Wir haben keinen Platz!

Wenn aus einem Paar eine Familie wird, platzt die eben noch luftige Zwei-Zimmer-Wohnung schnell aus allen Nähten. Doch Wohnraum ist knapp und teuer, gerade in Metropolen. Sima Niroumand weiß Rat.

© Habitiny

Interview von Kristina Kastner

Liebe Sima, erzähl mal: Was ist Habitiny, was macht Ihr?
Wir schaffen mehr Platz für Familien auf kleinem Wohnraum. Dafür schauen wir uns als erstes den Grundriss ganz genau an und gucken gleichzeitig, mit welchen Herausforderungen die Familie gerade konfrontiert ist und welche Bedürfnisse da sind. Daraus resultierend erstellen wir ein Konzept: Wir versuchen, durch bauliche Veränderungen, wie dem Einbau von multifunktionalen und platzsparenden Möbeln, auf diese Bedürfnisse zu reagieren. Und in der Regel schaffen wir das auch immer: dass am Ende mehr Platz da ist oder sogar mehr Räume vorhanden sind als vorher. Wenn das Konzept fertig ist, gehen wir in die Projektplanung. Wer kann das umsetzen? Welche Handwerker kommen dazu? Wir betreuen das Projekt bis zur Fertigstellung.

Du lebst und arbeitest in Köln, aber Ihr betreut Kundinnen und Kunden im gesamten deutschsprachigen Raum. Funktioniert das gut, so remote?
Es gibt im Laufe des Prozesses einen Termin, der sehr wichtig ist: Das ist unser „Vor-Ort-Termin“ mit dem Handwerk. Wenn die Familie im Rheinland wohnt, sind wir da auch dabei. Auf jeden Fall aber unsere Kooperationspartner, die Handwerker. Die haben wir mittlerweile so weit geschult, dass sie genau wissen, was vor Ort wichtig ist. Sie bekommen ein genaues Setup, welche Muster sie mitbringen müssen, damit wir auch aus der Ferne über die gleichen Sachen sprechen können. Das funktioniert gut!

Wie bist Du Gründerin geworden? War das schon immer ein Plan im Hinterkopf oder kam das für Dich selbst überraschend?
Ich bin von Haus aus Designerin und habe schon in allen möglichen Bereichen gearbeitet, die alle eher in Richtung Grafik gingen. Print zuerst und dann viel digital. Aber mein Herz schlägt schon immer für die Raumgestaltung. Und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eigentlich darauf warte, dass jemand zu mir sagt: Ja, das machst du jetzt einfach. Aber darauf hätte ich ja ewig warten können! Also habe ich tatsächlich den Job als Kreativdirektorin in einer Digitalagentur eines Tages an den Nagel gehängt. Ohne eine klare Alternative zu haben. Zu der Zeit habe ich mich dann mit einer Bekannten unterhalten, die auch gerade ohne Job war, und wir haben uns die Frage gestellt: Was würden wir tun, wenn wir jetzt ganz von vorne anfangen könnten? Sie meinte: ‚Ich will Programmiererin werden!‘ Und ich so: ‚Ich will Räume gestalten!‘ Und da war die Idee geboren. Wir haben dann tatsächlich noch gemeinsam das Konzept für Habitiny entwickelt, sind aber doch nach einiger Zeit wieder auseinander gegangen – im Guten. Ich war zu der Zeit gerade schwanger mit dem zweiten Kind. Für mich war also auch klar: Ich muss jetzt schnell viel schaffen, damit ich dann direkt loslegen kann, sobald das Kind da und in der Betreuung ist. Das war im Oktober vor drei Jahren. Heute bin ich mit dem ganzen Herzen Unternehmerin. Natürlich hadere ich auch immer wieder. Aber ich merke immer mehr, dass ich mich mit dem Feedback von anderen schlauen Menschen immer weiter reinarbeiten kann und das auch will – und es dann auch voran geht.

Hattest Du denn in der ersten Zeit jemanden, der oder die Dich in unternehmerischen Fragen beraten hat?
Ja, einige! Vor allem Freunde, die mir geholfen haben. Ein Freund, dessen Unternehmen für eine ähnliche Zielgruppe arbeitet, hat sein Wissen mit mir geteilt. Und mich immer wieder motiviert. Ein knappes Jahr nach der Gründung habe ich mir eine Unternehmensberaterin geleistet. An dem Punkt war ich ein bisschen verzweifelt, weil ich dachte, nach einem Jahr müsse ich von meinem Unternehmen leben können. Und das war halt nicht so. Die Beraterin war ziemlich cool, eher älteres Semester, und hat mich ein bisschen bei der Hand genommen. Als erstes hat sie mir die Illusion genommen, nach einem Jahr von meinem Unternehmen leben zu können – ein Unternehmen aufzubauen dauere mindestens drei Jahre. Ich habe kurz überlegt, ob ich an dieser Stelle vielleicht aufgeben sollte, aber dazu bin ich zu neugierig. Ich muss unbedingt wissen, wie es weitergeht. Also habe ich weitergemacht und jedes bisschen Geld, das reinkam, in das Unternehmen gesteckt. Im Sommer dieses Jahres war ich trotzdem wieder an einem Punkt, an dem ich unzufrieden war. Die Kundinnen und Kunden waren alle happy und froh, dass es Lösungen für Ihre Wohnraumprobleme gibt. Aber ich war nicht glücklich mit dem, was das Unternehmen abwirft. Dann habe ich auch noch einen wichtigen Pitch verloren im Sommer – also war ich etwas frustriert. Und dann hatte ich einen Kunden, bei dem ich hellhörig geworden bin. Weil er mir zwei, drei sehr schlaue Fragen zum Unternehmen Habitiny gestellt hatte. Es stellte sich heraus, er ist selbst Unternehmer und hat schon einige Unternehmen gegründet, manche auch an die Wand gefahren, und viele Start-ups begleitet. Bei dem habe ich dann drei Monate Mentoring gemacht und das hat nochmal alles komplett verändert. Wir haben Prozesse nochmal völlig neu gedacht und meine Einstellung zu vielen Dingen hat sich nochmal geändert, vor allem zum Thema Finanzen. Das betrachte ich jetzt mit einer viel höheren Priorität. Und tatsächlich: Jetzt läuft es. Und ich zahle mir ein anständiges Gehalt aus. Wir können jetzt, in unserem Tempo, wachsen. Es ist ein bisschen verrückt, weil jetzt genau drei Jahre um sind. Und die erste Unternehmensberaterin hat da eben auch recht gehabt.

Hast Du denn einen Tipp für junge Gründerinnen und Gründer, der für Dich Gold wert war?
Das Erste, was mein Mentor im Sommer zu mir gesagt hat, war: Ab jetzt hörst du auf, irgendwas zu machen, ehe du kein Geld bekommst. Ich dachte: Da lässt sich niemand drauf ein! Ich kann doch nicht erstmal eine Rechnung stellen. Aber ich habe gelernt, dass ich das sehr wohl kann. Der zweite Tipp ist die Bürokratie im Unternehmen zu reduzieren. Ein gutes Kundenmanagement, mit dem man Dinge automatisiert abwickeln kann, ermöglicht dir, dich um dein Kerngeschäft zu kümmern. Du hast so viel Zeit plötzlich!

So ein Umbau ist ja nicht gerade günstig. Sind Eure Kundinnen und Kunden eher in den oberen Einkommensklassen zu verorten? Oder gibt es auch Familien, die ihr gesamtes Erspartes in Eure Hände legen?
Durch die steigenden Materialpreise merken wir gerade, dass plötzlich ganz andere Budgets nötig sind als noch vor ein paar Jahren. Wir haben auch viel mehr Nachfragen von Eigentümern – dabei war ja meine Gründungsidee, Mietern eine Lösung zu bieten. Vereinzelt gibt es zwar noch Familien in Mietwohnungen, die das Budget auch aufrufen können, aber es werden immer weniger. Der Bedarf bei Eigentümern ist aber genauso hoch und die Bereitschaft zu zahlen ist noch höher. Was wir jetzt machen wollen, ist, die digitalen Angebote auszuweiten. Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Workshops, Webinaren oder anderen Formaten. Dass wir Familien zeigen können: Hey, ihr braucht gar nicht so viel Geld in die Hand zu nehmen. Wir checken Euren Grundriss und bieten Euch DIY-Anleitungen für Möbel und geben Euch Tipps.

Was sind, neben den digitalen Angeboten, Deine nächsten Pläne?
Also im nächsten Jahr würde ich gerne einfach mal weniger arbeiten und weniger gestresst sein. Als ich das letzte Woche zu Hause verkündet habe, meinte mein achtjähriger Sohn: ‚Mama, das sagst du doch jedes Jahr!‘ Aber diesmal meine ich es ernst. (lacht) Für Habitiny wünsche ich mir gesundes, langsames Wachstum. Dafür habe ich jetzt die Weichen gestellt. Und ich habe gelernt, mehr Verantwortung in andere Hände zu legen. Vielleicht klappt es also wirklich mit dem weniger arbeiten!