Räumen wir die Schubladen in unserem Kopf auf!

© privat

Ich heiße Burcu und ich bin bemüht, auch Burcu zu sein. Mein Name ist türkisch und bedeutet schöner Duft. Ich möchte einen schönen Duft verbreiten und hinterlassen – überall, wo die Lebensreise mich hinträgt. Ich bin überzeugt davon, dass jeder von uns seine eigene Mission hat auf dieser Welt. Manche haben ihre nur noch nicht entdeckt. Mein Familienname Arslan bedeutet auf Türkisch Löwe. Auch das ist für mich von großer symbolischer Bedeutung, denn diese Reise möchte ich mit erhobenem Haupt und stark wie eine Löwin gehen.

Ich möchte dir heute einen Einblick in meine Gedankenwelt schenken, in der Hoffnung, dass wir einander kennen und lieben lernen. Liebe ist ein großer Antrieb für uns Menschen und auch in der Wirtschaftswelt sehr relevant. Wir reduzieren die Welt gerne auf Zahlen, Daten, Fakten und vergessen dabei zu oft, dass wir alle nur Menschen sind.

Es wird gesagt, dass Menschen sich vor dem Unbekanntem fürchten, aber ich bin nicht unbekannt. Ich habe einen Namen und eine Geschichte. Diese begann mit meinem Großvater, der in den 70er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen ist. Er und viele weitere junge Männer sind der Einladung gefolgt, um der deutschen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Sie haben unermüdlich gearbeitet und selbstlos versucht mit dem Verdienst ihre Familien zu unterstützen. Sie werden Gastarbeiter genannt, aber in meinen Augen Helden. Im Duden wird ein Held als „Person, die sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt“ oder „jemand, der auf seinem Gebiet Hervorragendes, gesellschaftlich Bedeutendes leistet“ beschrieben. Das hat die Generation meines Großvaters definitiv vollbracht, dafür möchte ich ihm und meinem Vater an dieser Stelle meine Dankbarkeit aussprechen. Nun möchte ich diese Heldengeschichte fortschreiben und mit meinen eigenen Möglichkeiten in meiner Heimat Deutschland dazu beitragen, dass die Wirtschaft sich weiterentwickelt und die Gesellschaft harmonischer wird.

In der deutschen Medienlandschaft ist die Darstellung einer jungen muslimischen Frau relativ eindimensional. Demzufolge sollte ich eine unmündige, ambitionslose, gehorsame Frau ohne Perspektiven sein, die unterdrückt wird und das Kopftuch aus Zwang trägt. Eine Ausländerin, die eine Last für die Gesellschaft ist, das Sozialsystem ausbeutet und Kinder zeugt für Staatshilfen.

Aber ich habe nie daran geglaubt, dass diese Definition wahr ist oder überhaupt wahr sein könnte. Meine eigene Definition war schon immer anders: Ich bin eine junge muslimische Frau – so weit so gut. Ich trage ein Kopftuch, aber ich bin kein Kopftuch. Ich bin die Summe meiner Gedanken, Visionen, Träume, Ängste, Hoffnungen und Ziele. So wie alle anderen Menschen ohne Kopftuch auch. Ich habe Leidenschaften und Hobbys. Engagiere mich im Ehrenamt und kann nicht aufhören zu lernen. Entdecke ständig neue Themen, die mich faszinieren. Verbringe gerne Zeit in der Natur und habe eine große Schwäche für Mandarinen. Daher freue ich mich auf den Winter.

Falls du diese Definition nicht kanntest, verurteile ich dich dafür nicht, denn wir lernen uns gerade erst kennen. Aber falls du gedacht hast, all das könnte ich nicht sein, bitte ich dich nicht mich und meine Fähigkeiten, sondern dich selbst und deine Denkmuster infrage zu stellen. Fürchte dich nicht davor, eine Schublade im Kopf zu entdecken, sei mutig genug, diese verstaubte Ecke in deinem Kopf aufzuräumen. Gerne helfe ich dir dabei.

Wir haben alle Vorurteile, keiner ist frei davon. Wichtig ist nur, wie wir damit umgehe

Eine Schublade, die ich in meinem Kopf entdeckt habe

Ich habe einen türkischen Migrationsschatz, bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe in Amerika gelebt, in Südkorea studiert und weitere Länder bereist. Dank dieser Erfahrungen sehe ich mich heute als Weltbürgerin. All diese Nationen und Kulturen haben meine Persönlichkeit und Weltsicht bereichert. Ich habe verstanden, dass es in der Welt nicht nur um mich geht, dass ich über den Tellerrand hinausschauen und das Gesamtbild sehen muss.

Beide Auslandsjahre waren sehr facettenreich. Es waren zwei unterschiedliche Kontinente, die auch ganz anders ticken als wir Europäer. Die Unterschiede und Parallelen zwischen den Kontinenten zu erleben, in beiden Kulturen in den Alltag einzutauchen und nicht nur touristische Ziele in einem straffen Zeitplan abzuarbeiten, verschaffte mir ein besseres Verständnis für zwischenmenschliche Beziehungen und die Wechselspiele in der globalisierten Welt. Erfolg bedeutet heute nicht nur reines Wissen und Informationen, denn diese sind jederzeit und überall verfügbar. Es geht viel mehr um Empathie und Weitblick. Deshalb bin ich bestrebt, nicht wie ein Tourist, sondern als gute Zuhörerin und Lernende in verschiedene Kulturen und Weltanschauungen einzutauchen, um ein immaterielles Vermögen aufzubauen.

Eine Schublade, die ich dabei in meinem Kopf entdeckt habe:

Als ein Kind, das zwischen zwei Kulturen bilingual aufgewachsen ist, haben mich Menschen schon immer fasziniert. Da ich Einheimische und Migrantin zu gleich gewesen bin, dachte ich, ich könnte beide Parteien verstehen. Wenn meine Eltern mir Geschichten erzählten aus ihren ersten Jahren in Deutschland, fühlte ich mit. Genauso, wie wenn meine deutschen Freunde mir von ihren Geschichten berichteten. Ich dachte, ich verstehe beide Seiten und kann eine Brücke sein. Doch ich lag falsch.
Als ich in Südkorea in einem Supermarkt auf der Suche nach Eiern nicht fündig wurde und die Mitarbeiterin weder Deutsch noch Englisch konnte, verstand ich plötzlich, was die Geschichten meiner Eltern bedeuteten. Mein Vater lachte, als er davon erzählte, wie sie die Bewegungen von Hühnern oder die Laute einer Kuh nachahmten, um Eier oder Milch zu bekommen. Ich musste grinsen, als mir diese Geschichte einfiel und merkte das erste Mal, wie tief auch die Verzweiflung in dem Moment gewesen sein muss.

Mein Vater kam als Ausländer, aber ich war keine in Deutschland. Auch nicht in Amerika. Ich war Teil dieser Länder, denn ich sprach ihre Sprachen und konnte ich sein. Das erste Mal merkte ich, wie hochmütig es von mir war, mir anzumaßen, ich hätte die Geschichten meiner Eltern verstanden.

Dieser banale Moment schenkte meinem Leben eine wichtige Erkenntnis: Wir müssen einander nicht verstehen, wir müssen nicht an das Gleiche glauben oder dasselbe essen. Aber wir müssen verstehen, dass wir nicht alles verstehen können.

Es lehrte mich Demut, Dankbarkeit und Bescheidenheit. Seit dem Erlebnis hat Nächstenliebe für mich eine neue Bedeutung gewonnen.

Jetzt weiß ich, dass ich eine Brücke sein werde. Aber nicht, weil ich zwischen zwei Kulturen aufgewachsen bin, sondern weil ich bemerkt habe, dass diese Welt bunter ist, als ich mir vorstellen könnte. Auch du kannst eine Brücke sein, dafür brauchst du keinen Migrationshintergrund, nur das Herz am richtigen Fleck.

Manchmal müssen wir die gleiche Aussage hunderte Male hören, bis sich diese uns vermeidlich bekannten Worte zu einer Botschaft entwickeln. Doch wenn diese Botschaft sich formt, ist die Veränderung unaufhaltsam. Daher lass uns gemeinsam lernen, voneinander und miteinander. Das Sprichwort, wenn du Meister in einer Disziplin wirst, werde Schüler in einer neuen, ist in diesem Sinne für mich ein großer Wegweiser geworden. Die Reise in die eigene Gedankenwelt oder in die eines anderen Menschen kann sicher beschwerlich sein. Aber du musst diesen Weg nicht alleine gehen, heute stehe ich an deiner Seite. Und für morgen wünsche ich dir noch viel weisere Menschen als Begleiter.

Netzwerken ist eine sehr mächtige Superkraft. Die wenigsten haben das Privileg, in ein privates oder berufliches Netzwerk reingeboren zu sein, dass genau ihre individuellen Bedürfnisse abdeckt. Das ist auch nicht notwendig, denn wir haben genug Zeit auf dem Weg mehr Menschen kennenzulernen, wenn wir bereit sind aufmerksam zu sein.

Ich bin z.B. Erstakademikerin und auch die Erste, die sich für einen wirtschaftlichen Werdegang entschieden hat. Ich kannte niemanden in der Businesswelt und habe Stück für Stück mein Netzwerk erweitert und kann heute sagen, ohne mein Netzwerk wäre ich nicht hier.

Dabei handelt es sich nicht nur um eine Anhäufung von Visitenkarten oder LinkedIn Anfragen. Man sammelt nicht nur mehr Menschen um sich herum, sondern gewinnt mit jedem Individuum die Chance, in eine neue Gedankenwelt einzutauchen und so seinen eigenen Horizont zu erweitern. Der Austausch kann auf vielen Ebenen sehr bereichernd sein und wenn man selbst mal in einer Sackgasse steckt, einem dabei helfen, eine neue Richtung einzuschlagen.

Darüber hinaus ist der Austausch mit Menschen, die ambitioniert sind, ihre Träume erfolgen und Visionen zu Missionen machen, eine große Motivationsquelle für mich. In schweren Zeiten auch eine große Stütze. Aus den unscheinbarsten Begegnungen können ungeahnte Möglichkeiten entstehen. Daher: Egal wann du wo bist, gehe stets respektvoll mit deinen Mitmenschen um und investiere deine Zeit in qualitativ wertvolle Beziehungen.

Die Wirtschaftsjunioren sind für mich mittlerweile weit mehr als nur ein Netzwerk. Es ist meine Business-Familie geworden. Egal ob regional oder auf Bundesebene, es verbindet und bestärkt. Hier treffe ich auf Menschen, die Traditionen ehren, aber auch hinterfragen, Innovationen fördern und vorantreiben. Aber allem voran Menschen, die sich für andere Menschen einsetzen.

Jetzt verrate du mir bitte, was für einen Duft nimmst du wahr?