Wohlstand durch Dekarbonisierung

Was hat Klimaschutz mit unserem Wohlstand zu tun? Tobias hat Impact Investorin Larissa Skarke vom World Fund in München getroffen, um dieser Frage nachzugehen.

Interview von Tobias Hocke

Liebe Larissa, World Fund, also frei übersetzt Welt-Fonds, das klingt ja nach einigem Anspruch: Welche Intention hat diese Namensgebung und was bedeutet er für Euer Business?

Da stecken zwei Ideen dahinter. Die erste Idee ist zu sagen: Wir haben ein globales Problem und wir möchten mit dem Fonds darauf einzahlen. Wir fokussieren uns auf europäische Technologien, die weltweit anwendbar sind und einen globalen Impact haben. Daher kommt der Name World Fund. Aber auf der anderen Seite ist der Name auch ein Statement. Das ist ein First-Time Fonds, aber wenn wir die Welt wirklich positiv verändern wollen, brauchen wir große Summen an Kapital. Und deswegen muss man mutig sein! Der Fund hat ein Zielvolumen von 350 Millionen Euro. Einer der größten Fonds dieser Art in Europa – natürlich im Vergleich zu den USA sehr klein, aber für einen Climate Tech stand-alone Fonds ist das schon ein großes Ausrufezeichen. Und das ist eben die andere Idee dahinter: Deutlich zu machen, dass wir dieses Thema jetzt wirklich angehen wollen und müssen!

Bundeskanzler Olaf Scholz hat kürzlich gesagt, eigentlich sei die Transformation, die gerade auf der Welt geschieht, eine Riesenchance für Deutschland. Und ich stimme dem zu. Aber was wir ja alle mitbekommen ist, dass viele Gründerinnen und Gründer gerade abwandern aus Deutschland, vor allem in die USA. Weil hier das Kapital fehlt und die Bereitschaft zu investieren. Was denkst Du, woran es in Deutschland hapert?

Ich würde Herrn Scholz an dieser Stelle zustimmen. Ich glaube, es ist eine Riesenchance für Deutschland und Europa. Aber wir haben diese Chance bisher nicht hinreichend ergriffen. Das hat meiner Meinung nach mehrere Gründe. Zum einen auf politischer Ebene: Es gibt große Ziele in Europa, aber an der Umsetzung hapert es noch etwas. Ohne attraktive Rahmenbedingungen ist es für Unternehmer:innen schwierig, von den Zielen der Politik zu profitieren und so wandern sie gegebenenfalls ab. Zum anderen bedarf es ausreichend Risikokapital. 50 Prozent der Klima-Technologien, die wir bis 2050 brauchen, sind noch nicht entwickelt und müssen mit Risikokapital unterstützt werden. Aber Risikokapital war immer schwierig aus europäischer Sicht, weil wir nicht so risikobereit sind wie beispielsweise unsere amerikanischen Kolleg:innen. Und das sieht man auch an den Fonds, die in den USA – nicht nur im Nachhaltigkeitsbereich, sondern auch im normalen Venture-Capital-Bereich – viel größer sind als in Europa.

Euer Claim lautet „We help to decarbonise the global economy“. Der Fokus liegt also auf Dekarbonisierung, auf Klimaschutz. Wie hängen in Deinen Augen Klimaneutralität und wirtschaftlicher Erfolg zusammen? Und wie würdest Du dem Vorbehalt begegnen, Klimaschutz sei teuer?

Als Allererstes: Das Klima nicht zu schützen, ist noch viel teurer! Es gibt mittlerweile viele Studien, welche Auswirkungen es auf das BIP hat, wenn wir untätig bleiben. Die Risikofaktoren aus der Umwelt wirken sich auf alle Unternehmen aus und für diejenigen, die handeln, kann darin eine große Wettbewerbschance liegen. Wie wir darüber nachdenken, ist zu sagen, es ist eine neue Art von Revolution: die grüne Revolution. Das heißt, die Bereiche, die global den größten Dekarbonisierungsbedarf haben, werden auch die größte Wende sehen. Für unsere Kapitalgeber ist es wichtig, in genau diese Bereiche reinzugehen, um so an dieser Wende teilzuhaben und mithilfe ihrer Unterstützung neue Technologien voranzutreiben. Wichtig hierbei ist die wissenschaftliche Sichtweise als Richtungsweiser in Investment-Entscheidungen aufzunehmen. Nur so kann großes disruptives Potential identifiziert werden, das sowohl signifikant CO2 einsparen als auch global skalieren kann.

Eine derzeit sehr laute politische Gruppe vertritt ja eine andere Auffassung: Durch grüne Ideologie würde alles heruntergewirtschaftet. Ist Klimaneutralität durch Climate Tech der goldene Weg, auf den sich alle einigen können, um unseren Wohlstand zu erhalten? Goldener Weg finde ich schwierig, weil es ja nicht das Einzige ist, was man tun kann. Ich glaube, es ist ein extrem wichtiger Weg. Wir haben historisch bereits gezeigt, dass wir bahnbrechende neue Technologien in Europa entwickeln und in die Welt hinaustragen können. Wenn wir jetzt sagen, dass die Hälfte der Technologien, die es zum Klimaschutz bedarf, noch nicht entwickelt sind, bedeutet das ja, dass wir die Möglichkeit haben, diese Technologien hier zu entwickeln. Dementsprechend können wir als Wirtschaftsstandort wieder in einen Aufschwung kommen und zum Wohlstand insgesamt beitragen. Das heißt, ich sehe das überhaupt nicht als grüne Ideologie, sondern wirklich als große Chance, sowohl auf der Nachhaltigkeitsseite als auch auf der wirtschaftlichen Seite uns wieder weiter nach vorne zu bringen.

Macht es die Politik Euch als Risikokapitalgeber leicht oder gibt es Weichen, die Ihr gern gestellt sehen würdet?

Da ist auf jeden Fall Luft nach oben. Aber ich würde jetzt auch nicht sagen, die Politik ist allein verantwortlich dafür, dass wir die Chance noch nicht hinreichend ergriffen haben. Ich sehe die Verantwortung auch bei den Unternehmen und Kapitalgebern, der Politik zu helfen. Es sind wahnsinnig technische Themen, es sind neue Technologien, das heißt, man muss überhaupt erst Aufklärung betreiben: Was ist überhaupt technologisch möglich? Und welches Umfelds bedarf es, um diese Technologien zu entwickeln? So können Unternehmen der Politik die Möglichkeit geben, darauf zu reagieren. Und von Kapitalgeberseite bedarf es des Muts, diese Technologien zu unterstützen. Was ich mir wünschen würde, ist eine noch engere Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Forschung, um neuen Ideen Gehör zu verschaffen und sie schnell auf die Straße zu bringen. Schnellere Patente wären auch schöner. Das ist einfach eine bürokratische Hürde.

Angenommen ich bin ein Gründer mit einer guten Climate Tech-Idee. Wie läuft das ab, wenn ich von Euch finanziert werden möchte? Kannst Du uns einmal die Reise von so einem Gründer oder Gründerteam bis zu einem funded Unternehmen skizzieren?

Sehr gerne! Zuerst muss man mit uns in Kontakt treten. Wir bekommen über unsere verschiedenen Kanäle guten Zulauf, zum Beispiel über das Unternehmer:innennetzwerk, das wir haben, sowie unsere Investor:innen, Universitäten und so weiter. Da sind wir recht präsent. Oder man kann sich direkt bei uns melden. Jeder bekommt eine Antwort, der sich über unsere Website bei uns meldet.

Unsere erste Linse, mit der wir auf ein Unternehmen schauen, ist: Welches CPP hat ein Unternehmen? CPP ist eine Methodologie, die wir entwickelt haben und steht für Climate Performance Potential. Damit schauen wir uns an, ob ein Unternehmen das Potenzial hat, signifikant zur globalen Dekarbonisierung beizutragen. Das heißt, ist es eine Technologie, die wirklich etwas verändert im Vergleich zu dem, was wir derzeit haben? Und glauben wir, dass diese Technologie weltweit skalierbar ist? Denn signifikant wird es eben nur, wenn wir nicht mit der Technologie in Deutschland, in Europa bleiben. Das ist unsere allererste Messlatte.

Wenn diese Bedingung erfüllt ist, schauen wir uns die wirtschaftliche Seite an. Ein sehr wichtiger Punkt, gerade wenn wir darüber sprechen, wie man den Vorwurf der „grünen Ideologien“ entkräftet. Wenn das Unternehmen nicht irgendwann in der Lage ist, auf eigenen Beinen zu stehen, dann wird es eben auch schwierig, den notwendigen Impact zu erreichen. Das heißt auch, wenn ein Unternehmen ganz am Anfang steht: Unit Economics ist das allerwichtigste. Nur so kann man sehen, ob es irgendwann funktioniert.

Das sind so die ersten Gespräche, die wir mit dem Unternehmen führen. Wenn wir dann zusammenkommen, geht es natürlich ganz klassisch in den Due Diligence Prozess rein, von allen Seiten. Die Gespräche mit dem Management sind dabei von großer Bedeutung – weil es für uns extrem wichtig ist, dass wir dieselbe Vision teilen. Das ist ein zentraler Faktor, damit die Zusammenarbeit langfristig klappt.

Inwieweit ist Euer Impact und Euer Engagement global? Gerade wenn wir auf den Globalen Süden schauen, gibt es ja noch ganz andere Bedarfe für technologische Lösungen. Stichwort Wasserknappheit zum Beispiel. Gibt es da bei Euch aktuell oder perspektivisch Unternehmen im Portfolio, die sich damit befassen? Und inwieweit ist für Euch der Aufbau und die Sicherung des Wohlstands im Globalen Süden ein Thema?

Wir schauen uns gezielt auch Unternehmen an, die ihren Hauptsitz in Europa haben und ihre Operations beispielsweise in Südamerika. Es gibt tatsächlich viele Technologien, die nur dort wirklich funktionieren. Etwa im Carbon Removal-Bereich, weil der Boden in manchen Gegenden dafür geeigneter ist. Das gibt die Möglichkeit, an solchen Standorten wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen.

Eine andere Frage, die immer in dem Zusammenhang kommt, ist, inwieweit können wir Wohlstandsländer den Globalen Süden in die Mitverantwortung nehmen? Etwa beim Thema Fleischkonsum und alternative Proteine. Müssen jetzt auch alle Menschen in Südamerika aufhören, Fleisch zu essen, oder fangen wir erst mal bei uns an? Wenn wir mit unserer Wohlstandsbrille auf so eine Thematik schauen und sagen, naja, die anderen, die werden das schon irgendwie machen, ist das ein Problem. Weil wir in den Wohlstandsländern natürlich viel von unseren Klimaproblemen verschuldet haben. Dementsprechend glaube ich, ist es gut, dass wir uns hauptsächlich mit Technologien befassen, die auch hier erst mal angewendet werden. Und wir unsere großen Probleme hier lösen. Nichtsdestotrotz, wenn es die Möglichkeit gibt, auch die Standorte dort zu stärken: sehr gerne!

Was ist Deine persönliche Motivation, im Impact Investment tätig zu sein statt im klassischen Investment?

Mir hat das Investieren schon immer wahnsinnig viel Spaß gemacht. Das ist eine Leidenschaft von mir und zum Glück habe ich sie im Beruf gefunden! Für mich ist die Finanzwelt das Tool, das ich habe, um einen positiven Einfluss für unsere Gesellschaft zu haben. Die Frage für mich ist deshalb nicht, warum diese Art von Investieren, sondern vielmehr, warum nicht?

Beim World Fund kann ich das dediziert machen. Vorher war ich auch in dem Bereich tätig, habe allerdings nur einen kleinen Impact Fond innerhalb eines großen Generalisten-Investors betreut. Beim World Fund haben alle sehr unterschiedliche Hintergründe, viele kommen aus der Wissenschaft, und wir befruchten uns gegenseitig – aber alle haben dieselbe Vision. Hinzu kommt, dass ich beim World Fund vor allem junge Unternehmen unterstützen kann. Vorher habe ich viel mit Unternehmen im Late-stage Growth- und Private-Equity-Bereich gearbeitet. Leider haben es viele Unternehmen nicht geschafft, auf eigenen Beinen zu stehen. Einer der größten Faktoren war, dass die meisten Fonds sehr dezidierte Mandate hinsichtlich Stage haben und die Startups daher von Runde zu Runde leben mussten, anstatt sich nachhaltig und gut aufzustellen.  Mit dem World Fund haben wir die Möglichkeit, früh reinzugehen, etwa ab Seed hin bis zu Series B oder C für das initiale Ticket. Zudem haben wir zwei Drittel des Kapitals für Follow-ons reserviert. Dementsprechend können wir unsere Portfolio-Unternehmen längerfristig unterstützen, bis sie dann hoffentlich auf eigenen Beinen stehen. Das ist etwas, was wir vor allem in Europa bisher nicht ausreichend haben – und das ist dann hoffentlich mein persönlicher Beitrag, mein Impact.

Nochmal zurück zum Wohlstand: Was bedeutet Wohlstand für Dich?

Für mich bedeutet Wohlstand, ausreichend zu haben. Und ausreichend kann im wirtschaftlichen Sinne gemeint sein, kann im gesundheitlichen Sinne, kann im Umweltsinne gemeint sein. Dass man leben kann, ohne sich große Sorgen darum zu machen und idealerweise auch ohne negative Externalitäten hervorzurufen.

Vielen Dank, liebe Larissa!

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