Gesichter der jungen Wirtschaft: Maria Obermeier
Maria Obermeier wurde mit 20 Geschäftsführerin eines Baumaschinenhändlers in der Oberpfalz. Heute treibt sie die Branche in Punkto Digitalisierung und Innovationen vor sich her.
Sie hat noch viel vor
Eine junge Frau in blauer Arbeitsjacke steht vor einem Minibagger, die langen Haare sind unter dem Sicherheitshelm zu einem Zopf gebunden. „Ich bin die Maria von OBM. Schön, dass du bei uns gemietet hast“, sagt sie und lächelt. So beginnt das Video, in dem Maria Obermeier Schritt für Schritt erklärt, wie der Minibagger richtig bedient wird. Die 29-Jährige ist die Geschäftsführerin von OBM, einem Unternehmen in Amberg, das Baumaschinen vermietet und verkauft. Am häufigsten ausgeliehen wird der Minibagger, den auch Maria selbst sehr gern bedient. „Den kann echt jeder gebrauchen“, sagt sie. Damit ihre Angestellten nicht täglich aufs Neue erklären müssen, wo und wie oft der Bagger geschmiert werden muss und was eigentlich der Hase im Display des Fahrhebels bedeutet, kam sie auf die Idee mit den Erklärvideos. Erst im April 2021 hat sie die Minibagger-Einweisung auf Youtube gestellt, das Video wurde schon mehr als 16.000 Mal angeschaut. Dass sie eines Tages den Betrieb ihres Vaters Josef übernehmen wird, war für Maria immer klar. Nachdem sie technische Zeichnerin gelernt hatte, schloss sie noch eine zweite Ausbildung zur Industriekauffrau im Betrieb ihres Vaters ab. Ihr Plan war es, noch den Wirtschaftsfachwirt in Regensburg zu absolvieren und später in die väterliche Firma zurückzukehren. Sie hatte schon eine kleine Wohnung gemietet, die Koffer gepackt. Doch es kam anders. Am 21. September 2012 starb Josef Obermeier bei einem Ernteunfall. Maria war zwei Tage zuvor von ihrer ersten längeren Reise heimgekommen. Eigentlich wollte sie nur bei der Maisernte helfen, dann nach Regensburg aufbrechen. „Mein Leben hat sich von einem auf den anderen Tag gewandelt“, sagt Maria. Doch sie verfiel nicht in eine Schockstarre, sondern sorgte dafür, dass die Ernte zu Ende gebracht wurde und dass die Helferinnen und Helfer sich trauten, über die Todesstelle zu fahren.
Den Zweiflern zum Trotz
Maria war die Einzige, die sich vorstellen konnte, den Betrieb des Vaters weiterzuführen. Ihre Mutter kümmerte sich um den Bauernhof, der Bruder war mit seinen zwölf Jahren noch zu jung und Marias ältere Schwestern studierten. Und so saßen Maria und ihre Mutter mit einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt zusammen. Sie könne es als junge Frau in der harten Männerbranche nicht schaffen, sagten diese. Je vehementer die Männer ihr abrieten, desto sicherer wurde Maria: Ich will es versuchen.
Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hatte OBM zu diesem Zeitpunkt. Doch die Angestellten verließen die junge Chefin innerhalb des ersten Jahres. Es kursierten Gerüchte über ihre Pleite. Maria aber ließ sich nicht beirren, stellte neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die Vertrauen in sie hatten. Dabei waren die Anfangsjahre alles andere als einfach. Geschäftspartner witterten die Möglichkeit, der jungen Chefin teure Maschinen anzudrehen – zu speziell, als das Maria sie je wieder losgeworden wäre. Andere behaupteten schlicht, die teuersten Maschinen bei OBM würden ihnen gehören – und scheiterten vor Gericht.
Maria ließ sich von alldem nicht beeindrucken. Sie wirkt gelöst, wenn sie die alten Geschichten erzählt, von Verbitterung keine Spur. Doch eigentlich hat sie wenig Lust, zurückzublicken. Auch wenn es schwere Tage gab, habe sie die Firmennachfolge nie bereut. Maria ist ein durch und durch fröhlicher, positiv gestimmter Mensch. Sie blickt stets nach vorn und erzählt lieber davon, wie sie OBM nach ihren Vorstellungen umformt.
Visionäres Denken liegt in der Familie
Der Grundstein für OBM Baumaschinen legte Marias Vater mit einem Baggerlader, den er angeschafft hatte, um einen Bauernhof in einem Dorf im Landkreis Amberg-Sulzbach zu bauen. Es folgten weitere Bauvorhaben und Maschinen. Bald liehen sich Leute aus dem Dorf die Geräte aus. Als es immer mehr Maschinen wurden, ersteigerte Josef Obermeier 2001 ein großes Areal im Amberger Industriegebiet, von dem OBM heute noch große Teile vermietet. „Mein Vater hat immer visionär gedacht“, sagt Maria. Sie ist ihm in vielem ähnlich, hat seine Interessen geerbt und wie ihr Vater schon mehrere Häuser gebaut. „Bauen macht mir einfach Freude“, sagt sie.
Früher lag der Schwerpunkt von OBM auf dem Handel mit gebrauchten Baumaschinen. Maria konzentriert sich heute vor allem auf den Mietpark mit mehr als 500 hochwertigen Maschinen und dem Verkauf von neuen Baggern. Das Sortiment wird stets erneuert und Maria plant, in Maschinen mit 2D- und 3D-Steuerung zu investieren. „Wir haben den Anspruch, unsere Kunden komplett zu bedienen“, sagt sie.
Elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt OBM heute, bis auf zwei sind alle älter als die Chefin. Die Aufgabenverteilung ist nur auf den ersten Blick klassisch. Zwar arbeitet keine der sechs weiblichen Angestellten in der Werkstatt, aber einen reinen Bürojob hat auch keine. Sie alle können die Maschinen bedienen, liefern diese aus und weisen Kunden ein. Die Unterlagen, mit denen sowohl in der Werkstatt als auch im Büro gearbeitet wird, sind dabei alle digital. Bereits seit drei Jahren arbeitet der gesamte Betrieb papierlos. Nachhaltigkeit ist ihr wichtig. Draußen vor der Werkstatt steht ein Brecher, eine Recyclingmaschine, mit der sich Bauschutt, Holz oder Reifen zerkleinern lässt. „Wiederverwerten, da steh ich drauf“, sagt Maria.
OBM ist in der Branche mittlerweile als Vorreiter in Sachen Digitalisierung bekannt. Die Erklärvideos sind nur eine der Innovationen, mit denen Maria auf sich aufmerksam macht. Bei OBM ist Buchung, Bezahlung und Rückgabe der Mietgeräte seit Juni 2021 komplett online möglich. „Niemand sonst in Deutschland kann das“, sagt Maria stolz. Obwohl sie den Start des Online-Mietservice nicht beworben habe, habe es schon am ersten Wochenende drei Buchungen gegeben. Bald sollen Empfehlungen für das „Cross-Selling“ folgen: Wer zum Beispiel den Pflasterreiniger auswählt, dem wird dazu der Wildkrautentferner WeedHex vorgeschlagen.
Baggern vor dem Matterhorn
Marias Ziel ist es, dass sich Kundinnen und Kunden innerhalb von nur einer Minute eine Baumaschine ausleihen können – egal an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit. Das hat sie erreicht. Nun denkt sie weiter. Neu ist etwa die 24-Stunden-Rückgabe: Kleingeräte schließen die Kunden mit einer Kette an, Fahrzeugschlüssel werfen sie in ein Schlüsseldepot, das Rückgabeformular füllen sie online oder auf Papier aus. Eine Entlastung für Kunden und Angestellte gleichermaßen: Die einen können ihr Projekt entspannt beenden, die anderen pünktlich Feierabend machen.
Ihr Vater hatte damals wenig delegiert, manch wichtige Information war nur in seinem Kopf abgelegt. „Das will ich niemandem antun“, sagt Maria. Alle paar Wochen führt sie Mitarbeitergespräche, ihr ist es wichtig, dass ihre Angestellten selbstverantwortlich arbeiten. Hin und wieder zieht sie sich zurück und nimmt sich Zeit für sich. Gerade liest sie das Buch „It’s now“ von der Managerin Janina Kugel. Früher habe sie damit gehadert, dass sie nur einen Hauptschulabschluss habe, erzählt Maria. Die Lektüre habe sie zu einer anderen Denkweise inspiriert: Anstatt Menschen nach einem oft lang zurückliegenden Abschluss zu bewerten, sei die Frage „Was hast du noch vor?“ viel mehr wert.
Maria hat sich auch Netzwerke gesucht, in denen sie Unterstützung findet. An den Wirtschaftsjunioren in ihrem Kreis Amberg-Sulzbach schätzt sie, dass sie hier Kontakte zu Unternehmerinnen und Unternehmern anderer Branchen in ihrer Umgebung knüpfen kann. Und der Verband deutscher Unternehmerinnen verlieh ihr im Juni 2021 den „She Succeeds Award.“ Ausgezeichnet wurde sie dafür, dass sie mit gerade einmal 20 Jahren den Betrieb des Vaters übernommen hatte. Eine mutige Entscheidung, die von Zuversicht und enormer Willensstärke geprägt war.
Maria ist angekommen. Sie ist ruhigen Gewissens, wenn sie daran denkt, einmal eine Familie zu gründen und kürzer zu treten – die Firma wird trotzdem weiterlaufen. Sie erlaubt es sich auch, im Urlaub dank Rufumleitung nicht erreichbar zu sein. „Ich brauch das, komplett abzuschalten“, sagt sie. Zuletzt war sie in der Schweiz wandern. Mitten im Gebirge sah sie einen Minibagger. „Ich kann das, ich habe auch Bagger zuhause“, so etwas in der Art sagte sie zu dem Arbeiter. Auf dem Instagram-Account von OBM ist nun ein kleines Video zu sehen, wie Maria vor dem Matterhorn, weit weg von ihren eigenen Baumaschinen, ein wenig Erde schaufelt.
Vorheriger Artikel der Ausgabe
Besser ankommen mit den Wirtschaftsjunioren
Nächster Artikel der Ausgabe
Unterwegs Richtung Zukunft
Weiter Beiträge zum Thema
Gesichter der jungen Wirtschaft: Vanessa Weber
Plötzlich Unternehmerin Vanessa Weber übernahm mit 22 den Werkzeugbetrieb ihres Vaters. Allen Unkenrufen zum Trotz glückte die Nachfolge. Die Aschaffenburger Unternehmerin ging ihren eigenen Weg und verfünffachte den Umsatz des Familienbetriebs. Heute ist sie Vorbild für andere Unternehmerinnen. © ...
Pferde und SEO
Pferde und SEO © Moritz Münch Die meisten Digitalunternehmen haben ihren Sitz nicht auf einem Rittergut. Die meisten Digitalunternehmen sind aber auch nicht der europäische Marktführer für Online- Pferdehandel. Zu Besuch bei Lena Büker, Geschäftsführerin von ehorses. Ein Sommertag im Juli ...
Gesichter der jungen Wirtschaft: Nils Passau
Die digitale Glaskugel Nils Passau sagt Unternehmen, was der Kunde morgen will – und zwar je nach Wetterlage. Viele Bäckereien verlassen sich auf Vorhersagen seines Start-ups meteolytix. Die Karriere des Gründers dagegen verlief alles andere als vorhersehbar. © Nils Passau © Peters & ...