Geschwister Business

Gründerin und Familienunternehmerin: Eilyn Pape ist beides. Gemeinsam mit Bruder Robert und Schwester Larissa führt sie die Geschwister Pape GmbH und die Nora Pflegegemeinschaft GmbH. Wir haben die drei in Brandenburg an der Havel besucht.
von Kristina Kastner

© WJD/Christian Schneider

Die Pflege älterer Angehöriger ist ja oftmals eine Familienangelegenheit. Bei den Geschwistern Pape ist es auch die familiäre Geschäftsgrundlage: Eilyn, Robert und Larissa führen mehrere Pflegeeinrichtungen und eine Seniorenresidenz in Brandenburg an der Havel. Wir treffen die drei in der neu eröffneten Flakowski-Residenz. Hier, im Herzen Brandenburgs an der Havel, sind die sogenannten Best Ager die Zielgruppe: Junggebliebene, denen Haus und Garten zunehmend zur Last wird und die das Leben mit mehr Komfort so richtig genießen wollen. Dafür stehen ein Wellness-Bereich und ein Sportraum zur Verfügung, es gibt verschiedene medizinische Angebote direkt im Haus und zum Theater oder zur Havel ist es auch nur ein Katzensprung. Alle Appartements, teilweise mit einer bestechenden Aussicht über die Dächer Brandenburgs, sind barrierefrei und auch Pflegeleistungen können im Bedarfsfall dazugebucht werden.

Das Konzept der Flakowski-Residenz ist eine Weiterentwicklung dessen, was Eilyn und ihre Geschwister bisher angeboten haben. Aber von vorn: Die Geschwister Pape, „immer alle fünf Jahre einer“, wie Eilyn lachend erklärt, wachsen im und mit dem Unternehmen ihrer Mutter Grit auf. Nora, so heißt das Unternehmen, wurde 1991 von vier Krankenschwestern gegründet – Grit Pape ist eine von ihnen. Sie leitet das Unternehmen bis heute, allerdings sind Eilyn, Robert und Larissa 2018 mit eingestiegen. Die Nora Pflegegemeinschaft GmbH umfasst heute neben den Bereichen Mobile Pflege und Tagespflege auch Betreutes Wohnen. Kürzlich hinzugekommen ist die „Pension zur Regatta“, wo Familienfeiern und Urlaube mit pflegebedürftigen Angehörigen möglich sind.

Eigenes Ding statt Nachfolge

© WJD/Christian Schneider

Die Geschwister Pape sind von klein auf im Unternehmen ihrer Mutter dabei. Am Anfang sitzen sie im Büro und machen dort ihre Hausaufgaben, später verdienen sie ihr erstes Geld mit kleineren Jobs im Unternehmen. Aber: „Die Nachfolge wollten wir eigentlich gar nicht so schnell machen“, erzählt Eilyn. „Wir sind 2018 nur auf dem Papier eingestiegen. Robert und ich hatten bereits unser eigenes Unternehmen gegründet, auf das wir uns konzentriert haben.“

Eilyn ist ausgebildete und studierte Ergotherapeutin. Studiert hat in den Niederlanden. „Dort ist der Fokus viel stärker auf Prävention gerichtet als bei uns“, erzählt sie. Als sie anfängt, in Deutschland in einem Krankenhaus zu arbeiten, frustriert es sie zu sehen, wie Patienten nach der Ergotherapie im Rollstuhl zurück ins Zimmer geschoben werden – weil es effizienter ist. „Aber eben nicht das Richtige für die Patienten!“

Robert macht nach der Schule viele Praktika in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen. Dort hat er vor allem viel „Gemecker“ mitgekriegt, wie er sagt. „Dem Praktikanten erzählt man halt alles, da nimmt niemand ein Blatt vor den Mund“. Er entscheidet sich für den dualen Studiengang „Managen in Gesundheitseinrichtungen“, arbeitet bei der Lebenshilfe. Später schließt er einen Master in Corporate Management and Governance an, währenddessen er zum Assistenten der Geschäftsführung aufsteigt. Da sind Eilyn und Robert schon mittendrin in der Gründung: Motiviert von ihren Erfahrungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beschließen sie, es besser zu machen.

© WJD/Christian Schneider

Sie schreiben einen Business Plan, beteiligen sich an Wettbewerben, gewinnen den Innovationspreis, suchen den Austausch mit der Technischen Hochschule vor Ort in Brandenburg. 2017 dann die Gründung. Im Oktober 2018 eröffnen sie ihr erstes Haus in einer ehemaligen Seifenfabrik. Hier finden sich Wohngemeinschaften, eine Tagespflege und ein Wellnessbereich. Ihr Konzept: den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Statt sechs Minuten zum Duschen eines Patienten sollen die Pflegerinnen und Pfleger Zeit für die Menschen haben. Ein zufriedenes Leben der Bewohnerinnen und Bewohner steht hier im Fokus. Die Nachfrage ist riesig. Bereits kurze Zeit später können sie den zweiten Standort eröffnen. „Lebe dein Leben“ ist in allen Pape-Häusern das Credo. Die Geschwister Pape GmbH soll dafür stehen, das Leben von Senioren lebenswerter, selbstständiger und aktiver zu gestalten, schönen Wohnraum zu bieten sowie die Arbeitsbedingungen und Zufriedenheit von Pflegekräften zu verbessern.

Für den schönen Wohnraum ist heute Larissa zuständig. Die jüngste der drei Papes wollte eigentlich beruflich gar nichts mit Pflege machen. Sie interessierte sich schon früh mehr für das, was Vater Pape macht: Immobilien. Nach einigen Praktika startet sie ein duales Studium in Immobilienwirtschaft – ursprünglich sollte davor noch ein Auslandsjahr für sie auf dem Programm stehen, doch dann kommt es anders als gedacht. Zum 30jährigen Bestehen der Nora Pflegegemeinschaft GmbH übernehmen die Kinder einen aktiven Part in der Geschäftsführung – sie wollen die Marke modernisieren, näher an ihr Konzept bei der Geschwister Pape GmbH holen. Und noch etwas passiert 2020: Die Corona-Pandemie bricht aus. Nun sind alle Papes gefragt, gemeinsam die Aufgaben zum Schutz der Pflegebedürftigen zu bewältigen. Statt ins Ausland zu gehen, wird auch Larissa Unternehmerin.

© WJD/Christian Schneider

Während des Studiums arbeitet sie auch im Unternehmen ihres Vaters sowie bei zahlreichen Immobilienunternehmen in Brandenburg und in Maklerbüros in Berlin und stellt fest: Ihr fehlt die Kreativität. Und die Menschlichkeit. Da fällt bei Larissa der Groschen, dass sie ihr ideales Arbeitsumfeld eigentlich schon gefunden hat – im Familienunternehmen: „Das ist ja eigentlich die perfekte Mischung! Ich kann weiter mit Immobilien arbeiten und wir können gemeinsam schöneres Wohnen für die Senioren gestalten.“ Und so wird sie aktiver Teil des Teams. Heute haben die drei die Arbeitsgebiete ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechend unter sich aufgeteilt: Während Eilyn vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit verbundene Personalfragen zuständig ist, kümmert sich Robert um das Management und die Finanzen des Unternehmens. Larissa hat gerade alle Hände voll damit zu tun, die Altbauten der Nora Pflegegemeinschaft an das Geschwister-Pape-Ideal anzupassen und für die nächsten 30 Jahre zu positionieren

Begeisterte Wirtschaftsjunioren

© WJD/Christian Schneider

In Brandenburg an der Havel sind die Papes gut vernetzt. Bei einer Gründermesse in Berlin stoßen Eilyn und Robert 2017 zum ersten Mal auf die Wirtschaftsjunioren. „Aber irgendwie dachte ich damals noch, das ist so ein Elite-Ding“, erzählt Eilyn. Einige Zeit später sehen sie im Internet die Ankündigung eines Interessentenstammtischs der WJ – sie gehen hin, sind gleich überzeugt und melden sich an. „Ein halbes Jahr später waren wir dann auch schon mit im Vorstand!“ berichtet Robert. Er war auch schon Kreissprecher der WJ Brandenburg an der Havel. Beide genießen den Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmer in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre. Auch in diesem Jahr sind beide im Vorstand aktiv – und Larissa ist jetzt auch immer mal mit dabei.

Eilyn hat die Chance genutzt und 2023 zum ersten Mal am Know-how-Transfer mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestags teilgenommen. Sie ist politisch interessiert, vor allem das Thema Vereinbarkeit treibt sie um. Sie hat während der Gründung und in den ersten Jahren der Geschwister Pape GmbH zwei Kinder bekommen. Die Familie hat sich so organisiert, dass Eilyn mit ihrem Bruder das Unternehmen aufbauen und gleichzeitig eine Familie gründen konnte – was für alle Beteiligten nicht einfach war. Hier ist politisch einiges zu tun, findet Eilyn, gerade für Unternehmerinnen. Auch Eilyns Kinder wachsen jetzt wieder im und mit dem Unternehmen ihrer Mutter auf: „Es wiederholt sich ein bisschen, wie wir es von unserer Mutter kannten.“

Das andere politische Thema, das Eilyn und ihre Geschwister beschäftigt, ist natürlich die Pflegepolitik. Im letzten Jahr trat die Tarifpflicht für die Angestellten in der Pflege in Kraft. Was die Geschwister eigentlich begrüßen (und sie hatten die Bezahlung nach Tarif auch schon vorher eingeführt), doch durch die höheren Kosten ist die Finanzierung der Pflege durch die Pflegegraden nicht mehr ausreichend. Die Pflegekassen haben nicht gegengesteuert und die Höhe der Zuzahlungen ist dadurch stark gestiegen, erklärt Eilyn: „Wir haben die ganze Zeit gedacht: Da muss doch jetzt mal was kommen! Und dann wurde irgendwann deutlich: Da soll gar nichts mehr kommen. Aus der Pflegevollversicherung wurde tatsächlich eine Art Teilkasko.“ Eine unternehmerische Herausforderung. Die Kosten müssen jetzt auf die Kundinnen und Kunden umgelegt werden. Die Folge: Ein spürbarer Rückgang der Nachfrage und eine große Insolvenzwelle bei Pflegeeinrichtungen in Deutschland. „Wir versuchen jetzt mehr mit den Sozialämtern zusammenzuarbeiten“, erklärt Eilyn. „Damit jeder, der Pflege braucht, sie eben auch bekommt.“

Nachhaltige Einstellung

© Christian Schneider

Nachhaltigkeit ist ein weiterer Aspekt, mit dem die Papes sich befassen. Eilyn versucht, gerade in Personalfragen möglichst nachhaltig zu denken: „Letztes Jahr haben wir viel investiert, viele Schulungen gemacht, lassen uns auch selbst coachen und begleiten. Besonders in einem Familienunternehmen ist es nicht selbstverständlich, dass es gut funktioniert. Und wir haben ja mehrere Themen gleichzeitig: Start-up-Neugründung – als Geschwister – und Familiennachfolge im Unternehmen unserer Mutter.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in Positive Leadership geschult: stärkenorientiert und mit dem Ziel einer hohen Arbeitszufriedenheit. „Wir schulen sie auch in der Art der Pflege – wie pflegen wir so, dass es auch nachhaltig, also gut für den Menschen ist, er lange fit bleibt und möglichst wenig Hilfe braucht. Auch wenn damit ein Pflegeunternehmen eigentlich sein Geld verdient. Aber wir geben uns mit ‚satt und sauber‘ nicht zufrieden“

Es liegt wohl auch an dieser Einstellung den Mitarbeitenden gegenüber, dass die Papes keine großen Probleme mit dem Fachkräftemangel haben. „Wir haben eigentlich immer genug Bewerbungen“, sagt Eilyn. „Und wenn jemand geht, versuchen wir herauszufinden, woran es konkret lag und wo wir uns vielleicht verbessern können.“ Robert ergänzt: „Wir versuchen permanent besser zu werden und natürlich auch effizienter, etwa durch Digitalisierung von Prozessen. Aber immer mit dem Fokus auf den Bewohner und den Mitarbeiter, um Zeit am Bewohner zu schaffen.“ Und sie bilden auch aus – aktuell planen sie einen Azubiaustausch mit Dänemark. Zudem arbeiten mehrere Studierende bei Ihnen. Dadurch blieben die Pape-Unternehmen stets auf dem aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung, erklärt Robert.

Wo soll es noch hingehen mit dem Geschwister-Familienunternehmen? „Jetzt geht es erstmal darum, dass wir unsere Unternehmen für die Zukunft sicher machen“, sagt Eilyn. „Wir haben gemerkt, wie abhängig wir von politischen Entscheidungen sind. Und wir wollen unseren Standard halten und unsere Idee weiter verwirklichen.“ Robert fasst das so zusammen: „Stabilität und Wachstum.“

Weiter Beiträge zum Thema