Erfolgreiche Nachfolge: Mit Mut statt Millionen

Wirtschaftsjuniorin Romina Wolff leitet seit dem 1. Januar 2021 erfolgreich die Haberland Möbelspedition in Göttingen. Das Traditionsunternehmen verdankt ihr das Überleben, da sie sich mit nur 26 Jahren traute, als Quereinsteigerin ohne Führungserfahrungen die externe Nachfolge anzutreten. Für ihren mutigen Weg wurde sie mit dem „She succeeds“- und „ERNA“-Award ausgezeichnet.
Junge Wirtschaft: Liebe Romina, im Dezember 2019 warst Du Mediaberaterin eines Göttinger Zeitungsverlags. Dein bester Kunde, der Geschäftsführer der Haberland Möbelspedition, bot Dir während eines Jahresgesprächs ganz nebenbei an, sein Unternehmen zu übernehmen. Was ging Dir da durch den Kopf?
Romina: Ich habe es spontan als Schnapsidee abgetan. Trotzdem hat das Angebot etwas in mir bewegt, vielleicht auch, weil mich das Thema Selbstständigkeit schon länger interessierte. Die Logistikbranche fand ich zudem spannend, umgezogen wird schließlich immer. In einer Spedition liefert man jeden Tag ehrliche Arbeit ab und kann Menschen, deren Leben nicht ganz gerade verlief, mit einem Job eine neue Chance geben. Und eine Gemeinschaft. Das finde ich super.
Wie wurde aus dieser Schnapsidee ein konkreter Plan?
Drei Monate später führten wir ein zweites Gespräch – ich war als Mediaberaterin erneut vor Ort. In der Zwischenzeit hatte ich immer wieder darüber nachgedacht, was man aus dem schon etwas in die Jahre gekommenen Unternehmen machen könnte. Richtig ernsthaft waren meine Absichten aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Als der damalige Inhaber bei diesem zweiten Gespräch wieder das Thema Nachfolge ansprach, dachte ich: Das gibt’s doch nicht. Auch ihn hat die Idee nicht losgelassen. Kurz danach begann Corona und ich ging in Kurzarbeit. Ich hatte plötzlich sehr viel Zeit, um über das Angebot nachzudenken. Am Ende sagte ich mir: Ich habe nichts zu verlieren, ich kann nur dazugewinnen, spielen wir das doch einmal durch. Es folgten Termine mit Steuerberatern, Banken, Wirtschaftsberatern und Folgeberatern.
Du hattest kein Eigenkapital und keine Speditionserfahrung. Wie hast Du die Finanzierung gelöst?
Ich sagte meinem Vorgänger, dass ich keine reichen Eltern habe, die mir mal eben eine Möbelspedition kaufen. Mir war es wichtig, eine Lösung zu finden, die für uns beide funktioniert und mich nicht in finanzielle Schwierigkeiten bringt, falls es doch nicht mit der Übernahme klappt. Wir einigten uns darauf, den Kaufpreis zu splitten. Einen Teil finanzierte ich über einen Bankkredit zu knapp einem Prozent Zins, den Rest intern: Der alte Inhaber blieb zwei Jahre angestellter Geschäftsführer, ich übernahm aber sofort 100 Prozent der Anteile.
Was überzeugte die Bank?
Die zweijährige Übergangsphase, meine parallel absolvierte Verkehrsleiter- Prüfung bei der IHK und die Bürgschaft des Verkäufers. Ohne diese Konstellation wäre es kaum machbar gewesen.
Wie sah Dein Onboarding in der Praxis aus?
Ich fing als selbsternannte Azubi- Chefin an der Basis an – mit auf Tour fahren, Möbel tragen, in der Dispo sitzen, Buchführung sortieren. Mein Ziel war, von den Jungs zu lernen und hinzuhören, welche Themen sie bewegen. Mit dieser Herangehensweise konnte ich Vorurteile abbauen, die es definitiv im Team gab: Ich war sehr jung, branchenfremd und eine Frau in einem überwiegend von Männern geprägten Umfeld.
Welche Aufgaben hast Du zuerst angepackt?
Gerade bei kleineren Unternehmen löst die Nachfolgefrage große Unsicherheiten unter den Angestellten aus, daher musste ich zuallererst Vertrauen gewinnen. Meine Prioritäten waren dann: klare Gehaltsstrukturen, bessere Kommunikation zwischen Dispo und Fahrern und natürlich Digitalisierung. 2021 arbeiteten wir noch mit A3-Papierplänen und Tipp- Ex. Heute steuern wir Umzüge und über hundert Lagercontainer digital.
Was war die größte Herausforderung seit Deinem Einstieg?
Die Spedition brauchte einen Innovationsschub, um auch in Zukunft überleben zu können. Also musste ich den Spagat schaffen, mit dem vorhandenen Team dringend notwendige Veränderungen anzugehen, gleichzeitig aber auch Verständnis zeigen, wie mein Vorgänger das Unternehmen geführt hat. Glücklicherweise hatte er genau den richtigen Zeitpunkt für die Übergabe gefunden und er war bereit, loszulassen.
Gab es einen Moment, an dem Du ans Aufgeben dachtest?
Nach anderthalb Jahren, ja. Die Baustellen waren riesig, mein Tag kannte keine Pausen. Ich sagte dem früheren Geschäftsführer: Entweder wir holen mehr Power oder ich verkaufe. Wieder fanden wir gemeinsam eine Lösung: Er zog sich früher zurück, mein Mann stieg voll ein – das hat uns gerettet. Das rechne ich dem ehemaligen Inhaber bis heute hoch an.
Was sind für Dich die Vorteile einer externen Nachfolge?
Ich bin froh, dass ich abends nicht mit meinen Eltern am Familientisch sitze und Unternehmensentscheidungen diskutieren muss. Wir wussten alle, dass die gemeinsame Zeit begrenzt ist und wir danach wieder auseinander gehen. Der räumliche und emotionale Abstand zum Vorgänger war für mich der richtige Weg. Ich kann einfach mein Ding machen.
Überall ringen Unternehmen um gute Fachkräfte – was ist Deine Strategie?
Schulungen, Qualifizierungen und echtes Gemeinschaftsgefühl. Meine Erfahrung ist, dass ein gutes Arbeitsumfeld Menschen anzieht – oft sogar ehemalige Kollegen, die zurückkehren, weil sie das Team vermissen.
Was bedeutet Dir Unternehmertum heute?
Für mich bedeutet es vor allem ganz viel Gestaltungsspielraum. In früheren Jobs blieben viele meiner Ideen in starren Strukturen hängen oder scheiterten am Widerstand der Vorgesetzten. Jetzt sehe ich, wie Maßnahmen fruchten. Das ist persönlich ein großer Gewinn.
Du bist als externe Nachfolgerin durch Höhen und Tiefen gegangen. Hast Du einen Wunsch an die Politik, damit andere Deinem Beispiel folgen?
Ein einfaches, günstiges Finanzierungskonzept für Nachfolgerinnen und Nachfolger. Heute würde ich wahrscheinlich keinen Kredit mehr bekommen und das Traditionsunternehmen müsste schließen – ein echter Verlust für die Region, von Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft.
Dein wichtigster Rat an künftige Nachfolger:innen?
Nicht alles zerdenken – ausprobieren. Der Weg ändert sich sowieso ständig. Selbst Scheitern liefert unbezahlbare Erfahrung.
Vielen Dank für das Gespräch.

Romina Wolff
WJ Göttingen
Erfüllte sich
als externe Nachfolgerin den Traum von
der eigenen Selbstständigkeit.
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