Pferde und SEO
Die meisten Digitalunternehmen haben ihren Sitz nicht auf einem Rittergut. Die meisten Digitalunternehmen sind aber auch nicht der europäische Marktführer für Online- Pferdehandel. Zu Besuch bei Lena Büker, Geschäftsführerin von ehorses.
Ein Sommertag im Juli auf dem Rittergut Osthoff in Georgsmarienhütte. Die Sonne steht hoch, auf der Koppel steht eine Gruppe Stuten mit ihren Fohlen. Doch von dem idyllischen Eindruck sollte man sich nicht täuschen lassen: „Bei uns sieht es aus wie auf dem Ponyhof, aber was wir machen ist AB- Testing und Conversion-Rate-Optimierung. Online-Marketing- Themen.“ Das sagt Lena Büker, Geschäftsführerin der ehorses GmbH & Co. KG. Seit 2012 sitzt ehorses auf dem Rittergut. Vorher war das Unternehmen in den Räumlichkeiten des Hauptgesellschafters, der Neuen Osnabrücker Zeitung, NOZ Medien, in Osnabrück, angesiedelt. „Man merkt, dass das hier für uns ein sehr, sehr guter Standort ist. Auch was Mitarbeitergewinnung angeht, zum Beispiel. Alle, die auch nur ein bisschen pferdeaffin sind, genießen das sehr, hier zu sein.“ Das Rittergut gehört Ulrich Kasselmann, der auch an ehorses beteiligt ist. Kasselmann ist ein ehemaliger Dressurreiter und ein bekannter Pferdesport- Unternehmer. Die Pferde, die hier stehen, gehören ihm. Außerdem finden sich auf dem Rittergut ein Restaurant und ein Hotel sowie mehrere Büro- und Veranstaltungsflächen. Eigene Pferde hat ehorses nicht. „Wir sind eine klassische Classified Platform, das heißt, wir stellen den Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer her. Früher passierte so etwas in Zeitschriften und Zeitungen, heute eben online“, erklärt Lena
Wachstum im Galopp
Ihre berufliche Biografie hat sie früh den Pferden gewidmet. Nach der Schule will sie eigentlich zur Polizei. Doch sie hat Asthma und muss diesen Plan verwerfen. Dass sie auch eine Pferdehaarallergie hat, hindert sie nicht daran, „Pferd & Management“ an der Hogeschool Van Hall Larenstein in den Niederlanden zu studieren. „Ich wusste ja, ich will nicht in den Stall“, erzählt sie lachend. Vier Jahre dauert der Studiengang – auf Niederländisch. Danach geht Lena als Nachwuchsführungskraft zur Deutschen Reiterlichen Vereinigung, wo sie im Bereich Marketing und Kommunikation arbeitet. Den Einblick in die Verbandswelt findet sie spannend, aber nach zwei Jahren hat Lena Lust auf etwas Neues: „Ich hatte so eine Sehnsucht, etwas zu bewegen. Und ich wusste, das geht nur in der freien Wirtschaft.“ Das Start-up ehorses gab es zu der Zeit schon – als One- Man-Show. Lena lernt den Gründer Gjevdet Zeciri während ihrer Zeit beim Verband auch kennen, aber das kleine Unternehmen scheint keine Perspektive für sie zu bieten. Interessant wird es erst, als 2011 der Gründer von Parship bei Lena anruft. Er unterstützt zu der Zeit den M&A-Bereich der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) und berichtet ihr davon, dass die NOZ bei ehorses eingestiegen sei. Und ob das nicht etwas für sie wäre. So kommt Lena zu ehorses, als Teil eines dreiköpfigen Teams: Der Gründer, ein Entwickler und sie selbst, zuständig für Marketing und Kommunikation. Neben der Arbeit für ehorses absolviert sie 2012 noch einen berufsbegleitenden MBA in General Management an der University of Wales und der Fernuni Hagen. Nach zwei Jahren verlässt der Gründer das Unternehmen, Lena wird zur Geschäftsführerin von ehorses. Zu dieser Zeit ist die Plattform noch immer relativ unbekannt, die Website verzeichnet ungefähr 100.000 monatliche Visits. Heute sind es 4,5 Millionen. Und die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist von 3 auf 30 angewachsen. Mittlerweile wird alle 15 Minuten ein Pferd über ehorses verkauft, täglich werden 350 neue Pferde zum Verkauf angeboten. Der Name ehorses ist in den letzten neun Jahren im Pferdebereich zu einem Deonym geworden, so wie Google für Suchmaschine oder Tempo für Papiertaschentuch. „Im Monat wird 191.000- mal nach ehorses gegoogelt und 40.000-mal nach Pferd kaufen“, berichtet Lena. „Und das trotz unterdigitalisierter Zielgruppe!“
Da geht noch mehr
Lena hat das rasante Wachstum in den letzten elf Jahren begleitet und gesteuert. „Elf Jahre, das ist schon recht lang. Manchmal frage ich mich: Ist das gut oder schlecht? Ehrlichgesagt: Eigentlich finde ich das total gut! Solange ich immer noch neue Dinge dazulerne, ist das hier genau der richtige Arbeitsplatz.“ Damit es nicht langweilig wird, hat sich Lena große Ziele gesteckt: Im Jahr 2025 soll ehorses der weltgrößte Pferdemarkt sein. Die Strategie sei gewesen, erstmal in Deutschland richtig groß zu werden und dann auf Internationalisierung zu setzen. Der nächste Schritt sei, in die Breite zu gehen. Bisher verdient ehorses nämlich nur an den Verkäuferinnen und Verkäufern, die für ihre Inserate bezahlen. Doch an den Käuferinnen und Käufern verdiene man noch gar nichts: „Dabei sind die im Schnitt sechs Monate auf unserer Seite aktiv, bevor sie ein Pferd kaufen. Und dann sind sie total positiv aufgeladen mit der Marke – Pferdekauf ist ein Invest und für viele Kunden ein emotionales Thema. Aber leider haben wir danach kein weiterführendes Angebot“, berichtet Lena. Das nächste Ziel sei also, entlang der Customer Journey den Kunden Angebote zu machen. So wird hier zukünftig zum Beispiel das Thema E-Commerce eine Rolle spielen. Eine weitere Möglichkeit sieht Lena auch darin, ein Angebot für den Transaktionsprozess zu schaffen: „Wir vermitteln den Kontakt. Im Regelfall treffen sich dann Käufer und Verkäufer, reiten das Pferd Probe, verhandeln. Der Verkauf findet nicht über ehorses statt, sondern direkt zwischen den beiden – wir sind nicht in der Transaktion drin. Aus unternehmerischer Sicht wäre es spannend, in diese Transaktion reinzukommen. Wir hatten vor Corona ein Gesamthandelsvolumen von 600 Millionen Euro. Im letzten Jahr lag es sogar bei 840 Millionen Euro. Wie können wir da partizipieren?“ Was sie nicht wolle, sei in den Kaufprozess eingebunden zu werden und dann auch bei einer möglichen Rückgabe und Rückabwicklung involviert zu sein. Das sei rechtlich sehr kompliziert. Doch eine Lösung ist schon gefunden: „Wir werden zukünftig ein Payment über ehorses anbieten. Das ist gerade für den internationalen Handel sinnvoll. Wir nehmen dann eine Gebühr, gewährleisten dafür aber auch die Sicherheit für den Käufer, dass sein Geld ankommt. Plus: Wir wissen endlich, wer welches Pferd gekauft hat. Aktuell wissen wir das ja gar nicht!“ Seit 2018 gibt es neben dem Pferdemarktplatz auch einen Hundemarktplatz, edogs. „Vorher hatten uns Pferdeverkäufer immer wieder gefragt, ob sie auch ihre Hunde inserieren könnten. Wir haben uns schließlich für eine separate Seite entschieden, damit die Hundebesitzer, die kein Pferd haben, sich dort auch wohlfühlen.“ Die Plattform habe viel Potenzial, sagt Lena, und die ersten Produkte und Angebote für Hundebesitzer sind auch schon an den Start gegangen: eine monatliche erscheinende Überraschungsbox etwa und eLearning-Kurse in der Academy.
Win-win-Situationen
Einmal im Jahr veranstaltet Lena mit ihrem Team außerdem den Workshop „Aufsatteln im Online-Marketing“ in den Räumlichkeiten des Ritterguts. „Als wir vor fünf, sechs Jahren angefangen haben, Werbung auf ehorses zu verkaufen, haben wir gemerkt: Selbst die großen Brands im Pferdesport sind digital noch nicht so richtig gut aufgestellt. Wir haben teilwiese PDFDateien als Zulieferung für Werbebanner bekommen. Also haben wir beschlossen, unser Wissen zu teilen und sind erstmal mit einem kleinen Workshop zum Thema Online Marketing gestartet. Bewusst ohne Speaker aus dem Pferdesport, sondern ganz auf das Thema digitales Marketing fokussiert.“ Aus dem kleinen Workshop ist mittlerweile ein fester Termin im Kalender geworden, an dem dann die Geschäftsführer und Marketingverantwortlichen nach Georgsmarienhütte kommen. Das Erfolgsgeheimnis von ehorses sei eben, dass das Unternehmen mit viel Wissen und Erfahrung für Online Marketing aufgebaut worden sei: „ehorses ist vor allem groß geworden, weil wir einen starken Schwerpunkt auf SEO gelegt haben. Dadurch haben wir so gute Rankings, dass wir gar keinen Traffic einkaufen müssen. Egal was du googelst, du kommst am Ende immer zu ehorses.“ Auch die NOZ ist für ihr frühes Engagement belohnt worden. Als einer der wenigen Verlage habe man dort schon vor mehr als zehn Jahren die Zeichen der Zeit erkannt und auf Digitalisierung gesetzt, sagt Lena. Bei den Wirtschaftsjunioren ist Lena seit 2013. Ein damaliger Nachbar hatte sie zu einem Stammtisch der WJ Osnabrück mitgenommen. „Da habe ich dann zufällig eine alte Schulfreundin wiedergetroffen. Da wusste ich schon: Ziemlich nette Leute hier. Und dann war ziemlich schnell die Hako – ich glaube, in Bremen – und da bin ich richtig ins WJ-Leben eingetaucht.“ Am meisten schätzt sie den Austausch mit Gleichgesinnten in ähnlichen Positionen, mit ähnlichen Herausforderungen und ähnlichen Themen. Und die Osnabrücker Junioren schätzen das Rittergut Osthoff: Kürzlich hat hier eine Klausurtagung des Vorstands stattgefunden, aber auch eine Jahreshauptversammlung wurde schon in Georgsmarienhütte ausgerichtet. Und manch ein Junior hat auf dem Rittergut sein Büro.
„Egal was du googelst, du kommst am Ende immer zu ehorses.“
Luft nach oben
Und auch Lenas Partner ist Junior. Gemeinsam haben sie eine kleine Tochter – ein Thema, das Lena immer wieder beschäftigt. Einerseits versuche sie, so wenig wie möglich darüber zu reden, dass sie ein Kind hat, „um nicht gleich einen Stempel aufgedrückt zu bekommen“. Andererseits findet sie es wichtig, dass es sichtbare Role-Models für funktionierende Vereinbarkeit gibt. Ein wichtiges Thema, findet Lena, denn in Deutschland sei man leider noch nicht besonders weit, was Frauen in Führungspositionen angeht. Lena hat viel erreicht. Aber sie ist noch nicht fertig. Das Ziel heißt „ehorses Universe“: In diesem Universum hat jeder Reiter und jede Reiterin auf der Welt mindestens einen Touchpoint mit ehorses. Es ist ihr zuzutrauen, dass sie auch das schafft.
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