„Wir wollen ein neues Gründerjahrzehnt“

Am 26. September ist Bundestagswahl. Bis dahin wollen wir in der Jungen Wirtschaft mit den Kanzlerkandidaten und der Kanzlerkandidatin über die Themen sprechen, die uns heute und in Zukunft bewegen. Diesmal mit Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union.

© Laurence Chaperon

Herr Laschet, was würde einen Bundeskanzler Laschet von einer Bundeskanzlerin Merkel unterscheiden?

Angela Merkel und ich sind unterschiedliche Typen, unsere Biografien unterscheiden sich.  Vor allem aber unterscheiden sich die Herausforderungen, vor denen der nächste Bundeskanzler steht: Angela Merkel hat unser Land erfolgreich durch zahlreiche Krisen geführt, erst die Weltwirtschaftskrise, Euro-Schuldenkrise, dann die Flüchtlingskrise und zuletzt die Coronakrise. Die Herausforderung jetzt lautet: Wie führen wir unser Land aus der Coronakrise wieder heraus? Die Pandemie hat uns wie unter dem Brennglas gezeigt, wo unser Staat und unsere Verwaltung Schwächen haben. Ich möchte die 20er Jahre zu einem Modernisierungsjahrzehnt machen. Wir wollen unser Land besser machen und die Freiheitsrechte heutiger und kommender Generationen schützen: mit effektivem Klimaschutz, sicheren Arbeitsplätzen, soliden Finanzen und Fairness bei sozialen Fragen. Wir wollen ein klimaneutrales Industrieland.

Die Corona-Pandemie ist unter anderem ein Experimentierfeld für politische Prozesse. Warum ist die Ministerpräsidentenkonferenz im Frühjahr als Entscheidungsgremium gescheitert?

Das ist sie nicht. Unser föderales Land ist im europäischen Vergleich gut durch die Krise gekommen. Richtig ist trotzdem, dass unsere staatlichen Strukturen auf den Prüfstand gehören. Wir wollen einen hocheffektiven, schlanken, flexiblen und schlagkräftigen Staat. Dabei spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Vieles ist in den vergangenen Jahren vorangetrieben worden, wir sind aber nicht da, wo wir sein wollen. Das wird eine der großen Aufgaben für die kommende Legislaturperiode werden.

Die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind bisher nicht abzuschätzen. Wie wollen Sie das Land aus der Krise führen?

Erstens: Wir wollen Anreize schaffen, damit Unternehmen noch mehr in Deutschland investieren und produzieren und noch mehr gute Jobs mit Zukunft schaffen. Dabei sind uns verschiedene Punkte wichtig:

Ökologie und Ökonomie müssen wir zusammenbringen und nicht gegeneinander ausspielen. Ich will, dass Deutschland ein klimaneutrales Industrieland wird. Wir brauchen einen intelligenten und diversifizierten Energiemix, der nachhaltig und sicher ist. Ein wichtiger Baustein ist die Wasserstofftechnologie. Mein Ziel: Deutschland soll Wasserstoffland Nummer 1 werden in der Welt.

Zweitens: Weniger Bürokratie. Kostet nichts und ist sehr effektiv. Für den Bürokratieabbau müssen wir die Chancen des digitalen Wandels nutzen. Gerade in der Corona-Pandemie erleben wir plötzlich einen Digitalisierungsschub – nicht nur in der Verwaltung. Staatliche wie private Dienstleistungen können verstärkt online beansprucht werden. Dies müssen wir weiter fördern.

Drittens: Unsere Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen schneller gehen. Das gilt auch bei großen Infrastrukturprojekten. Wenn wir schnellere Bahnverbindungen wollen, können wir nicht so planen, wie wir es seit 20 Jahren machen.

Damit der Staat überhaupt die Kraft hat, all diese Anreize zu setzen, muss er solide haushalten. Meine Haltung dazu ist: Keine Änderungen an der Schuldenbremse. Unsere solide Finanz- und Haushaltspolitik der vergangenen Jahre hat die Grundlage dafür geschaffen, dass Bund und Länder in der Corona-Krise schlagkräftig handeln können. Und die Schuldenbremse enthält auch die notwendige Flexibilität, um auf solche Krisen angemessen zu reagieren.

Was sind Ihrer Meinung nach die Dinge, die wir in der Pandemie gelernt haben und die bleiben werden?

Dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist. Und dass Deutschland bei der Gesundheitsforschung zur Weltspitze gehört. Corona-Impfstoff und PCR-Test wurden in unserem Land entwickelt. Das Potential ist da. Ich möchte, dass wir daraus mehr machen und wieder zur Apotheke der Welt werden. Ganz anderes Thema: Digitalisierung an den Schulen. Sie hat in der Pandemie einen Schub bekommen. Diesen Schub müssen wir nutzen, damit in Zukunft alle Schülerinnen und Schüler von guter digitaler Bildung profitieren.

Viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer haben kleine Kinder. Die Vereinbarkeitsfrage ist für sie meist nicht zufriedenstellend geklärt – und während des Lockdowns hatten sie keinen Anspruch auf Notbetreuung, da sie als Unternehmer und Unternehmerinnen nicht als systemrelevant galten. Haben Sie darauf Antworten?

In der Pandemie haben Eltern Bemerkenswertes geleistet. Der Ausbau von Kinderbetreuung ist in den letzten Jahren stetig vorangeschritten und wird es auch weiter tun. Im Kitabereich sind wir gut aufgestellt – für viele Eltern gestaltet sich aber der Übergang zur Schule, gerade in der Ganztagsbetreuung, als besonders schwierig. Daran arbeiten wir.

Deutschland steht im internationalen Vergleich nicht besonders gut da, was die Zahl der Gründungen angeht. Muss der Schritt ins Unternehmertum attraktiver werden?

Auf jeden Fall.  Wir wollen einen Dreiklang aus guten Investitionsbedingungen, mehr Attraktivität für Talente und einem zeitgemäßen rechtlichen Rahmen. Ein wichtiger Aspekt ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Junge, gerade gegründete Unternehmen haben oft noch nicht die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern die gleichen Vergütungen zu bieten, wie etablierte Unternehmen. Mitarbeiter an Unternehmen zu beteiligen kann dafür ein guter Ausgleich sein. Wir schlagen vor: Beteiligungen an Start-ups sollen grundsätzlich erst dann besteuert werden, wenn aus den Beteiligungen Gewinne erzielt oder die Anteile veräußert werden. Und wir werden Verwaltungshürden abbauen, um schnelle Unternehmensgründungen zu ermöglichen. Wir wollen ein neues Gründerjahrzehnt, denn die Gründer von heute sind die Mittelständler von morgen.

Die Pandemie hat auch offengelegt, dass die Digitalisierung längst noch nicht an den Schulen angekommen ist. Wie sollen Schülerinnen und Schüler denn lernen, in der digitalen Arbeitswelt zurechtzufinden, wenn ihre Schule noch nicht einmal über einen Internetanschluss verfügt?

Es ist im letzten Jahr viel passiert. Mit dem Digitalpakt kommt der Ausbau der Infrastruktur an den Schulen voran. Darüber hinaus stellt der Bund 500 Millionen Euro bereit für Schüler- und Lehrerlaptops und Administration. Aber es ist auch wahr: Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Die Verfahren müssen unbürokratischer und schneller werden.

Was ist Ihre Vision für Deutschland in vier Jahren?

Ein starkes krisenfestes Deutschland. Mit einer neuen wirtschaftlichen Dynamik, umfassender Sicherheit, besten Bildungschancen, auf dem Weg zum klimaneutralen Industrieland – eine lebenswerte Heimat für alle, fest verankert im Herzen Europas.

Vielen Dank für das Gespräch!

Armin Laschet, geboren in Aachen, war schon Mitglied des Aachener Stadtrats und des Europäischen Parlaments sowie nordrhein-westfälischer Generationenminister. Derzeit ist er Ministerpräsident des Landes NRW und Bundesvorsitzender der CDU.