Arbeit und KI: Revolution oder Evolution?

Seit Jahren immer die gleiche Frage: „Wie verändert sich Arbeiten durch KI?“ Die typische Antwort war bislang immer: Arbeiten wird effizienter! Und heute?
von Yasmin Al-Douri

© Carol Yepes/Moments via Getty Images

In der heutigen, schnelllebigen Geschäftswelt ist Effizienz am Arbeitsplatz entscheidender denn je. Mit KI eröffnen sich neue Möglichkeiten, Arbeitsprozesse zu optimieren und die Produktivität zu steigern. KI-Systeme bieten Lösungen, um Routineaufgaben zu automatisieren, Entscheidungsfindungen zu verbessern und letztlich die Effizienz am Arbeitsplatz zu erhöhen. Einer der signifikantesten Vorteile der KI ist ihre Fähigkeit, repetitive und zeitintensive Aufgaben zu automatisieren. Durch den Einsatz von KI-basierten Systemen können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von monotonen Tätigkeiten entlastet werden, was ihnen mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben lässt.

Diese Argumentation haben wir wahrscheinlich alle schon gehört. Und diejenigen unter uns, die Large Language Models (LLM) in ihrer Arbeit nutzen, wissen auch, dass solche Systeme sehr viel Zeit einsparen können. Der vorherige Absatz dieses Artikels wurde zum Beispiel durch ein LLM-System innerhalb von 20 Sekunden geschrieben. Schockierend, ich weiß! Aber keine Sorge, den Rest dieses Artikels habe ich selbst geschrieben. Oder vielleicht doch nicht? Genau an diesem Punkt geraten wir an eines der relativ neuen Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen: Wer ist eigentlich Urheber meiner Arbeit, wenn ich KI zur Unterstützung nutze? Ist es überhaupt meine Arbeit, wenn KI in meinen Arbeitsprozessen involviert ist? Und schon sind wir mittendrin in der Debatte um KI und Modern Work.

KI-Systeme müssen erst einmal trainiert werden. Je nachdem welche Lernmethode zum Trainieren der KI genutzt wird, nutzen solche Systeme gerne mal Arbeiten und Inhalte von dritten Personen. Das konnten wir in den letzten Jahren besonders bei Generativer KI beobachten. Systeme, wie zum Beispiel Stable Diffusion oder auch DALL-E, sind besonders durch Plagiatsvorwürfe in der Generierung von Fotos und Kunst in den letzten Jahren aufgefallen. In manchen Fällen konnte man sogar die Unterschrift oder das Wasserzeichen von den originalen Werken der betroffenen Künstlerinnen und Künstler in den neu generierten Werken sehen. Inwiefern sich also KI an bereits existierenden Inhalten bedient und inwiefern nun KI gestützte Arbeit wirklich als „unsere“ Arbeit deklariert werden kann, ist bisher schwierig zu beantworten. Die EU arbeitet zwar mit dem EU AI Act und dem Digital Services und Markets Act stark darauf hin, ihre Bürgerinnen und Bürger vor diesem Problem zu schützen, aber so ganz klar ist die Lösung immer noch nicht. Das bringt mich auch schon zum nächsten Punkt: Nimmt uns KI die Jobs weg? Innovationen bringen immer Veränderungen mit sich. Mit jeder industriellen Revolution sind Arbeitsplätze verschoben, verloren oder neu definiert worden. Auch durch die Einführung von KI werden wir Veränderungen sehen. In der akademischen Bubble sind wir aber bisher eher davon ausgegangen, dass nur bestimmte Sektoren und bestimmte Jobs von der Einführung von neuen Technologien betroffen sein werden. Rutger Bregman, Zukunftsforscher und bekannt für sein Buch „Utopien für Realisten“, nannte diese wegfallenden Jobs „Bullshit Jobs“. Jobs, die keinen großen Mehrwert für die Gesellschaft haben und sehr einfach durch KI übernommen werden können.

Mit der neuen Generation maschinellen Lernens können wir allerdings eine Verschiebung auch in Sektoren beobachten, die bisher als „unantastbar“ galten. Kreative Aufgaben können nun auch durch Generative KI übernommen werden. Auch deswegen haben in den letzten Monaten die kreativsten Köpfe unserer Medienindustrie, darunter viele Schauspieler, ihren Unmut gegenüber der Nutzung von KI in Filmen und Serien ausgesprochen. Auch im Gesundheitssektor kann KI ganze Aufgabenfelder von Ärzten, wie zum Beispiel die Anamnese, Befunde oder auch Diagnosen, übernehmen. Kann KI aber ganze Jobs übernehmen? Zugegeben: Bei dieser Frage komme ich ins Stocken. Zum einen sind wir einfach noch nicht an dem Punkt, an dem ein KI-System ganze Jobs übernehmen kann, dafür sind unsere Berufsbilder noch zu komplex. Zum anderen lese ich aber dann von João Ferrão dos Santos, dem Gründer von Underdog Founders, der Anfang des Jahres ChatGPT darum bat, für 1.000 Euro Startkapital und eine Stunde pro Tag ein Startup aufzubauen und dieses als CEO zu leiten. Was als Experiment begann, endete mit einer Pre-Seed Runde von 100.000 Euro innerhalb von 47 Tagen. Das Experiment wurde auf João’s LinkedIn Profil dokumentiert und kann heute noch dort gelesen werden. Wie viel von dem Erfolg des Startups auf der KI beruht und nicht dem Branding geschuldet ist, lasse ich mal offen.

João ist aber nicht der Einzige, der KI zum Executive Manager eines Startups ernennt: Hunna Technology, ein Health Tech Startup in Großbritannien, gab erst im Juli dieses Jahres bekannt, dass ihr KI System IndigoVX nun als CEO mitwirke. Was aber beide Fälle gemeinsam haben: Die KI-Systeme handeln nicht alleine, sondern bekommen Anweisungen von Menschen. Genau das ist der springende Punkt, wenn wir über den Jobverlust im Zeitalter von KI sprechen: Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, dass KI-Systeme – zu diesem Zeitpunkt – von uns abhängig sind und nicht andersherum. Sie müssen als Werkzeug gesehen werden, gleichzeitig muss uns unsere Verantwortung bei der Nutzung von KI-Systemen bewusster werden. Es muss klarer werden, dass KI-Systeme nur so gut sind, wie wir sie entwickeln und wie wir sie nutzen. Bei LLMs sind somit auch die Befehle, sogenannte Prompts, entscheidend darüber, welchen Outcome wir als Nutzer bekommen, wie wir damit umgehen und ob wir überhaupt KI als Lösung für bestimmte Probleme brauchen. Die letzte Frage muss vor allem von Führungskräften gestellt werden. Statt unbedingt auf den KI-Zug aufzuspringen, ist es viel wichtiger, erst einmal das Businessproblem klar zu definieren und zu schauen, ob KI eine adäquate Lösung für das Problem sein kann. Auch die beste KI der Welt ist keine Lösung für ein Problem, das nicht klar definiert ist. In diesem Kontext ist es entscheidend, dass wir als Gesellschaft einen ausgewogenen Ansatz verfolgen, wenn es um die Integration von KI in unsere Arbeitswelt geht. Es ist unerlässlich, dass wir die Vorteile von KI nutzen, ohne dabei die menschliche Komponente und die ethischen Aspekte außer Acht zu lassen. Diese Symbiose kann zu einer Arbeitswelt führen, die nicht nur effizienter, sondern auch menschlicher ist. Eine Welt, in der monotone und repetitive Aufgaben von KI übernommen werden, während Menschen sich auf die Aspekte konzentrieren, die für sie und unsere Gesellschaft wichtig sind.

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Yasmin ist Gründerin des Responsible Technology Hub und studiert im Master Politics & Technology an der Technischen Universität München. Sie hat als Business Program Manager im Responsible AI Team für Microsoft Germany gearbeitet und berät derzeit Infineon Technologies bei der internen Positionierung zu Trustworthy AI.