Vision 2030
Wie stellt Ihr Euch Deutschland 2030 vor? Welche Vision habt Ihr für Euren Bereich der Politik oder der Gesellschaft? Diese Fragen haben wir verschiedenen Organisationen gestellt, in denen sich junge Menschen engagieren. Hier sind die Antworten, die wir bekommen haben
Michael Salomo, Sprecher des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen und Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim:
Kommunen können ruhig selbstbewusst in die Zukunft gehen, da sie im Gegensatz zu Bund und Land nicht abstrakt, sondern konkret mit den Bürgerinnen und Bürgern Lösungen erarbeiten. Für mich geht es unter anderem um folgende Visionen:
Lebendige Innenstädte
Unter einer lebendigen Innenstadt verstehe ich ein breites gastronomisches Angebot, Gewerbetreibende und Einzelhändler sowie Plätze als Begegnungsstätten für die Menschen zum Austausch verschiedener Meinungen, denn davon lebt die Demokratie.
Bürgerbeteiligungsprojekte
…können verschiedene Formen haben. Es können Bürgervereine gegründet werden, in denen die Bürger ihre eigene Stadt mitgestalten. Dies stärkt den Gemeinschaftssinn und auch den Respekt vor öffentlichen Einrichtungen und beugt Vandalismus im öffentlichen Raum vor.
Digitalisierung
Die Behörden müssen dringend mit der Digitalisierung Schritt halten. Es wird eine große Herausforderung für die Behörden sein, das Onlinezugangsgesetz umzusetzen, sowie den enormen Boom der Digitalisierung an den Schulen weiter zu professionalisieren.
Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren alle Schüler mit der entsprechenden Hardware ausgestattet sind und der Umgang mit der Software fest im Lehrplan verankert ist. Es müssen Konzepte erarbeitet werden, um die Lernrückstände der Kinder durch das Homeschooling aufzuarbeiten.
Philipp Türmer, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos:
Investieren, investieren, investieren
Bereits vor Corona haben DGB und BDI in einem Akt ungewohnter Einigkeit gefordert, der deutsche Staat müsse in den nächsten zehn Jahren mindestens 450 Mrd. Euro zusätzlich investieren und die Schuldenbremse dafür aufweichen. Anders könne der anhaltenden Investitionsschwäche, die auch den Wirtschaftsstandort bedroht, nicht begegnet werden.
Es stellen sich enorme Herausforderungen. Neben dem Abbau der offensichtlichen Investitionsrückstände im Bereich der Straßen-, Schienen- und Digitalinfrastruktur, muss es insbesondere gelingen, den Industriestandort Deutschland in das Zeitalter der klimaneutralen Produktion hinüberzuretten. Nur wenn der Staat mithilfe einer ausreichend finanzierten Industriestrategie die Unternehmen in die Lage versetzt, die hierfür erforderlichen Investitionsanstrengungen zu bewältigen, können Unternehmen und hunderttausend gut bezahlte Arbeitsplätze gehalten werden.
Dies wird nicht gelingen, ohne das Dogma der „Schwarzen Null” und ihre verfassungsrechtliche Schwester, die Schuldenbremse, anzugehen. Die Äußerungen von Helge Braun im Januar lassen vermuten, dass dies auch Teilen der Union bewusst ist. Leider enthält das Wahlprogramm jedoch erneut das zukunftsfeindliche Bekenntnis zur investitionsfeindlichen „Schwarzen Null”.
Jede neue Regierung muss es sich ins Stammbuch schreiben lassen, die Investitionsbemühungen erheblich zu steigern und effektiver zu lenken. Die „nationale Wasserstoffstrategie” kann eine Blaupause für die ansonsten triste industriepolitische Strategie darstellen. Nur ein Ende der fiskalischen Zurückhaltung wird es ermöglichen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Wir haben den Anspruch an die kommenden Regierungen, dass sie die Zukunft unserer jungen Generation nicht weiter aufs Spiel setzt.
René Fornol, Bundesvorsitzender der Junioren des Handwerks:
Für viele von uns im Handwerk haben sich die Anforderungen und Werkzeuge in den letzten Jahren spürbar verändert. Die Verarbeitung „intelligenter“ Produkte, wie etwa Heizungsanlagen, Kraftfahrzeuge oder eines mit Sensoren ausgestatteten Bodenbelags, erfordern neue Herangehensweisen und Fertigkeiten. Viele Berufsbilder erfahren gegenwärtig eine spannende Entwicklung. Und wir werden mit ihnen wachsen und sie prägen. Schließlich ist das Handwerk eines der ältesten Gewerbe der Menschheit und von Beginn an einem stetigen Wandel unterzogen gewesen. Nutzen wir also unsere Talente, unsere Neugier und Fertigkeiten, neue Technologien und Möglichkeiten fruchtbar zu machen, uns, unser Handwerk und unsere Betriebe zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Als junge Handwerksgeneration wollen wir Zukunft gestalten und Verantwortung übernehmen. Das gilt in erster Linie für unsere Betriebe, unser Handwerk und unsere Region. Das lassen wir uns von der anhaltenden Corona-Krise nicht nehmen. Angesichts der außergewöhnlich vielen anstehenden Betriebsübergaben ist der Weg in die Selbständigkeit heute sogar wichtiger denn je. Ohne Nachfolger*in müssen Betriebe – meistens sogar über Generationen geführte Betriebe – schweren Herzens aufgegeben werden oder gehen in Strukturen von Großunternehmen auf. Die Folge ist eine weitere Konzentration auf Großbetriebe und Metropolregionen zulasten zumeist ländlicher Strukturen. Es liegt an uns, diesen Entwicklungen zu trotzen und der Zukunft unseren Stempel aufzudrücken.
Jens Teutrine, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen:
Die Corona-Krise hat gezeigt: Wie es ist, darf es nicht bleiben. Eine Pandemie bekämpft man nicht mit Faxgeräten. Der politische Stillstand und die Zukunftsverweigerung der letzten Jahre hat zum Staatsversagen in der Pandemie beigetragen. Für mich folgt aus dem Stillstand jedoch keine Resignation, sondern politischer Tatendrang. Helmut Schmidt hat mal gesagt, wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Ich glaube, dass es wieder Zeit ist, neu zu denken.
In meinem Idealbild einer freien Gesellschaft sind nicht der soziale Hintergrund, das Geschlecht, die Religion, die Hautfarbe oder die Herkunft entscheidend, sondern es zählen Mut, Leistung, Fleiß, Einsatzbereitschaft und der Charakter des Einzelnen. Hierfür braucht es einen grundlegenden Kulturwandel in zwei Bereichen (tatsächlich sind es noch mehr Bereiche, aber das würde den Platz hier sprengen):
1. Der Schulweg muss wieder in die Zukunft führen
Verändern wir die Bildung für unsere Kinder, verändern sie die Welt. Gute Bildung ist häufig der Schlüssel. Wie gelingt sozialer Aufstieg? Mit Bildung. Wie ein selbstbestimmtes Leben? Mit Bildung. Machen wir die Modernisierung unseres Bildungssystem zu unserem Mondfahrprojekt: digitale Lernmethode für individuelle Förderung, die besten Schulen in den Bezirken mit den größten sozialen Herausforderungen, Talentscouts an jede Schule und vieles mehr.
2. Wirtschaftswunder: Make in Germany
Während die Wirtschaft in anderen Regionen der Welt wieder durchstartet, wird sie hier weiter durch hohe Steuern, viel Bürokratie und einem starren Staat gebremst. Es braucht einen Neustart – in den Köpfen. Haben wir endlich wieder mehr Freude am Erfinden statt am Verbieten! Wecken wir Gründergeist und Unternehmertum!
Jan Hägerling, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Landjugend:
Was in neun Jahren mit „Mehr Politik fürs Land“ geht:
Wir kommen zu einem gesellschaftlichen Zusammenhalt, der #landgemacht sein könnte. Weil wir wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind, und anderes viel wichtiger ist, als gefühlt zu gewinnen: sauberes Trinkwasser etwa und gute Lebensmittel, Insekten und eine intakte Umwelt, Bildung, die Spaß macht, und ein verlässlicher Rechtsstaat… Mit diesem Rückbesinnen aufs Wesentliche kriegen wir die Probleme der Menschheit in den Griff. Wir tragen Werte und Meinungen nicht mehr wie unüberwindbare Hindernisse vor uns her, so dass jede:r besonders bleiben und doch eine:r von uns bleiben können. So können Menschen – egal wo sie leben, wie sie aussehen und was sie besonders gut können – ergebnisoffen arbeiten, uns vernetzen und im Miteinander Lösungen finden, an die heute noch niemand denkt.
Die Landwirtschaft steht wieder in der Mitte der Gesellschaft. Mit der Zukunftskommission Landwirtschaft hat sie bewiesen, dass sie gestalten kann. Diese konstruktive Streitkultur ist 2030 das Mittel der Wahl, hat sie doch 2021 gezeigt, was sich mit Besinnung auf das Gemeinsame erreichen lässt. Ihre Empfehlungen sind in neun Jahren fast umgesetzt: Es gibt Planungssicherheit für Junglandwirt:innen, sie erhalten bevorzugt Zugang zu Grund und Boden, Höfe werden frühzeitig und verbindlich übergeben, und nicht erst, wenn eine riesige Investitionslücke klafft…
Digitale Teilhabe ist für alle selbstverständlich. Egal ob an der Milchkanne oder im Supermarkt – superschnelles Internet und entsprechender Mobilfunk sind Standard: flächendeckend und ohne bestimmte Gruppen zu bevorzugen. Sie stehen im Katalog der garantierten Daseinsvorsorge, der für gleichwertige Lebenschancen überall in Deutschland sorgt.
Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union:
‚Der nächsten Generation soll es einmal bessergehen als der Jetzigen‘ ist das Motto unseres Landes. Das treibt uns alle an. Dabei wollen wir Deutschland nicht den Angstmachern von rechts und links überlassen, sondern mit Mut, Optimismus und Zuversicht unser Land wieder zu einem echten Aufstiegsland machen. Um diesen Traum zu verwirklichen, setzen wir neue Impulse und stellen klare Forderungen.
Denn zu lange haben wir uns mit der Sicherung des Status quo zufriedengegeben. Während andere Nationen an uns vorbeiziehen, hat Deutschland notwendige Reformen vermissen lassen. Diese Schwachstellen zeigen sich in der Corona-Pandemie noch einmal deutlicher denn je und führen uns vor Augen, dass unser Aufstiegsversprechen eben nicht mehr selbstverständlich ist. Ob Gesundheitsämter, die mit dem Faxgerät kommunizieren oder Schulserver, die kollabieren. Das kann uns nicht ruhig bleiben lassen. Was wir jetzt brauchen ist eine Schulcloud, die wirklich funktioniert, Steuererleichterungen für Familien, etwa bei der Grunderwerbsteuer, Innovationen für neue, klimafreundliche Geschäftsmodelle und eine schnellere und digitalere Verwaltung. Wir brauchen einen generationengerechten Sozialstaat und ein klares Bekenntnis zu einem starken und selbstbewussten Deutschland in Europa. Denn nur eine Gesellschaft, die zusammenhält und in der alle mitgenommen werden, kann das Aufstiegsversprechen unserer Generation Realität werden lassen