Gesicherter der Jungen Wirtschaft: Melchior Meyer
Wenn dir jemand Vertrauen schenkt, mach’ Erfolg draus
Irgendwo in Dithmarschen im nördlichen Schleswig-Holstein verläuft eine sich windende Landstraße. Sie zieht sich entlang an weiten Kohlfeldern, alten Bauernhöfen und Windrädern und führt mitten durch das Dorf Fedderingen. Der Ort wirkt unscheinbar, doch leistet hier ein junger Betriebswirt in einem Familienunternehmen Pionierarbeit in Sachen ökologisches Wirtschaften.
Melchior Meyer sitzt im weißen Hemd und mit überschlagenen Beinen in seinem Büro der Firma Wulff Med Tec. Seit das Unternehmen im Jahr 1981 von Hinrich Wulff gegründet wurde, hat es sich als deutscher Marktführer für Klinikmatratzen etabliert. Seit 2011 ist der 38-Jährige Teil des Unternehmens, seit 2018 teilt er sich die Geschäftsführung mit dem Sohn des Gründers, Heino Wulff.
Wenn, dann richtig
Der gebürtige Lübecker, der in Itzehoe aufwuchs, ist seit 2016 Mitglied der Wirtschaftsjunioren und seit 2019 im Vorstand der WJ Dithmarschen. „Wenn man sich für eine Sache entscheidet, sollte man diese auch ganz und möglichst richtig und intensiv betreiben“, sagt er. Das ist nicht nur sein Lebensmotto, sondern eine Ansage: Melchior führt eine 65 Mitarbeiter starke Firma, die zu einem Vorzeigeunternehmen für nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland geworden ist. Vor zwölf Jahren hätte er das vielleicht selbst nicht geahnt.
Damals schließt er im letzten Diplom-Jahrgang sein BWL-Studium an der FH Westküste in Heide ab. „Danach wollte ich eigentlich in die weite Welt“, erzählt er. Doch die Bewerbungen bei großen Unternehmen in Hamburg klappen nicht. „Irgendwann musste ich mich dann hier bewerben“, sagt er.
„Ich kannte Fedderingen nicht, ich kannte die Firma Wulff nicht“. Er bewirbt sich auf die Stelle als Innendienstleiter. Viel Chancen rechnet er sich nicht aus, doch er wird überrascht. „Die nahmen mich trotzdem. Ohne Berufserfahrung und ohne Führungserfahrung“, sagt er.
Früh erlebt Melchior, dass die Geschäftsführung großes Vertrauen in ihn und seine Fähigkeiten hat. Nach einem schweren Unfall, gleich in seinem ersten Jahr im Unternehmen, steht Senior Hinrich Wulff mit als Erster an seinem Bett in der Intensivstation. „Dieser bedingungslose Rückhalt, diese Fürsorge, die über den Arbeitsvertrag hinaus da ist, das hat mich tief geprägt“, erzählt der jetzige Geschäftsführer. Dieses Vertrauen stärkt und beflügelt ihn.
„Ich habe damals sehr, sehr viel gearbeitet am Anfang und mich für alles interessiert, hab alle Aufgaben erst mal mitgemacht, um sie kennenzulernen“, erzählt er. Zuerst habe er den Einkauf übernommen und den Innendienstvertrieb neu aufgestellt: „Ich habe neue Prozesse gestaltet und damit war ich dann irgendwann fertig und brauchte die nächste Herausforderung“.
Mit Begeisterung spricht Melchior davon, wie viel ihm zugetraut wurde: „Das haben sie hier immer geschafft: mir diese Chance zu geben, es einfach zu machen“. Und er enttäuscht nicht. In den ersten Jahren bei Wulff Med Tec übernimmt er recht schnell den Einkauf, stellt die Lieferanten neu auf, wechselt ein paar, führt etliche Verhandlungen. „Dann war ich damit fertig und wurde dann 2013 Prokurist und bin mehr und mehr in die Geschäftsführungsthemen mit reingegangen“.
It’s a family affair
Zusammen mit dem Senior und dem Junior gründet Melchior 2013 einen Beirat, in dem er als externes Nicht-Familienmitglied bei heiklen Entscheidungen oft das Zünglein an der Waage ist. „Vater und Sohn waren, wie man sich vorstellen kann, oft anderer Meinung und da spielt immer dieses Familiäre eine Rolle und das hatte ich natürlich nicht. Das hat mich überhaupt nicht interessiert, wer jetzt recht hat oder so“, erklärt er.
Momentan kümmert sich Melchior, der mittlerweile in der Nähe der Firma mit seiner Frau und dem zweijährigen Sohn lebt, um die Finanzen, das Personal, den Einkauf und Marketing. Bei all diesen Aufgaben aber steht eines im Vordergrund: Die Innovationen voranzutreiben, die die Firma seit der Gründung ausmachen. „Wir sind einfach ein bisschen anders“, beschreibt er sein Unternehmen. Ein Beweis dafür sei beispielsweise der Grundsatz: Kollege ist gleich Kunde. Melchior erklärt, dass er sich für seine Mitarbeiter immer genauso viel Zeit nimmt, wie er es auch für einen Kunden tun würde. „Bodenständigkeit und flache Hierarchien gehören bei uns einfach zur festgeschriebenen Firmenkultur“, sagt er.
Gutes Klima ist dem Unternehmer wichtig. Aber nicht nur im Umgang mit seinen Mitarbeitern. „Klimaschutz spielt für uns eine enorm wichtige Rolle“, sagt er. „Wir haben schon seit Jahren keine fossilen Energieträger wie Gas und Öl mehr“. Für den Firmengründer Hinrich Wulff, von Melchior nur „der Senior“ genannt, sei das von Anfang an eine Priorität gewesen. „Fakt ist ja, und zwar nicht erst seit gestern, dass die fossilen Energien endlich sind. Den Senior hat einfach früh fasziniert, wie man die Energie von Wind und Sonne technisch umwandeln und nutzen kann“, berichtet er.
Hinrich Wulff, der seit 2014 nicht mehr aktiv geschäftsführend tätig ist, arbeitete Melchior in seinen ersten Jahren bei Wulff Med Tec ein und ist seither Mentor und Vorbild zugleich – vor allem, was dessen Einstellung zur Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie angeht.
Melchior erklärt, dass nachhaltiger Erfolg nur dann klappen kann, wenn das ökonomische Handeln mit den ökologischen Erfordernissen der Zeit im Einklang steht – und sich nicht ausschließt, wie manch andere Unternehmen behaupten. Dass das so gut funktioniert, liegt für Melchior daran, dass Wulff Med Tec ein familiengeführtes Unternehmen ist.
„Andere Unternehmen betrachten alles knallhart betriebswirtschaftlich, sind ihren Aktionären Rechenschaft schuldig oder haben Geschäftsführer mit Fünfjahresverträgen“, sagt er. Das seien strukturell einfach schlechtere Bedingungen für nachhaltiges ökologisches Wirtschaften.
Für den Betriebswirt sind deshalb Familienunternehmen die Unternehmensform der Zukunft. „Ich würde nie wieder woanders arbeiten wollen“, sagt der 38-Jährige. Stolz berichtet er, dass die Firma mittlerweile schon zu rund 60 Prozent energieautark sei, das ganze Jahr über. Ziel ist es, im nächsten Jahr komplett unabhängig zu werden.
„Was die Sektorenkopplung angeht, also Heizung, Strom und Mobilität, wollen wir mindestens auf 98 Prozent kommen“, so Melchior. Momentan seien es einfach die Wintermonate, die man energietechnisch überbrücken müsste. Als Lösung dafür wird gerade eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit vier Megawatt Leistung geplant, sagt er.
Fedderingen sehen und lernen
Das Ganze färbt sein Unternehmen aber nicht nur grün, sondern ist auch wirtschaftlich: „Wir haben Batteriespeicher installiert, um Energie speichern zu können und bereitzuhalten, wenn wir sie benötigen“, sagt er. „Die Gewinne, die aus der EEG-Einspeisevergütung für ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Strom entstehen, nutzen wir, um wieder in Projekte zu investieren, die sich teils betriebswirtschaftlich noch nicht rechnen“, erklärt Melchior. „Das können wir, weil der daraus erwirtschaftete Gewinn für uns nicht zum operativen Geschäft zählt“, verrät er.
Ein Vorzeigeunternehmen mit einem jungen Unternehmer an der Spitze, der nicht nur für rundum gutes Klima sorgen will, sondern auch andere inspirieren: „Wir unterstützen mit unserem Know-how Krankenhäuser und etliche Kreise. Auch vonseiten der Politik werden wir ständig besucht und gerade war eine Stiftung da, die sich anschaut, wie wir das hier schaffen.“
Aktuell ist auf dem Hof in dem kleinen Dorf bei Wulff Med Tec eine Stelle im Vertriebsinnendienst ausgeschrieben, da wo Melchior Meyer mal begann. Eine Chance, die genutzt werden sollte. Bei dem Werdegang von Melchior wird klar, wie viel Potential entfaltet werden kann, wenn Motivation mit Vertrauen belohnt wird.
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