Die Zukunftsbranche in der Zukunftsbranche finden
Chancen sind da, um genutzt zu werden. Und so hat Celina Kneiber von den WJ Nord Westfalen zusammen mit ihrem Mann Josha dann auch zugeschlagen, als sich die Möglichkeit bot, ein Unternehmen zu übernehmen. Ein Besuch in Gronau.
von Julia Eismann
Es ist so eine Branche, über die man nicht unbedingt nachdenkt, wenn man morgens ins erste Sonnenlicht blinzelt. Die Solaranlage auf dem Dach oder der Freifläche mag noch naheliegend sein. Dass diese auch gereinigt werden muss und dass das effizient und arbeitssicher mit ferngesteuerten Maschinen geht, ist frühestens der zweite Gedanke. Und dann ist es sonnenklar: Natürlich. Die Glasflächen der Anlagen müssen sauber gehalten werden.
Was das für Maschinen sind? Celina und Josha Kneiber haben mit hyCLEANER ein Unternehmen übernommen, das genau solche Geräte zur Reinigung von Solaranlagen entwickelt und produziert. Effizienz und Sicherheit waren Treiber der Innovationslösungen, die von den ursprünglichen Gründern entwickelt worden waren. Mit dem Ausbau der Solarenergie müsste folgerichtig auch dieser Markt wachsen und weitere Chancen bieten.
Begonnen hat der kleine mittelständische Maschinenbauer aus Gronau im Projektgeschäft, nicht ahnend, dass sich die anfänglichen Glas- und Fassadenreinigungsgeräte mal in eine solch zukunftsträchtige Branche wie in der Solarbranche breit machen würde. Um dem Produkt eine Chance zu geben, sich weiter zu entfalten, entschieden sich die beiden Gründer das Unternehmen zu verkaufen und in Hände zu geben, die ihr Produkt mit verstärktem Fokus in den Bereichen Marketing und Vertrieb in die Serie führt.
Ein Familienunternehmen als Vision
Celina und Josha sind dem Familienunternehmertum schon immer verbunden. Sowohl durch das eigene Erleben im Elternhaus als auch durch das Studium an der Universität Witten/Herdecke formte sich nicht nur Wertschätzung für diese Form des Unternehmertums, sondern es ging insbesondere Celina auch in Fleisch und Blut über. Die Vision, einmal selbst ein Unternehmen aufzubauen, gab es also schon früh. Dennoch ist die heutige Situation auch ein Zusammenspiel von Gegebenheiten, die sich entwickelt haben. Gute Vorbereitung, Netzwerken, planvolles Vorgehen – und das nötige Quäntchen Glück, das Celina gern zitiert. So beschritten Celina und Josha gemeinsam mit Celinas Vater Michael Pfeiffer den Weg zum hyCLEANER ins Münsterland. Der entscheidende Kontakt kam, neben verschiedenen Anlaufstellen, letztendlich über die Bank. Am Ende ging dann alles ganz schnell: Nachdem die ersten Gespräche kurz vor Weihnachten 2021 geführt wurden, erfolgte die Übernahme dann bereits im darauffolgenden März. Und so ging es für die Kneibers etwas früher als geplant in die unternehmerische – externe – Nachfolge. Auch Chancen zu nutzen ist eben Teil der Familienunternehmer-DNA.
Im hyCLEANER hat das ambitionierte Nachfolger-Paar die perfekte Kombination für sich gefunden. Als externe Nachfolger befinden sie sich gerade nicht nur mitten im Prozess des Übergangs, sondern auch in einem Change-Prozess, die gesamte Firma auf Serienproduktion umzustellen. „Wir wechseln gerade im Sprint die Schuhe“, versinnbildlicht Celina die aktuelle Situation. Das angestrebte Wachstum soll dabei organisch aus dem Unternehmen heraus geleistet werden.
Etablierte Strukturen treffen auf neue Köpfe
Celina berichtet von einer gut strukturierten Ausgangssituation. „Sehr gut dokumentiert waren tatsächlich einzelne Prozesse. Auch die Grundstruktur wie Artikelstämme und dergleichen sind sehr gut überlegt gewesen. Darauf konnten wir gut aufbauen. Dennoch ist der Umbau von Einzelprodukt auf Serie auch eine Herausforderung, die wir aktuell zu meistern haben,“ erklärt Celina die aktuelle Zielsetzung.
Von Einzelmaschinen für spezifische Bedürfnisse auf eine Serienfertigung umzustellen, ist eine Herausforderung. Vertrieb und Marketing laufen komplett anders und auch die Produktion sowie das Lager müssen umgestellt werden. Wichtig ist dabei, während des Umbaus in diesen Disziplinen weiter organisch zu wachsen, mögliche Kosten des Wachstums vernünftig zu managen und insgesamt unternehmerische Weitsicht walten zu lassen.
„Es gibt eine Menge Themen, die man im Studium zwar theoretisch lernt, aber tatsächlich erst versteht, wenn man sie in der Unternehmerrolle erlebt“, fasst Celina die intensive bisherige Zeit zusammen. „Für mich war dies bislang als angestellte Arbeitnehmerin in größeren Konzernen pure Theorie, da man nie damit konfrontiert war, was es tatsächlich bedeutet. Menschen, die als angestellte Arbeitnehmer ihre Rolle erfüllen, bleibt so etwas einfach Theorie, weil sie nie damit konfrontiert sind, was es tatsächlich bedeutet.“
Eine Phase der Umstellung in der Geschäftsführung hilft auch immer, den strategischen Fokus neu zu schärfen und die Weichenstellung zu überprüfen, findet Celina. Sie beschreibt es als sehr hilfreich, die Zielsetzung nicht nur gefestigt zu haben, sondern jetzt auch konsequent Abläufe und Prozesse dahingehend zu hinterfragen, wie sie auf das gesetzte Ziel einzahlen. „So haben wir konsequent unsere Strukturen auf Stand gebracht und sichern uns die Marktnähe. Auch die Zukunftsfähigkeit beizubehalten und zum Beispiel unsere ERP-Daten künftig tiefergehend auszuwerten, ist für uns schon jetzt ein Thema, das wir auf der Agenda haben.“ Der Blick in die Zukunft ist also geweitet und die Vision wird weiter verfeinert.
Eine unterstützende Aufstellung finden
Glücklich schätzen sich die beiden nicht nur über die Begleitung durch einen der initialen Gründer für eine gewisse Zeit, sondern auch über Erfahrungen, die weitere erfahrene Unternehmer einbringen. Celina und Josha haben in Abstimmung mit Celinas Vater bewusst einen Beirat installiert, in dem dieser auch vertreten ist. Bei strategischen Themen hilft und berät dieser und ist für die Geschäftsführung jederzeit ansprechbar. Hier haben Celina und Josha einige Personen mit viel Berufserfahrung im Unternehmensalltag um sich, mit denen es einen regelmäßigen und wertvollen Austausch gibt.
Im privaten Umfeld ist Netzwerk ebenfalls ein wichtiges Thema für die beiden. „Wir sind aus dem Kölner Raum nach Rheine gezogen, um HyCLEANER zu übernehmen. Da waren wir erstmal allein und auf uns gestellt mit dem Fokus auf der unternehmerischen Rolle. Anschluss zu finden, war uns wichtig“, sagt Celina.
Bei den Wirtschaftsjunioren finden die beiden Menschen, die den unternehmerischen Alltag kennen und darum auch nachvollziehen können, was sie jeweils umtreibt. „Da gibt es sofort eine Gesprächsebene, der Austausch ist immer produktiv und wertvoll. Alle haben einen ähnlichen Spirit.“
Netzwerk hilft eben doch, sagt auch Celina. „Ich habe tatsächlich über die Wirtschaftsjunioren auch schon mit Menschen gesprochen, deren spannendes Geschäftsmodell ich sonst hätte sehr intensiv suchen müssen. So jemanden direkt im Umfeld zu haben und, wenn sich das Thema für uns in vermutlich naher Zukunft stellt, direkt kontaktieren zu können, ist schon extrem wertvoll“, stellt sie fest.
Wenn Berufsleben und Persönlichkeit zusammentreffen
Für Celina und Josha ist Unternehmertum auch eine Lebensform. Langfristigkeit steckt darin, sowie die Chance, etwas über Generationen hinweg aufzubauen und daran weiterzuarbeiten. „Das ist eine völlig andere Basis, um an Themen zu arbeiten, als wenn man in kurzfristigen Geschäftsführerverträgen denkt“, stellt Celina fest. „Wir möchten gern organisch und zukunftsorientiert wachsen und uns als Unternehmen weiterentwickeln.“
Und es impliziert für sie auch die Möglichkeit, die eigenen Familienpläne gemeinsam flexibel zu realisieren. In der Corporate Welt beobachtet man häufig auch heute noch, dass eher nur einer der beiden Elternteile eine höhere Führungsposition bekleiden kann. Die Vorstellung ist, im eigenen Unternehmen beides vereinbaren zu können: Die unternehmerische Vision zu verwirklichen und dabei die Familie im Blick behalten, wenn eines Tages für ein paar Jahre kleine Menschen den Tagesablauf maßgeblich bestimmen werden. Schon jetzt macht Office Dog Trude es vor und zeigt den beiden, dass manchmal eben doch die kleinen Dinge ganz groß werden.
Vorheriger Artikel der Ausgabe
Bildung ist der Schlüssel
Nächster Artikel der Ausgabe
Ein echter Schub
Weiter Beiträge zum Thema
Gesichter der Jungen Wirtschaft: Melchior Meyer
Gesicherter der Jungen Wirtschaft: Melchior MeyerWenn dir jemand Vertrauen schenkt, mach’ Erfolg draus Irgendwo in Dithmarschen im nördlichen Schleswig-Holstein verläuft eine sich windende Landstraße. Sie zieht sich entlang an weiten Kohlfeldern, alten Bauernhöfen und ...
Gesichter der jungen Wirtschaft: Wilhelm Meyer zu Venne jr.
Weltweiter Waffelexport Vanille, Schoko, Erdbeer? Egal, worauf Eure Wahl fällt oder ob Eure Lieblingssorte vielleicht doch Leberwurst-Rosmarin ist, serviert wird Euch das Eis wahrscheinlich in einer Waffel aus Venne – hier sitzt Waffel Meyer, der größte Eiswaffelproduzent Europas. ...
Gesichter der jungen Wirtschaft: Jenny Riedel
Die Unaufhaltsame Jenny Riedel musste in ihrem Leben schon so manche Hürde meistern. Doch das scheint ihr gar nichts auszumachen: Wenn das Leben ihr eine Hürde hinstellt, dann nutzt sie die eben als Sprungbrett. © Andreas Herz Sie weiß selbst nicht mehr, wie oft sie diese ...