinbarkeit. Ein Wandel der Gesellschaft erfordert nicht nur ein Umdenken bei Männern und in ihrem sozialen Umfeld, sondern auch strukturelle Anpassungen in Unternehmen und gesetzliche Rahmenbedingungen, die diese Neuorientierung unterstützen. Die Einführung von Elternzeit auch für Väter, flexibler Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, aus der Ferne zu arbeiten, sind wichtige Schritte. Doch es bedarf einer breiteren Bewegung, um diese Praktiken zur Norm zu machen. Die Väterrolle verändert sich bereits. Aber es braucht mehr Mut. Männer sollten beruflich kürzer treten können, ohne dass Arbeitgeber:innen oder die Gesellschaft sie daran hindern. Immer mehr Männer streben eine gleichberechtigte Teilhabe am Familienleben und der Care-Arbeit an. Sie möchten nicht nur Ernährer sein, sondern auch aktive Väter und Partner. Dies erweitert das „klassische Familienmodell“ und lädt dazu ein, in neuen Dimensionen zu denken. Idealerweise lösen wir uns als Gesellschaft von starren Modellen und nehmen eine gänzlich neue, ganzheitliche Betrachtungsweise an. Dieser Wandel ist von großer Bedeutung, da er zu einer gerechteren Verteilung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Familie führt und die Flexibilität im Berufsleben fördert – Anforderungen, die speziell an Arbeitgeber:innen gerichtet sind.

Neue gesellschaftliche Wahrnehmung

Wie das eigene Rollenverständnis und die Arbeitswelt, muss sich auch die gesellschaftliche Wahrnehmung verändern. Ein Schritt in diese Richtung wäre, Vorbilder zu fördern, die eine aktive Väterrolle leben. Wenn sichtbar wird, dass eine enge Beziehung zwischen Vätern und Kindern der gesamten Familie zugutekommt, brechen traditionelle Vorstellungen auf. Medien und öffentliche Kampagnen können dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie positive Beispiele hervorheben und die Bedeutung der Väterrolle für eine gesunde Familienstruktur betonen.

Innovative Ansätze zur Förderung von ehrenamtlicher Vereinbarkeit

Doch wie lässt sich Vereinbarkeit auch im Ehrenamt leben? Es sind kreative Lösungsansätze gefragt. Diese Modelle leben wir bei den Wirtschaftsjunioren bereits:

• Kinderbetreuung: Eine der größten Herausforderungen für ehrenamtlich Engagierte mit Kindern ist die Kinderbetreuung während der Einsatzzeiten. Hier bieten unsere Kreise in ganz Deutschland zunehmend flexible Betreuungsmöglichkeiten an, wie beispielsweise Kinderbetreuungsgruppen während Vereinstreffen oder die Möglichkeit, Kinder mitzubringen, die sich parallel miteinander und mit kindgerechten Spielsachen beschäftigen.
• Jobsharing in Vorstandsposten: Zwei oder mehr Personen teilen sich die Verantwortung und können ihre Einsatzzeiten flexibel nach beruflichen und familiären Verpflichtungen gestalten. Hierbei ist es wichtig, Klischees abzubauen und bereit zu sein, Neues auszuprobieren.
• Flexible Einsatzzeiten: Dies kann beispielsweise durch die Einführung von Abend- oder Wochenendterminen oder die Möglichkeit zur Teilnahme an virtuellen Meetings geschehen.

Vereinbarkeit ist weit mehr als reine Kinderbetreuung

Vereinbarkeit betrifft nicht nur die Betreuung von Kindern, sondern auch die Pflege von Angehörigen, die Vereinbarung von Hobbies oder die Schaffung von Me-Time. Persönliche Interessen oder Wünsche sind genauso wichtig wie alle anderen Lebensbereiche, dies wird übersehen. Aber warum eigentlich? Menschen haben unterschiedliche Verpflichtungen und Interessen, und Vereinbarkeit zielt darauf ab, ihnen die Freiheit zu geben, all dies in Einklang zu bringen. Es geht darum, Zeit für das zu finden, was dem Einzelnen am Herzen liegt.

Fazit: Aufruf zum Handeln

Es ist wichtig, dass Vereine und Organisationen diese Herausforderung ernst nehmen und Maßnahmen ergreifen, um die Vereinbarkeit für alle Mitglieder zu gewährleisten. Sie müssen handeln, denn sie haben ein berechtigtes Eigeninteresse daran: Die eigene Zukunft und das Fortbestehen.

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