Gesichter der jungen Wirtschaft: Wilhelm Meyer zu Venne jr.
Weltweiter Waffelexport
Vanille, Schoko, Erdbeer? Egal, worauf Eure Wahl fällt oder ob Eure Lieblingssorte vielleicht doch Leberwurst-Rosmarin ist, serviert wird Euch das Eis wahrscheinlich in einer Waffel aus Venne – hier sitzt Waffel Meyer, der größte Eiswaffelproduzent Europas. Wilhelm Meyer zu Venne jr. hat uns einmal herumgeführt.
Venne, Ortsteil der Gemeinde Ostercappeln, Landkreis Osnabrück: Hier leben 3.000 Menschen und hier steht auch Europas größte Eiswaffelfabrik. Rund drei Milliarden Waffeln verlassen die Fabrik pro Jahr; ausgeliefert werden sie an große Eiscremehersteller auf der ganzen Welt, aber auch an kleine Eisdielen überall in Deutschland. Neben den Eishörnchen werden in Venne verschiedene Waffelspezialitäten hergestellt, etwa als Komponenten von Süßwaren und als eigenständiges Gebäck. Die Waffelfabrik gehört dem Unternehmen Waffel Meyer, Familienunternehmen in dritter Generation. Und die Familie Meyer zu Venne gehört zur Ortschaft Venne – den Kirchenbüchern zufolge seit dem 17. Jahrhundert. „Für die Zeit davor gibt es keine Kirchenbücher“, lacht Wilhelm Meyer zu Venne junior. Landwirtschaft hat die Familie hier jahrhundertelang betrieben, bis Wilhelms Großvater auf die Idee mit den Waffeln kam.
Wie das Hörnchen ins Osnabrücker Land kam
Wie genau die Idee mit den Eiswaffeln entstand, dazu gibt es zwei Geschichten. Eine romantische und eine nicht so romantische. Sicher ist: Wilhelms Großvater war nicht als Nachfolger seines Vaters vorgesehen, sollte also nicht den elterlichen Hof übernehmen und musste sich folglich etwas anderes überlegen. So begann er eine Bäcker- und Konditorlehre beim örtlichen Bäckermeister, die er auch erfolgreich abschloss. Doch in Venne gab es keinen Bedarf für einen zweiten Bäcker und zu seinem Ausbildungsherr in Konkurrenz treten, das gehörte sich nicht. Die romantische Geschichte geht nun folgendermaßen weiter: Wilhelms Großmutter konnte hervorragendes Eis machen. Und da jeden Tag unzählige Schüler an ihrem Küchenfenster vorbeikamen, begann sie, diesen Schülern Eis zu verkaufen – doch die Teller, auf denen sie das Eis servierte, die sah sie meist nicht wieder. Also bat sie ihren Mann, ihr diese Hörnchen zu backen, die sie schon einmal gesehen hatte und in die das Eis so genau passte. Womit die Erfolgsgeschichte von Waffel Meyer begann…
Kein Eis ohne Kühlung
„Da wird schon was dran sein“, sagt Wilhelm, doch solche Schwärmereien sind nicht sein Ding. „Wichtiger war natürlich, dass die Molkereigenossenschaften im Osnabrücker Land ihre Milch vermarkten wollten und die Eisproduktion sehr förderten. So kam es auch, dass die Bauernhöfe hier im Osnabrücker Land und im Münsterland als erste Kühlmöglichkeiten hatten. Die braucht man zwangsläufig für die Eisproduktion. Damals machten dann ja auch die ersten Eisdielen auf. An der Stelle kommen dann die Waffeln meines Großvaters ins Spiel.“ Während er noch in der Landwirtschaft tätig ist, fängt Großvater Meyer zu Venne an, nebenberuflich Eiswaffeln herzustellen und zu verkaufen: „Aus einem Karton, der auf dem Rücksitz von seinem Moped stand. So hat das angefangen“, erzählt Wilhelm. Im Jahr 1949 wird Waffel Meyer gegründet. Heute wird das Unternehmen von Wilhelm, seinem Bruder Christian und ihren Eltern geführt. Wilhelm ist als kaufmännischer Leiter tätig, Christian betreut die Produktion und Technik – ihre Mutter ist für die Qualitätssicherung zuständig. Der Vater ist aus der Geschäftsführung bereits ausgestiegen. Der Nachfolgeprozess ist im vollen Gange, die Eltern wissen das Unternehmen bei ihren Söhnen in guten Händen. Wilhelm ist direkt nach dem Studium ins Familienunternehmen eingestiegen – das war auch der Zeitpunkt, zu dem er zu den Wirtschaftsjunioren kam.
Unser Produkt gibt es seit 70 Jahren und wird hoffentlich auch in 30 Jahren noch nachgefragt werden.
Japanische Einblicke
Sein Gedanke: „Neuer Lebensabschnitt, neues Netzwerk!“ Die IHK vermittelte ihm den Kontakt zu den WJ Osnabrück, das war im Jahr 2005. „Ein lokales Netzwerk von Berufstätigen in meinem Alter zu finden, Kontakte zu knüpfen, beruflich und privat den Horizont zu erweitern – das war genau das, was ich mir vorgestellt hatte.“ Dieses Jahr war Wilhelm Teil der Delegation, die zum G20-YEA-Summit nach Japan gefahren ist, letztes Jahr war er mit in Buenos Aires. „Eine solche Gelegenheit, einen Einblick in die japanische Gesellschaft und Wirtschaft zu bekommen, das ist schon ein Highlight. Am meisten beeindruckt hat mich der Blick hinter die Kulissen: Wie funktionieren japanische Meetings, wie laufen Geschäftskontakte ab, welche Produkte werden nachgefragt, wie ticken Politik und Gesellschaft…Das war wirklich toll!“ Auch wenn Wilhelm mit großer Begeisterung über seine Reisen ins Ausland spricht, die Verbundenheit zur Region zeichnet ihn und sein Unternehmen aus. Seit fünf Jahren sind Waffel Meyer und die Ortschaft Venne sogar noch ein Stückchen näher zusammengerückt: Mit einem einzigartigen Energie-Pilotprojekt, das in Vorbild für Unternehmensstandorte in ganz Deutschland werden könnte.
Für immer Venne
Jahrzehntelang hatte sich die Familie Meyer zu Venne darüber geärgert, dass die Abwärme der Waffelöfen durch die Schornsteine ungenutzt in die Umgebung entwich. Tatsächlich wird Abwärme vielerorts bereits für ein Nahwärmenetz in Neubaugebieten genutzt, doch in der Umgebung der Waffelfabrik befindet sich nur die bereits bestehende Ortschaft. „Klassisch wäre auch ein Großabnehmer für die Wärme, etwa ein Schwimmbad. Doch auch das gibt es hier auf dem Dorf nicht“, erzählt Wilhelm. „Zusammen mit den Bürgern und der Politik haben wir dann besprochen, dass wir gerne versuchen würden, ein Nahwärmenetz für bestehende Einfamilienhäuser aufzubauen. Es haben sich tatsächlich genug Freiwillige gefunden, die mitmachen wollten. Heute sind 160 Haushalte an dieses Nahwärmenetz angeschlossen, die mit unserer Wärme versorgt werden.“ Da Waffel Meyer aber nicht auch noch zum Energieversorger werden wollte, ist eine Bürgergenossenschaft gegründet worden, die nun Träger des Nahwärmesystems ist. „Wir stellen lediglich die Abwärme zur Nutzung zur Verfügung. Natürlich sind wir aber trotzdem Mitglied in der Genossenschaft und arbeiten dort mit – wir stehen ja hinter dem Projekt.“ Venne und Waffel Meyer gehören eben zusammen. Und das soll auch noch lange so bleiben: „Wir haben hier noch genug Land, um weiter zu wachsen. Unser Produkt gibt es seit 70 Jahren und wird hoffentlich auch in 30 Jahren noch nachgefragt werden.“ Und natürlich besteht auch eine enge Verbundenheit zu den Menschen in der Region: „Unsere Mitarbeiter versuchen wir vor allem in der direkten Umgebung zu gewinnen – viele Mitarbeiter sind schon in der dritten Generation für uns tätig. Dieses Unternehmen soll noch lange für viele Familien hier die Lebensgrundlage bieten können.“
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