Wir sind motiviert
Vom Profisport lernen: Warum man sich selbst den meisten Druck macht und
wie man vermeidet, den Pessimismus-Muskel zu trainieren.
von Stella Kennedy
„Nur das, was ich mir vorstellen kann, das kann ich auch erreichen“, sagt Antje Heimsoeth. Die 57-Jährige ist Mental Coach und berät Spitzensportler und Führungskräfte. Wenn jemand weiß, was für Kraft die Gedanken haben, dann sie. Ende der 1990er-Jahre hat die gebürtige Münchnerin einen schweren Reitunfall, ist danach einige Zeit im Rollstuhl. Doch mithilfe von mentalen Techniken und dem Glauben an sich zieht sie sich selbst aus dem Loch. Heute ist sie erfolgreicher denn je, ist Keynote-Speakerin, aktiv beim Senat der Wirtschaft Deutschland und Fördermitglied bei den Wirtschaftsjunioren.
Optimismus kann man trainieren
Doch wie trainiert man mentale Stärke und gibt es die Möglichkeit, Sorgen, Zukunftsängste und Worst- Case-Szenarien einfach weg zu denken? Antje sagt ganz deutlich: „Ja. Optimismus kann man trainieren“. Sie fügt hinzu: „Ein optimistischer Unternehmer wird immer erfolgreicher sein als ein pessimistischer und darüber hinaus wird er es schaffen, andere Menschen mit seiner Ausstrahlung anzustecken und zu motivieren“. Ein solcher Unternehmer ist Torsten Pfennig. Der 39- Jährige ist Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren in Köln und Prokurist beim achtfachen deutschen Eishockey Meister, den Kölner Haien. Auch bei Torsten kommt die Biografie nicht ohne Rückschläge aus. Ähnlich wie Antje zerbricht er jedoch nicht daran, sondern nutzt sie für persönliches Wachstum. Aber von vorne. Es ist Sommer 2017 und Torsten, der als Geschäftsführer für den Frauen-Handball-Club HSG Blomberg-Lippe arbeitet, wird aufgrund persönlicher Differenzen mit dem Sportdirektor entlassen. „Das war ein krasser Schlag“, so der gebürtige Kasselaner. Die Zeit danach, sagt Torsten, wäre für ihn eine der härtesten seines Lebens gewesen, aber auch eine der lehrreichsten. Er lernt vom Profisport – und davon, wie Teams funktionieren.
Reflektieren als Superpower
Mal gibt es Spiele, die man verliert. Mal stolpert man unterwegs und macht einen Schritt zurück“, so Torsten. „Das ist alles völlig normal. Das muss man sich aber erst einmal selbst eingestehen.“ Er macht eine Pause. „Es geht am Ende nämlich darum, welche Erwartungen habe ich an mich. Der meiste Druck kommt nicht von den anderen, sondern den setzt man sich selbst.“ Bei dem Umgang mit sich, den eigenen Zielen und auch Niederlagen habe er von den Leistungssportlern gelernt, sagt er.
Genauso auch, was es bedeute, wenn alles gut laufe und man alles zeigen müsse: „Es geht einfach darum, im richtigen Moment hellwach zu sein“, sagt der 39-Jährige, „und dann aber auch alles zu geben!“. Damit das nachhaltig funktioniere, müsse man konsequent Misserfolge analysieren, so der Unternehmer. Auch da hat er vom Sport gelernt: „Nach Niederlagen heißt es ganz klar, dass man noch härter an sich arbeiten muss und reflektieren, wo dran es gelegen hat, wo die Schwachstellen waren.“ Diese bewusste Rückbesinnung aufs eigene Handeln gehört für Antje zur täglichen Routine: „Am Ende jeden Tages reflektiere ich mein Tun und frage mich, was habe ich heute getan, um meinem Ziel ein klein wenig näherzukommen“. Dabei, betont sie, ist das Ziel oder die Vision, wohin die eigene persönliche Reise hinsolle, nicht das Wichtigste. Man müsse auch unbedingt den Weg dahin würdigen. Ein Kerngedanke: Sich zu vergegenwärtigen, im Hier und Jetzt zu sein. Denn: „Den größten Impact auf unsere Leistung haben wir in der Gegenwart und das gilt genauso für Unternehmer wie für Spitzensportler“.
Übung, Übung, Übung
Darum, betont Antje, ist es wichtig, dass man bei Rückschlägen nicht im Jammern stecken bleibt. „Nur im Flow ist Höchstleistung möglich. Im Flow ist kein Raum für Grübeln. Sich nur mit Sorgen und Problemen, statt mit Lösungen zu beschäftigen, geht außerdem auf Kosten unserer mentalen Gesundheit“, sagt sie. Dabei hilft es, die eigenen Erfolge und die Erfolge des Teams wahrzunehmen und zu feiern. „Das hat mit den Lernvorgängen unseres Gehirns zu tun, die durch Neuroplastizität ermöglicht werden“, erklärt sie. „Sehr vereinfacht gesagt: Wenn wir überwiegend negativ denken, trainieren wir den Pessimismus-Muskel und dieser dominiert dann unser Leben“. Und weil es so einen großen Einfluss auf unsere Leistungen hat, ob wir zuversichtlich oder ängstlich, ob wir Optimisten oder Pessimisten sind, ist es so wichtig, mentale Stärke zu trainieren. Dabei darf auch nicht die unmittelbare Auswirkung der oder des Einzelnen auf das Team unterschätzt werden. In einer Mannschaft, genau wie in einem Unternehmen, kann das „Wir“, also die Summe aller Individuen, nur dann maximale Leistung zeigen, wenn alle an einem Strang ziehen. Ein Negativbeispiel aus dem Spitzensport lieferte im Jahre 2010 der amtierende Fußballeuropameister Frankreich bei der Weltmeisterschaft in Südafrika: Vorrundenaus mit nur einem erzielten Tor. Nach dem Titelgewinn nur zwei Jahre vorher war etwas im und mit dem Team passiert, das einen weiteren großen Erfolg unmöglich machte. Auch im Eishockey gilt es als eine besondere Herausforderung, nicht nur einmal maximal erfolgreich zu sein, sondern jedes Jahr erneut den maximalen Erfolg anzustreben, weiß Torsten. Um also kontinuierlich erfolgreich zu sein, muss eine hohe intrinsische Motivation aller Teammitglieder vorliegen und an der muss genauso gearbeitet werden, wie an der körperlichen Fitness. Wie individuell solche Übungen für mentale Stärke und Motivation aussehen können, sieht man am Beispiel von Torsten. Sein mentales Training (das er nicht so nennt), beinhaltet zum Beispiel Kaffee trinken und Fotos anschauen von Ereignissen, Menschen und Zielen, die ihn motivieren: „Zwei- bis dreimal am Tag nehme ich mir die Zeit, mache mir einen Espresso und sitze hier einfach fünf Minuten vor meiner Fotowand und bin so richtig im Moment drin“. Wer solche kleinen Übungen zur Gewohnheit werden lässt, der trainiere sich auch im Optimismus, erklärt Antje. „Dankbarkeit, Entspannungsübungen, Meditation, Life Balance, gute Laune, das Besinnen auf die eigenen Erfolge und immer versuchen, das Gute in Krisen zu sehen“. Ein kleines Ritual, ein bisschen Dankbarkeit, – aber der Effekt für ihn ist immens, wie er sagt. „Gerade, wenn ich ein Tief oder Rückschläge erlitten habe, tut das sehr gut. Ich denke mir dann einfach, hey, morgen scheint eh wieder die Sonne. Das ist ihr Rhythmus: abends geht sie unter, morgens geht sie wieder auf!“. Wie Tennis-Star Arthur Ashe einst sagte: „Success is a journey, not a destination“.