Politik für den Planeten

Michael Kellner ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung. Er sitzt seit 2021 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Unsere Bundesgeschäftsführerin hat ihn in Berlin getroffen.

Interview von Laura Jorde

Lieber Michael, wie muss für Dich eine Wirtschaft aussehen, um gut für den Planeten zu sein?

Der erste Punkt ist ein Energiesystem, das auf erneuerbare Energien und auf grünen Molekülen aufgebaut ist. Also auf Energie aus Wind und Sonne, grünem Wasserstoff und Biomasse. Da wissen wir eigentlich, bei allen Herausforderungen, wie das gehen könnte. Die nächste große Herausforderung ist die Kreislaufwirtschaft. Wie schaffen wir es, dass wir Ressourcen, die wir aus dem Planeten herausholen – also zum Beispiel Metalle – im Kreislauf halten? Das ist eine große Chance. Die Ressourcenwende ist die nächste große Frage, die wir lösen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Gibt es ein Unternehmen, das Dich in dieser Hinsicht besonders anspricht? Einen Vorreiter?

Es gibt wahnsinnig viele tolle Unternehmen! Die Wirtschaft ist oft schon viel weiter, als es manchmal in der öffentlichen Debatte gesehen wird. Mich beeindrucken die ganz klassischen Branchen wie die Bauindustrie, die selbst sagt: ‚Wir wollen die Baustoffe wiederverwenden. Helft uns bitte mit der Regulierung, dass das möglich wird‘.  Das finde ich genauso beeindruckend und wertvoll für den Planeten wie ein Green-Tech-Unternehmen, das besonders leistungsstarke Solarzellen herstellt. Wir haben in Deutschland das Glück, dass wir in der Breite, im Mittelstand, über viele innovative Ideen und Ansätze verfügen. Das macht mich sehr glücklich.

© WJD

Wir erleben es oft bei uns im Verband, dass die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer gerade auch in Energiefragen gute Ideen haben und ihrer Zeit voraus sind. Viel zu oft scheitern sie aber an bürokratischen Hürden. Wann wird es endlich leichter, innovative Ideen auch umzusetzen?

Um das zu ändern, brauchen wir einerseits eine andere Form von Regulierung, die so was ermöglicht. Beim Thema Kreislaufwirtschaft erarbeiten wir dazu gerade eine Strategie. Zugleich brauchen wir einen Zugang für Unternehmen zu Kapital für ihre Investitionen. Damit meine ich nicht nur staatliche Fördermittel. Die Frage ist: Wie schaffen wir es, dass Kredite vergeben werden, dass der Zugang zu privatem Kapital leichter erfolgen kann. Wir müssen als Land besser werden, die guten Ideen, die es gibt, nach oben zu bringen.

Ist es nicht gerade der Bürokratieabbau, an dem gearbeitet werden muss?

Wir profitieren als Gesellschaft von klaren Regeln. Nur haben wir es mittlerweile zugelassen, dass die Regeln so kompliziert geworden sind, dass sie sehr schwer nachvollziehbar sind. Oft ist es die Summe von Regeln, die es so wahnsinnig kompliziert macht. Man denkt ja gern: Wir schaffen eine Regel ab, oder meinetwegen auch zwei, und dann ist alles gut. Doch meistens ist nicht die einzelne Regel das Problem, sondern das Zusammenspiel von unterschiedlichen Regelungsmaterien, also Bundesrecht, Landesrecht, Europarecht. Das führt dazu, dass es so wahnsinnig kompliziert ist.

Womit wir gute Erfahrungen gemacht haben, sind Praxischecks. Wir haben gerade einen mit dem Handelsverband durchgeführt. Da schauten wir uns konkret an, wie viele Hürden man überwinden muss, um Photovoltaik auf die Dächer zu kriegen. Sechzig! Davon schafften wir jetzt erstmal dreißig ab. Wir versuchen, das Dickicht zu durchforsten. Es bringt nichts, nur symbolisch mal eine Regel auszuknipsen. Man muss das System verstehen.

Du bist jetzt seit anderthalb Jahren Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Wenn Du zurückblickst, worauf bist du stolz? Und wo sind vielleicht noch Baustellen?

Wir sind mit unglaublich viel Elan in die Regierung gekommen. Wir wollten regieren, gestalten, verändern. Das wollen wir weiterhin. Und dann wurde 2022 ein Jahr, wie sich das keiner von uns gewünscht hat: So sehr dominiert von dem brutalen Krieg in der Ukraine, von dem Angriff Russlands. Wir saßen letzten Sommer im BMWK zusammen und fragten uns: Wie sichern wir, dass Unternehmen produzieren können und dass Menschen in ihren Wohnungen nicht frieren? Auf einmal waren wir zurückgeworfen auf ganz fundamentale Fragen von Versorgungssicherheit, von Sicherheit ganz allgemein. Wenn ich jetzt das Jahr Revue passieren lasse, dann würde ich sagen: Wir haben vor allem eine wichtige Sache geschafft. Wir haben gemeinsam als Gesellschaft mit Unternehmen, mit Privathaushalten, mit dem, was die Politik getan hat, dafür gesorgt, dass wir gut durch diesen Winter kommen. Dass Leute nicht frieren müssen, dass Unternehmen produzieren können.

Gibt es eine Innovation, von der du sagen würdest, die fehlt noch auf diesem Planeten?

Ja, das Beamen! Das würde ordentlich Zeit ersparen. Ich befürchte nur, dass es wahnsinnig energieaufwändig wäre und wir dann noch mehr Erneuerbare bräuchten.