Wo fängt Wohlstand an?
Wohlstand ist ein sehr abstrakter und breit gefächerter Begriff. Wo fängt Wohlstand an? Ab wann lebt man in Wohlstand? Das sind schwierige Fragen, die uns zu unserem absoluten Grundbedürfnis zurückführen: Sauberes Wasser. Aber was ist, wenn man nicht mal dieses Bedürfnis erfüllen kann?
von Aleyna Ceylan, well:fair foundation
Für ein Leben in Wohlstand braucht es mehr als sauberes Wasser. Nichtsdestotrotz ist das eine unumgängliche Voraussetzung, um ein gesundes, würdevolles Leben zu führen. Was sauberes Wasser alles für Veränderungen in unserem Leben bewirkt, wird im Folgenden deutlich:
Wasser ist Leben. Doch was genau bedeutet das? Jeder einzelne Organismus besteht zu einem gewissen Teil aus Wasser. Wenn wir nicht regelmäßig sauberes Wasser zu uns nehmen, ist unsere Gesundheit stark gefährdet. Auch für den Lebensmittelanbau und die Nahrungszubereitung benötigen wir sauberes Wasser – ebenso für eine sichere Sanitärversorgung und eine regelmäßige Hygienepraxis. Sauberes Wasser ist also die wichtigste Grundlage für ein gesundes Leben und ein Leben in Wohlstand.
Jeder dritte Mensch hat keinen direkten Zugang zu sauberem Wasser
Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef und der Weltgesundheitsorganisation WHO haben. 2,2 Milliarden Menschen keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser (Stand: 2017, WASH-Bericht von WHO und Unicef). Das bedeutet konkret, dass etwa jeder dritte Mensch auf der Welt im eigenen Haushalt keine Möglichkeit hat, sauberes Wasser zu beziehen. Für etwa jeden zehnten Menschen weltweit (etwa 785 Millionen Menschen) liegt die Beschaffungszeit von Wasser sogar bei mindestens 30 Minuten. Besonders problematisch ist dieser Zustand deswegen, weil dieses von weit her transportierte Wasser oftmals kontaminiert und unmittelbar gesundheitsgefährdend ist. Täglich müssen Millionen Menschen Wasser aus ungeschützten Oberflächengewässern wie Bächen oder Tümpeln entnehmen, aus denen auch Tiere trinken.
Erschwerend hinzu kommt, dass mehr als die Hälfte aller Menschen (etwa 4,2 Milliarden) keine sichere Sanitärversorgung hat. Durch das Fehlen dieser existenziellen Lebensgrundlagen entstehen unmittelbar erhebliche Gesundheitsrisiken – und viele weitere existenzielle Probleme.
Vielfältige negative Folgen durch fehlenden Zugang zu Wasser, Sanitäranlagen & Hygiene (WASH)
Besonders betroffen von fehlendem Zugang zu sauberem Wasser und mangelnder Hygiene sind die Menschen im Globalen Süden – und dort vor allem diejenigen, die in den ländlichen Gebieten leben. Allein in Afrika südlich der Sahara leben etwa 39 Prozent aller Menschen dort (Quelle: WASH-Bericht von WHO und Unicef) ohne Zugang zu einer einfachen Trinkwasserversorgung. Nur etwa jede vierte Person, die in Subsahara-Afrika lebt, hat Zugang zu einer Toilette.
Ein fehlender Zugang zu sauberem Wasser gefährdet bereits ab der ersten Lebensstunde die Entwicklung eines Kindes. Daher ist auch die Kindersterblichkeitsrate insbesondere in vielen ländlichen Regionen Afrikas sehr hoch. Verunreinigtes Wasser, mangelnde Hygiene und fehlende sanitäre Einrichtungen sind dafür im Wesentlichen verantwortlich. Allein 3.600 Kinder unter fünf Jahren sterben weltweit täglich an Durchfallerkrankungen und ihren Folgen.
Unmittelbare negative Folgen für Bildungschancen
Neben den gesundheitlichen Folgen hat der fehlende Zugang zu WASH zugleich vielfältige negative Auswirkungen auf individuelle Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, erhebliche Meilensteine für ein Leben in Wohlstand. Krankheitsbedingte Ausfälle, der nicht vorhandene Schutz der Intimsphäre sowie die oftmals strapaziösen und zeitintensiven Wege der Wasserbeschaffung sorgen für erhebliche Einschränkungen und Ausfallzeiten in der Schule und im Beruf. Hier ist vor allem der zeitliche Aspekt der Wasserbeschaffung problematisch: In vielen ländlichen Gemeinden, wo die Wasserversorgung traditionell Frauen und Mädchen zugeordnet wird, müssen durchschnittlich sechs Kilometer zu Fuß zurückgelegt werden, um Wasser zu beschaffen. Mit sich tragen die Frauen und Mädchen dabei mit 20 Litern Wasser gefüllte Kanister. Der tägliche Aufwand an Zeit kann nicht – oder nur unzureichend – in die eigene Bildung investiert werden.
Ziel Nummer 6 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
Auch die UN versucht das Thema WASH mit all seinen Implikationen verstärkt in den Fokus zu rücken. So ist das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Versorgung seit 2010 ein anerkanntes Menschenrecht. Es ist für den „vollen Genuss des Lebens und aller Menschenrechte“ unverzichtbar, erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 28. Juli 2010.
Folgerichtig gehören die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung sowie der Zugang zu einer angemessenen Hygiene für alle Menschen auf der Welt als Ziel Nummer 6 zu den insgesamt 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Fazit
Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene (WASH) sind für eine gesunde und selbstbestimmte Entwicklung unverzichtbar. Ein fehlender Zugang führt unweigerlich zu einer Vielfalt an negativen Folgen und Auswirkungen: gefährdete Ernährungssicherheit, steigende Kindersterblichkeit, Krankheiten, der nicht vorhandene Schutz der Intimsphäre und ein strapaziöser Weg der Wasserbeschaffung. Dies wiederum führt zu geringeren Bildungschancen und struktureller Armut und ist folglich sehr weit entfernt von einem Leben in Wohlstand.
Der Zugang zu sauberem Wasser und einer sicheren Sanitär- und Hygieneversorgung hat also einen enormen Einfluss auf den Verlauf eines jeden Lebens und bestimmt in einem hohen Maße die Entwicklungsmöglichkeiten eines Menschen. Nur dort, wo er gesichert ist, sind
„Sauberes Trinkwasser ist eine existenzielle Lebensgrundlage für ein gesundes und selbstbestimmtes Leben sowie ein Menschenrecht. 771 Mio. Menschen haben keinen Zugang zu einer einfachen Trinkwasserversorgung. Es ist auch unsere Verantwortung, das zu ändern und damit den Start in ein Leben mit Wohlstand zu ermöglichen.“
Neven Subotic, Leitung und Vorstand der well:fair foundation