New kid in the Luftraum

Zu unserem Planeten gehört auch das, was in der Luft passiert. Und da sollen schon bald innovative Flugobjekte unterwegs sein, mit denen Menschen unkompliziert von A nach B kommen können: Flugtaxis. Ganz vorne mit dabei ist Volocopter aus Deutschland.

Interview von Tobias Hocke

Volocopter wurde 2011 vom Softwareentwickler Stephan Wolf gegründet – mehr oder weniger aus Versehen. Ihn und den Physiker Thomas Senkel interessierte, wie eine Drohne beschaffen sein muss, um einen Menschen zu transportieren. Ein Video des Flugversuches ging viral, die Geschäftsidee war geboren. Im nächsten Jahr sollen die ersten Flugtaxis vom Typ VoloCity in Paris an den Start gehen, pünktlich zu den Olympischen Spielen – und dann Teil des regulären Stadtverkehrs werden. Unser Bundesvorsitzender Tobias Hocke war zu Besuch in Bruchsal und hat unser Fördermitglied Stefan Klocke von den WJ Karlsruhe getroffen.

Stefan, Du bist Chairman of the Advisory Board hier bei Volocopter. Was ist Deine Aufgabe?

Meine Aufgabe war es in den letzten Jahren vor allem, das Team aufzustellen. Nachdem wir in den letzten zwölf Monaten nochmal ein paar Wechsel hatten, kann ich sagen: Wir sind jetzt, gerade im Management, optimal aufgestellt. Mit diesem Team glauben wir eines der wertvollsten Unternehmen Deutschlands aufbauen zu können.

Neben Euch gibt es auch noch Airbus und einige Start-ups, die im Bereich Flugtaxis unterwegs sind. Was ist Euer Alleinstellungsmerkmal?

Was Volocopter von allen anderen unterscheidet, ist, dass wir so gut wie fertig zertifiziert sind von der EASA. Wir dürfen ab nächstem Jahr Passagiere befördern – so weit hat es noch kein anderes Unternehmen geschafft. Da haben wir etwa 18 bis 24 Monate Vorsprung zum Rest der Welt. Wir sind „the real thing“.

Wir verfügen jetzt über eine Produktfamilie von drei fliegenden Geräten: den VoloCity für den Inner-City-Bereich, den VoloRegion, um Städte zu verbinden, die VoloDrone für den Lastbereich und die VoloIQ, die im Prinzip das Operating System für die gesamte Industrie werden soll. Wir kennen ungefähr 900 Nachahmer-Projekte. Meines Wissens nach gehörten wir zu den ersten, die das Thema aufgegriffen haben und meines Erachtens werden fünf oder sechs Anbieter überleben. Wir fühlen uns da in einer komfortablen Lage und gehen unseren Weg.

Thema Verkehrswende in der Luftfahrt. Wie sieht denn da das Mobilitätskonzept in zehn, zwanzig Jahren aus?

Klar ist, dass der Verbrenner ein Auslaufmodell ist. Wir werden bei Volocopter das erste nachhaltige Ökosystem in der Luftfahrt bauen. Es gibt ja das klare Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden in der Luftfahrt. Das bedeutet für die allgemeine Luftfahrt, dass Technologien erfunden werden müssen, die tatsächlich funktionieren. Europa ist derzeit in der Vorreiterrolle, was die Luftfahrt angeht. In die Topunternehmen der Urban Mobility werden gerade einige Milliarden investiert, da geht es um die Zukunftstechnologie schlechthin.

Wie sieht es denn auf der Lang- und Mittelstrecke mit der Elektrifizierung aus?

© WJD/FORMAT8

Wir sehen jetzt schon bei unserem VoloRegion Reichweiten von 200 Kilometer als machbar. Wie weit wir kommen, hängt natürlich damit zusammen, wie sich die Energiedichte bei den Batterien entwickelt. Momentan bauen wir Zweisitzer. Nicht weil wir denken, dass das die optimale Größe ist, sondern weil momentan eben keine Batterietechnologie zur Verfügung steht, die mehr als zwei Personen in die Luft bringen kann. Das sieht aber in zwei, drei Jahren schon ganz anders aus. Dann können wir die nächste Generation nachschieben, entweder mit größerer Reichweite oder mit der Zulassung zu mehr Last. Dann können wir auch auf vier, fünf oder sechs Sitze gehen.

Die Luftfahrt ist noch sehr analog geprägt, Genehmigungen etwa werden über Sprachfunk erteilt. Wann setzt hier die Digitalisierung ein? Das wäre ja auch eine Grundvoraussetzung für autonomes Fliegen.

Die Digitalisierung des Luftraums ist schon lange überfällig. Tatsache ist, dass es hier seit dem Zweiten Weltkrieg keine große Weiterentwicklung gab. Die Industrie und Politik sind sich einig: Sowohl der obere als auch der untere Luftraum müssen digitalisiert werden.

Wir selbst fangen konventionell an. Das bedeutet vor allem, dass wir einen Piloten an Bord haben werden – obwohl die Technologie zum autonomen Fliegen schon da ist. Autonomes Fliegen ist viel einfacher als autonomes Fahren, weil die Zahl der unkooperativen Verkehrsteilnehmer in der Luft geringer ist als am Boden. Keine spielenden Kinder, keine Radfahrer. Und außerdem fliegt ja die Luftfahrt bereits seit vielen Jahren autonom. Also ein Airliner kann selbstständig starten und landen und fliegen sowieso. Wenn du eine rauere Landung mit einem Flugzeug hast, dann weißt du, der Pilot ist selber geflogen. Die Technik setzt das Flugzeug viel sanfter auf. So ist es bei uns auch. Die Herausforderung ist, zu zeigen, dass die Technologie auch zulassungsfähig ist.

Wir müssen also in der Praxis zum einen beweisen, dass es technisch möglich ist, und zum anderen Vertrauen bei der Bevölkerung aufbauen. Zu guter Letzt müssen wir das Vertrauen der Behörden gewinnen. Dann können wir irgendwann sagen: ‚So, die letzten sechs Monate sind wir zwar mit einem Piloten als Sicherheitspilot geflogen, aber eigentlich hat die Software schon alles gemacht‘ und die entsprechenden Daten liefern. Wir brauchen den Nachweis, dass die Technologie sicher ist, denn ohne diesen Nachweis wird es keine Zulassung geben. Das geht nur, wenn du tatsächlich fliegst. Und dafür brauchst du am Anfang den regulatorischen Piloten.

© WJD/FORMAT8

In letzter Zeit sind einige große Unternehmen aus Deutschland abgewandert, BioNTech etwa. Was brauchen denn Unternehmen wie Volocopter, um am Standort Deutschland weiterhin zukunftsfähig agieren zu können?

Eigentlich haben wir mittlerweile gute Möglichkeiten für Gründer. Zum Beispiel im Seed-Bereich haben wir extrem viel Unterstützung. Da hat die Regierung viel getan, auch die Landesregierung in Baden-Württemberg. Aber wenn du eine gewisse Größe erreicht hast und es halt nicht mehr um zwei oder drei Millionen geht, sondern eher um 200 oder 300 Millionen, dann haben wir in Deutschland im Prinzip überhaupt keinen Zugang zu Kapital. Es gibt kein Ökosystem, das Unternehmen wie unseres unterstützt. Dann bist du entweder gezwungen, in die USA abzuwandern, nach Asien zu gehen oder zu gucken, dass du irgendwie das Geld zusammenbekommst, aus aller Welt. Den Weg sind wir bisher gegangen, aber der wird irgendwann sehr anstrengend. Unser letztes großes Invest war von Saudi-Arabien, in Höhe von 175 Millionen Dollar. Das ist natürlich ein Wort. Letztes Jahr war kein gutes Jahr für Fundraising für Tech. Wir sind trotzdem weitergekommen und wir haben auch noch einige Eisen im Feuer. Aber man schaut natürlich dann schon etwas neidisch in die USA, nach Kalifornien, wo du doch deutlich leichter Geld bekommst als hier.

Ein großes Thema für den Standort Deutschland ist ja momentan auch der Fachkräftemangel. Ich habe gehört, Ihr habt dieses Problem nicht.

Also ich kenne das Thema Fachkräftemangel von meinen Familienunternehmen sehr gut. Da haben wir genau die gleichen Probleme. Bei Volocopter haben wir diese Probleme nur bedingt. Wir haben insgesamt knapp 40.000 Bewerbungen bekommen in den letzten zwölf Monaten, wir haben 60 Nationen an Bord. Es gibt eine große Zahl von Leuten in der Luftfahrtindustrie, die genau bei sowas dabei sein wollen. Die nicht nur eine Flugzeugtür an einem Airliner konstruieren wollen, sondern tatsächlich etwas in die Luft bringen und eine neue Generation Fluggeräte bauen wollen. Allerdings: Im Bereich Batterie konkurrieren wir mit der Automobilindustrie, dass macht es schwierig. Aber ja, wir sind in einer privilegierten Situation, was das Thema angeht. Ich glaube, das Entscheidende, warum jemand bei Volocopter arbeiten will, ist, dass er in Paris dabei sein und sehen will, wie die erste Generation dieser neuen Transportmittel tatsächlich in Serie und in die Luft geht. Bei uns in der Kantine läuft ein Countdown auf genau diesen Tag und da arbeiten wir alle drauf hin.

Wie oft werdet Ihr eigentlich noch auf das berühmte Flugtaxi-Interview von Doro Bär angesprochen?

Doro Bär hatte ja damals gar nicht unrecht. Sie hat damals gesagt, wir brauchen nicht nur Glasfaser, sondern auch Flugtaxis. Und da hatte sie völlig recht, aber sie ist von der Presse vollkommen zerrissen worden. Wir haben damals versucht, sie zu unterstützen, haben sogar einen Volocopter nach Berlin geschafft – zu ihrem Interview mit der Bild-Zeitung. Eigentlich hatte sie völlig recht. Aber sie hat dann ein bisschen aufs falsche Pferd gesetzt, mit einem nicht fliegenden CityAirbus. Das ist aber klar, wenn du aus Bayern kommst. Tatsache ist, wir sind wieder – oder immer noch – an genau der gleichen Stelle. Also wir brauchen sowohl Glasfaserausbau als auch Flugtaxis. Beim Glasfaserausbau ist es einfach so, dass alle anderen Länder uns weit voraus sind, was Kommunikationsinfrastruktur angeht. Aber auf der anderen Seite haben wir den Vorteil, mit Volocopter eine Technologie zu haben, bei der wir führend sind. Was wir jetzt nicht machen dürfen, ist, diesen Vorsprung zu verspielen. Die Häme über Flugtaxis kann man sich echt sparen. Wenn wir diese Technologie auch wieder verlieren, diesen Vorsprung, was haben wir dann noch?

Vielen Dank für das Gespräch, Stefan!

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